Nina Diercks träumt vom Journalismus und landet bei Jura. Ein Weg, den sie bis heute nicht nur nicht bereut, sondern sich gar nicht mehr anders vorstellen kann. Obwohl sie in einer Branche tätig ist, die es Frauen mit Kindern nicht einfach macht.
Nina Diercks ist Rechtsanwältin in Hamburg sowie Gründerin und Autorin des Social Media Recht Blog. In ihrer täglichen Arbeit beschäftigt sie sich mit all den juristischen Fragen, denen Unternehmen in der digitalen Welt begegnen. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung und Vertragsgestaltung. Ach ja, einen “Master of Letters” der University of Aberdeen hat sie auch noch.
Frauen haben etwas zu sagen, sie müssen allerdings den Raum erhalten, das auch zu tun! Diesen bieten wir mit unserem Format DIE CHEFIN-TALK.
Hier laden wir Frauen ein, mit uns über ihr Thema zu sprechen.
die Chefin: Warum machen Sie, was Sie machen?
Nina Diercks: Weil es Spaß bringt. Ein bisschen mehr wollen die Leser(innen) dann aber wahrscheinlich doch wissen.
Also von vorn: Ich bin Rechtsanwältin und Partnerin der hochspezialisierten Kanzlei Dirks & Diercks in Hamburg. In meiner täglichen Arbeit beschäftige ich mich mit allen möglichen Fragestellungen, denen Unternehmen in der digitalen Welt begegnen.
Dass es einmal so enden würde, war aber so nicht gedacht. Als Abiturientin träumte ich davon, große gesellschaftspolitische Reportagen bei der ZEIT zu schreiben. Dem machte aber mein Abitur ein Strich durch die Rechnung. Selbiges war zwar nicht wirklich schlecht, aber einen NC von 1,2 bzw. 1,4 für meine Traumfächer Politik, Germanistik und Journalistik konnte ich nicht bieten.
Damals schien es, als könne ich nur Jura studieren. Denn hier gab es komischerweise in meinem Jahrgang quasi gar keinen NC. Unter der Prämisse „Ich kann ja immer noch wechseln“, fing ich dann an. Und das war gut so. Denn wechseln wollte ich nach einem Semester nicht mehr, da Jura mir wirklich Spaß machte. Meine Studienwahl läuft damit wohl unter der Rubrik „Wozu so ein ‘schlechtes’ Abitur doch gut sein kann!“.
Um aber mein heimliches Ziel, die Journalistik, nicht aus den Augen zu verlieren, machte ich noch vor Studienbeginn ein Praktikum in einer der ersten Online-Redaktionen von Gruner + Jahr. Dem folgten verschiedene Jobs in den Bereichen Redaktion, PR und Marketing. Der Anfang meiner innigen Beziehung mit den „Medien“, vielmehr den Online-Medien.
Nach meinem Ersten Staatsexamen gab ich dann noch einmal meinen politischen Leidenschaften nach und machte in Schottland einen Master in internationaler Sicherheitspolitik – auch um einfach mal eine Jura-Pause einlegen zu können. Bis heute aber fasziniert mich die Sicherheitspolitik. Als ich jedoch mit dem Zweiten Staatsexamen durch war, war ich zwischenzeitlich nicht nur Mutter einer Tochter geworden, sondern auch mit einem Mann verheiratet, der bereits eine eigene Firma mit mehreren Angestellten in Hamburg führte. Jobs in der Sicherheitspolitik gab und gibt es aber in erster Linie in Berlin. Und aus Hamburg hätte ich nur um den Preis der Trennung meiner Familie rausgekonnt. Daher habe ich mich den Medien einfach aus juristischer Sicht gewidmet – und kurzerhand selber Journalistik “druntergeschoben”.
Das heißt, ich habe eine Tätigkeit als angestellte Anwältin in einer Kanzlei angefangen und mehr oder weniger zeitgleich den Social Media Recht Blog ins Leben gerufen. Mit meinem Blog erkläre ich (sowie inzwischen auch mein Geschäftspartner Stephan Dirks) Laien komplexe rechtliche Sachverhalte aus der neuen Medienwelt – zumeist mit einem Augenzwinkern.
