Arbeitszeiterfassung: Unternehmen verlangen mehr Flexibilität, weniger Bürokratie

Frau Anmeldung Zeiterfassungssystem

Drei Viertel der deutschen Unternehmen erfassen inzwischen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten – viele erst nach einem Gerichtsurteil. Doch mit der Einführung wächst die Kritik.

Die Mehrheit der deutschen Unternehmen erfasst inzwischen die Arbeitzeit ihrer Beschäftigten: 74 Prozent setzen entsprechende Systeme ein. Damit erfüllen sie eine Verpflichtung, die das Bundesarbeitsgericht im September 2022 festgelegt hat. Damals hatten erst 30 Prozent der Unternehmen Arbeitszeiterfassungssysteme eingeführt. 44 Prozent reagierten erst nach dem Urteil. Das ergab eine repräsentative Umfrage unter 602 Unternehmen mit mindestsens 20 Beschäftigten, die der Digitalverband Bitkom durchführte.

Der Anteil der Unternehmen mit Arbeitszeiterfassung dürfte weiter steigen: 21 Prozent planen, im laufenden Jahr ein solches System einzuführen. Nur zwei Prozent wollen abwarten, bis der Gesetzgeber die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung konkretisiert. Der Koalitionsvertrag sieht vor, die elektronische Erfassung unbürokratisch zu regeln.

Arbeitszeitrecht an die Lebensrealität der Menschen anpassen

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtBitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst kritisiert die aktuelle Debatte: „Bei der Debatte um Arbeitszeit orientieren wir uns immer noch an einem Leitbild des Industriearbeitsplatzes aus dem 20. Jahrhundert. In unserer heutigen digitalen Welt mit ihren flexiblen Arbeitsmodellen, insbesondere im Bereich der Wissensarbeit, ist eine minutiöse Arbeitszeiterfassung anachronistisch und in der Praxis kaum umzusetzen. In vielen Berufen gibt es keine klare Trennlinie zwischen beruflichen und privaten Tätigkeiten, etwa bei der Nutzung sozialer Medien, der Pflege des persönlichen Online-Netzwerks oder thematischen Recherchen.“ Wintergerst fordert: „Statt mehr Bürokratie und Kontrolle muss die Regierung, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, die Vertrauensarbeitszeit weiterhin ermöglichen und die Umstellung von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit rasch umsetzen. Von dieser Flexibilität würden Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen profitieren.“

82 Prozent der Unternehmen unterstützen diese Forderung. Sie plädieren für eine wöchentliche Höchstarbeitszeit. 49 Prozent sprechen sich zudem für flexiblere Ruhezeiten aus. Wintergerst ergänzt: „Mit der Novelle des Arbeitszeitgesetzes sollte klargestellt werden, dass kurzzeitiges Arbeiten nach Feierabend die Ruhezeit nicht unterbricht. Das gilt insbesondere für einen schnellen Mailcheck oder kurze Online-Recherchen. Wer spät abends nochmal in seine beruflichen Mails schaut, darf nicht gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen, nur weil er um 9 Uhr wieder am Schreibtisch sitzt. Wir müssen unser Arbeitszeitrecht endlich an die Lebensrealität der Menschen anpassen.“


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65 Prozent befürchten, dass sie die Flexibilität der Vertrauensarbeitszeit einschränkt. 55 Prozent halten die genaue Erfassung, vor allem in der Wissensarbeit, für schwer umsetzbar. 41 Prozent berichten, dass sich Beschäftigte durch die Erfassung kontrolliert fühlen.

Unternehmen, die Arbeitszeiten erfassen, nutzen vor allem elektronische Systeme: 31 Prozent setzen auf Computerlösungen, 18 Prozent auf Smartphone-Apps. 24 Prozent verwenden stationäre Systeme mit Chip oder Transponder, 19 Prozent greifen auf Stempeluhren zurück. 16 Prozent arbeiten mit Excel-Tabellen, 13 Prozent mit handschriftlichen Stundenzetteln.

Die Umfrage von Bitkom fand zwischen der 10. und 16. Kalenderwoche 2025 statt. Sie ist repräsentativ und wurde telefonisch durchgeführt. Die Fragen lauteten: Erfassen Sie in Ihrem Unternehmen diesen Vorgaben entsprechend die Arbeitszeit Ihrer Mitarbeitenden? Wie erfassen Sie in Ihrem Unternehmen die Arbeitszeiten Ihrer Mitarbeitenden? Inwieweit treffen die folgenden Aussagen zum Thema Arbeitszeiten Ihrer Meinung nach zu bzw. nicht zu?

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