Corona-Krise ist für viele Solo-Selbstständige schon jetzt existenzbedrohend

Schriftzug Made in Crisis auf Wand

Die Corona-Pandemie trifft auch Deutschland mit voller Wucht – vor allem auch wirtschaftlich. Für viele Solo-Selbstständige kann das existenzgefährdend werden.

Wegen der Schutzmaßnahmen, die ein weiteres Ausbreiten des Coronavirus verhindern sollen, kommt das öffentliche Leben immer mehr zum Stillstand. Großveranstaltungen sind bereits untersagt und auch kleinere Veranstaltungen werden zunehmend abgesagt. Theater und Museen schließen ebenso wie Schulen und Hochschulen. Doch während für Unternehmen und abhängig Beschäftigte Hilfen unter anderem durch die erleichterten Zugangsregeln für das Kurzarbeitergeld greifen, stehen Selbstständige und darunter vor allem Solo-Selbstständige allein da. Allein sieben Vortragsabsagen in einer Woche hat eine Speakerin aus München bekommen, die lieber anonym bleiben will. Sie hält Vorträge und gibt Trainings an Schulen, Hochschulen, Bildungseinrichtungen und für Unternehmen zum Thema Medienkompetenz und Sicherheit im Netz. “Wenn das so weiter geht, wird es existenzgefährdend”, so die Rednerin. Derzeit würden die Kunden absagen und sie auf einen späteren Zeitpunkt im Jahr verweisen – gegenwärtig bliebe es aber bei diesem vagen Versprechen, keinen Nachbuchungen für einen späteren Zeitpunk.

Einerseits hat die Freiberuflerin Verständnis für die Absagen. “Ich will im Moment auch nicht reisen und mich in geschlossenen Räumen mit vielen Menschen aufhalten, wo nicht immer der Mindestabstand gewahrt werden kann”, so die Speakerin. Andererseits gerät sie mit jeder Stornierung wirtschaftlich unter Druck. Wann wieder Veranstaltungen stattfinden können, kann derzeit niemand mit Gewissheit sagen. Im schlimmsten Fall wird es über Monate Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aufgrund von Quarantänebestimmungen und Schutzmaßnahmen geben. Ihre Rücklagen würden zwar reichen, um einige Monate zu überbrücken – trotzdem hat die Selbstständige schon einmal die Steuervorauszahlungen für dieses Jahr reduziert.

Bundesgesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten unterstützt Selbstständige

Auch freischaffende Künstlerinnen und Künstler trifft es hart, wenn Bühnen geschlossen bleiben und Engagements abgesagt werden. Eine Entschädigung erhalten Selbstständige und Freiberuflerinnen sowie Freiberufler nur, wenn sie selbst erkrankt sind und unter Quarantäne gestellt werden. Das sieht das Bundesgesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten in § 56 vor. Die Höhe der Entschädigungssumme bemisst sich an den letzten Jahreseinnahmen laut Steuerbescheid. Je nach Bundesland unterscheidet sich aber die Zuständigkeit der Behörden, die für die Entschädigungszahlungen zuständig sind. Eine Übersicht, welche Behörde in welchem Land zuständig ist, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung zusammengestellt.

Insgesamt wird die Entschädigungszahlung für die ersten sechs Wochen in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes gewährt. Aber nur, wenn der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt. Bei einer existenzgefährdenden Stilllegung des Betriebs können Selbstständige zudem einen Antrag auf Entschädigung der nicht gedeckten Betriebsausgaben stellen.

Entschädigungszahlungen nur bei Quarantäne

Das Problem jedoch ist: Noch sind glücklicherweise nur sehr wenige Menschen tatsächlich mit dem Corona-Virus infiziert und werden daher unter Quarantäne gestellt. Für die massive Stornierung von Aufträgen als Schutzmaßnahme gegen die weitere Ausbreitung des neuartigen Virus greift diese Regelung nicht. Für die Unternehmen wurden daher Ausnahmen beim Kurzarbeitergeld im Schnellverfahren auf den Weg gebracht. Für Selbstständige dagegen gibt es bislang noch keine Regelung.

Selbstständige, die mit der Gründung eine freiwillige Arbeitslosenversicherung abgeschlossen haben, können unter bestimmten Umständen diese in Anspruch nehmen. Allerdings gibt es hier mehrere Hürden zu nehmen: Zum einen muss man die freiwillige Arbeitslosenversicherung bis spätestens drei Monate nach Gründung abgeschlossen haben. Zum anderen muss man innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Ferner müssen die Umsatzeinbußen so gravierend sein, dass sie quasi eine Arbeitslosigkeit bedeuten. Formal schreibt die Bundesagentur für Arbeit als Voraussetzung vor, dass die wöchentliche Arbeitszeit weniger als 15 Stunden betragen muss, um das Arbeitslosengeld aus der freiwilligen Versicherung erhalten zu können. Ein Zuverdienst von 165 Euro pro Monat ist während der Inanspruchnahme möglich – alle weiteren Einnahmen werden angerechnet.

Steuererleichterungen und Überbrückungsregelungen bei der Sozialversicherung einrichten

Am Freitag beraten nun Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften mit der Bundeskanzlerin, welche weiteren Hilfen es für die Wirtschaft geben soll. Hierbei wird auch die Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), wo Tausende Selbstständige organisiert sind, Hilfen für die besondere Situation der Freiberufler fordern. „Die ausbleibenden Honorare bringen Betroffene in massive wirtschaftliche Schwierigkeiten. Da freiberuflich Tätige kein Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen können, brauchen wir weitere Hilfen, um kurzfristige Zahlungsausfälle und den enormen Rückgang von Aufträgen aufzufangen“, sagt etwa Agnes Schreieder, zuständig für den Bereich Medien, Kunst und Kultur bei ver.di in Hamburg.

Eine Maßnahme könne etwa sein, für Freiberuflerinnen und Freiberufler Steuererleichterungen und Überbrückungsregelungen bei der Sozialversicherung einzurichten. Für große Kultureinrichtungen und freiberuflich tätige Künstlerinnen und Künstler könnten zudem Fonds eingerichtet werden, aus denen die durch die Pandemie verursachten Ausfälle kompensiert werden können.

“Der Staat darf uns nicht alleine lassen”

Auch der ISDV (Interessengemeinschaft der selbständigen DienstleisterInnen in der Veranstaltungswirtschaft e.V. setzt sich für die Interessen der Freiberuflerinnen und Freiberufler ein und hat zu den wirtschaftlichen Auswirkungen auf Solo-Selbstständige eine Umfrage gestartet, die Argumente für Gespräche mit verantwortlichen Politikern liefern sollen.

Die Speakerin aus München hofft, dass die Politik ebenso für die gesamte Wirtschaft rasche Entscheidungen trifft: “Als Selbstständige habe ich zwar ein unternehmerisches Risiko – aber was wir im Moment erleben, ist eine Art Notstand. Der Staat darf uns nicht alleine lassen.”

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.