Nach einem Jahr verließ ich die Kanzlei allerdings, um mich selbstständig zu machen. Denn ich musste einsehen, dass es in meinem konservativen Arbeitsumfeld einfach schwierig ist, eine Stelle zu finden, mit der Kind & Karriere wirklich unter einen Hut zu bekommen sind. Also, habe ich mir den passenden Arbeitsplatz einfach selbst geschaffen.
Dass das nun immer Zuckerschlecken wäre, ist gelogen. Aber mir gefällt die selbstbestimmte Art zu arbeiten sowie die Arbeit mit den Mandanten sehr. Und so bin ich als selbstständige Anwältin in der Medienbranche zwar an eine Stelle gekommen, die ich mir mit 18 nicht mal im Ansatz ausgemalt hätte. Aber ich habe es recht gut getroffen – meine zurückhaltende Hamburger Formulierung für „Ich kann mir derzeit nicht wirklich vorstellen, noch mal etwas anderes zu tun“.
“Mein Mann ist und bleibt für mich die größte Unterstützung.”
die Chefin: Wurden Sie auf Ihrem Weg unterstützt?
Diercks: Ja. Immer wieder. Bereits in der Schule. Hier erzählte ich meiner Vertrauens- und Kunstgeschichtslehrerin unter Tränen, dass ich wohl nichts anderes als Jura studieren könne. Sie sah mich nur kurz an und sagte, „Nina, das machen Sie mal. Ich bin mir sicher, das wird Ihnen Spaß bringen und Sie werden gut darin sein.“ Sie sollte Recht behalten. Ob ich mich für Jura ohne sie eingeschrieben hätte? Ich weiß es nicht. Also: Danke, Frau Strohwald!
An der Uni bzw. am King’s College in Aberdeen gab es ebenfalls immer wieder Professoren sowie im Referendariat Ausbilder, die mich unterstützen. Besondere Erwähnung verdient hier vielleicht Dr. Gerald Mai, seines Zeichens Justiziar beim Bauer Verlag und einer meiner Ausbilder im Referendariat. Er lehrte mich nämlich nicht nur das Verträge schreiben, eine meiner heutigen Haupttätigkeiten. Er bestätigte auch, dass Familie und Beruf kein Hindernis darstellen muss. Ganz einfach dadurch, dass er es als vollkommen selbstverständlich und normal nahm, dass ich aufgrund eines kleinen, zahnenden Kind auch einmal übermüdet in den Verlag kam. Und mich vor allem immer wieder darauf hinwies, dass ich im Zweifel auch einfach zu Hause bleiben solle. Das Kind war keine Ausnahmesituation, sondern wurde einfach als zum Leben dazugehörig betrachtet.
Last but not least, auch wenn es vielleicht kitschig klingt: Der größte Dank gebührt meinem Mann. Wer wissen will, wie er ist, bekommt hier einen guten Eindruck. Wir kennen uns seit meinem 21. Lebensjahr. Er hat mich durch den größten Teil des Studiums begleitet, zwei Staatsexamina mit mir geschafft (nur Angehörige von Juristen wissen, was das bedeutet) und mich ins Ausland ziehen lassen, damit ich zurückkehre. Es war und ist für ihn selbstverständlich, dass wir gleichberechtigt sind. Und daran hat sich auch mit unseren Kindern nichts geändert. Er ist und bleibt für mich die größte Unterstützung an meiner Seite.
„Rechtsanwältin? Wie wollen Sie das denn machen als Frau und Mutter?“
die Chefin: Gab es auf diesem Weg Hürden?
Diercks: Viel zu viele. Machen wir uns nichts vor, Frauen- und Mütterdiskriminierung prangt leider immer noch hell am Firmament. Auch wenn ich am Ende meiner langen juristischen Ausbildung dachte, dass die Zeiten der Frauendiskriminierung ebenso vorbei seien wie die der unnötigen Präsenzkultur, wurde ich doch im sogenannten Vorgespräch zur mündlichen Prüfung des Zweiten Staatsexamens eines Besseren belehrt. Der Prüfungsvorsitzende äußerte sich zu meinem Berufswunsch: „Rechtsanwältin? Wie wollen Sie das denn machen als Frau und Mutter?“
Von weiteren solchen Situationen habe ich in den Artikeln Als Frau sind Sie ein Risiko für uns, Kinder, Karriere, Leben – Ein Plädoyer für die Angst und Meine Herzensangelegenheit: Vereinbarkeit von Familie und Beruf berichtet. Wer mag kann dort weiterlesen. Oder sich auf das jetzt im Dezember erscheinende Buch Kinder + Karriere = Konflikt? von Tina Groll freuen. Auch dort erzähle ich von meiner Situation.
