Zum 1. Juni startet die Chancenkarte, mit der die Bundesregierung ausländische Fachkräfte nach Deutschland holen möchte. Bereits jetzt haben sich über 250.000 Personen ihre Chancen berechnen lassen.
Knapp ein Jahr ist es her, dass die Bundesregierung die gesetzlichen Regelungen zur Fachkräfteeinwanderung vollständig reformiert hat. Zum 1. Juni geht nun auch das Herzstück der damaligen Reform an den Start: die Chancenkarte.
Durch ein Punktesystem sollen Fachkräfte aus Drittländern leichter nach Deutschland kommen können. Sie müssen dafür keinen festen Arbeitsvertrag vorweisen und dürfen direkt nach der Einreise bis zu 20 Stunden pro Woche arbeiten. Durch die Chancenkarte werden insbesondere die langwierigen staatlichen Anerkennungsverfahren weniger relevant. Es gilt der neue Grundsatz, dass ein Studium oder eine Ausbildung “nur” nach den Regeln des Herkunftslandes staatlich anerkannt sein muss und nicht mehr, wie bislang, exakt deutschen Ausbildungsregeln zu entsprechen hat.
250.000 Personen haben bereits ihre Chancen berechnet
Erste Anlaufstelle für viele Fachkräfte ist das Onlineportal Chancenkarte.com. Dieses fungiert seit letztem Jahr als Wegweiser rund um die Chancenkarte. Ab dem 1. Juni finden Bewerber:innen und Arbeitgeber dort außerdem Hilfestellungen zum Bewerbungsprozess inklusive Verlinkungen zu den jeweiligen deutschen Botschaften. Dabei ging die Bundesregierung bislang von weniger als 50.000 Bewerbern pro Jahr aus, doch schon jetzt zeichnet sich ein Ansturm auf die Botschaften ab. Bis Ende Mai haben bereits über 250.000 Personen ihre Chancen berechnet, von denen über 100.000 die nötigen Voraussetzungen erfüllen.
Die Chancenkarte GmbH
… betreibt seit Mitte 2023 das Online-Portal Chancenkarte.com. Neben den Hilfestellungen für Kandidat:innen im Bewerbungsprozess versucht die GmbH auch, ihre schnelle Integration in Deutschland zu unterstützen. Dazu entwickelt Chancenkarte derzeit eine Jobbörse, auf der Chancenkarte-Kandidat:innen und Arbeitgeber bereits vor der Einreise nach Deutschland miteinander in Kontakt treten können. So können Arbeitgeber bereits frühzeitig nach Kandidat:innen suchen, die wiederum direkt von den Vorteilen einer ersten Arbeitsstelle in Deutschland profitieren.
Insbesondere für Arbeitgeber ist interessant, wer nun nach Deutschland kommen kann. So hofft beispielsweise das Handwerk auf einen deutlichen Zustrom. Allerdings haben 80 Prozent der bisher auf Chancenkarte.com registrierten Bewerber:innen einen Hochschulabschluss. Drei Viertel sind unter 35 und erfüllen somit eines der Kernkriterien der neuen Chancenkarte. Unter den Herkunftsländern stechen vor allem englischsprachige Entwicklungs- und Schwellenländer hervor: Indien, Pakistan, Nigeria und Ghana nehmen die vorderen Plätze ein – aber auch die USA sind weit vorne dabei.
Deutsch sprechen nur die wenigsten: Drei Viertel aller Kandidaten geben an, dass sie entweder kein oder nur sehr rudimentär Deutsch können. Da kommt es auch nicht überraschend, dass die meisten Bewerber noch nie in Deutschland gewesen sind (96 Prozent). Englisch hingegen fällt den meisten Bewerbern leicht – über drei Viertel aller Bewerber:innen sind darin fließend.
Inhaber:innen der Chancenkarten unterliegen der Sozialversicherungspflicht
Für Arbeitgeber sind viele der im Rahmen der Chancenkarte qualifizierten Kandidaten zunächst sehr gut als Aushilfskräfte einsetzbar. Sie dürfen nach Ankunft in Deutschland 20 Stunden pro Woche arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dabei stellt diese erste Tätigkeit eine gute Chance für eine schnelle Integration in den deutschen Arbeitsmarkt dar. Unterm Strich profitieren nicht nur Arbeitgeber, sondern auch der Staat – Inhaber:innen der Chancenkarten unterliegen wie alle anderen Beschäftigten der Sozialversicherungspflicht.
Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer schätzte zuletzt, dass Deutschland 1,5 Millionen Zuwanderer pro Jahr brauche, um seinen Fachkräftemangel zu decken. Ob die Chancenkarte das allein schaffen wird, hängt insbesondere auch davon ab, ob die deutschen Botschaften ausreichend viele Termine zur Beantragung bereitstellen. Am Interesse von Kandidat:innen wird es in jedem Fall nicht scheitern.