Bestehende Hürden aber hin und her. Ich finde, es ist derzeit ein bisschen zu “en vogue“ zu behaupten, es gäbe eine „Vereinbarkeitslüge“ und Familie und Beruf seien per definitionem nicht zusammen zu bringen. Meinem Ärger darüber habe ich in dem Beitrag Ihr wollt Kinder? Dann bekommt sie doch einfach. Und: Hört auf zu jammern! – Ein Rant. Luft gemacht.
die Chefin: Auf welche Ihrer Eigenschaften sind Sie stolz und warum?
Diercks: Dass ich an meine eigenen Ziele glaube und sie dann verwirkliche. Auf die Fragen „Kann eine Frau erfolgreiche Anwältin und Mutter sein?“ und „Kann man das auch noch sein, wenn man nicht 80 Stunden die Woche arbeiten will?“ raunte und wisperte es mir damals von allen Seiten entgegen, dass das wirklich nicht ginge. Das gäbe es nicht. Frei nach dem Motto: „Wenn das so einfach wäre…!“
Diese Antworten sind – jedenfalls in meinem konservativen Juristenumfeld – immer noch diejenigen, die man bzw. frau ehrlicherweise erhalten müsste. Da das aber nicht mehr dem Zeitgeist entspricht, werden die 70+-Stundenwochen eben nur noch gelebt und dazu hübsche Waschzettel auf Karriere-Webseiten gepackt. Der von mir geschätzte Robert Franken hat dafür den schönen Begriff Purple Washing gefunden.
Aber es geht anders. Oder um es mit Loriot zu sagen: Nein. Doch. Oh!
“Wer nicht losläuft, wird nicht ankommen.”
die Chefin: Was war der beste Rat, den Sie je bekommen haben?
Diercks: „Das (Berufs-)Leben ist kein Sprint, sondern ein Marathon“ – dieser kleine Satz beinhaltet so viel Wahres. Es geht darum, sich vor Augen zu führen, dass nicht alles heute oder morgen passieren muss. Dass es sinnvoll sein kann, „Nein“ zu sagen und sich nicht auch dieses oder jenes Thema auf die aktuelle Agenda zu legen. Auch wenn es Spaß machen würde, es eine Herzensangelegenheit ist oder die nächste „Opportunity“ dahinter liegen könnte. Es geht darum die Kräfte einzuteilen und den Lauf gut und mit Freude im Hier und Jetzt zu Ende zu bringen.
Theoretisch toll, praktisch aber schwierig. Ich bin ein ziemlich impulsiver und energischer Typ, der am liebsten heute alles umsetzen würde. Demnach würde ich es mal so formulieren: Es gelingt mir mal besser und mal schlechter eben diesen Rat zu befolgen. Aber ich arbeite daran.
die Chefin: Was raten Sie dem Nachwuchs?
Diercks: Ich bin dasselbe vor kurzem schon einmal gefragt worden. Und auch jetzt kann ich dazu nur sagen, dass ich es schwierig finde, dem Nachwuchs einen bestimmten Rat zu geben. Schließlich ist jeder so unterschiedlich, dass es den „einen Rat“ nicht gibt. Viele Wege führen nach Rom. Oder zum Erfolg – wie auch immer man den für sich definieren möchte. Aber ich glaube, die nachfolgenden vier Sätze gelten grundlegend und immer:
- Wer sich keinen Plan macht, weiß nicht, wo er hin will.
- Wer nicht losläuft, wird nicht ankommen.
- Wir kochen alle nur mit Wasser.
- Und es hat keiner gesagt, es gäbe keine Umwege!