Das bisschen Haushalt ist sehr wohl ein Problem

Mehrere Schrubber lehnen an roter Wand

Denn das private Leben managen kostet sehr viel Zeit, Arbeit und Geld. Im Schnitt eine halbe Million Euro Verlust an Erwerbseinkommen – für Frauen.

Noch immer sind es überwiegend Frauen, die die meisten unbezahlten Fürsorge-Arbeiten in einer Partnerschaft bzw. Familie verrichten. Viele zahlen dadurch sogar drauf, denn wer viele Stunden dafür verwendet, unbezahlt zu arbeiten, hat natürlich weniger Zeit, einer bezahlten Erwerbsarbeit nachzugehen. Die Folge ist meist eine finanzielle Abhängigkeit vom Partner – im äußersten Fall sogar die Armut im Alter.

Die Datenlage dazu ist eindeutig: Frauen und Männer teilen sich die Arbeit immer noch weitgehend nach traditionellen Geschlechterrollen, wodurch die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zementiert wird. In der Corona-Pandemie sind sogar einige Fortschritte zurückgedreht worden, wie jüngst eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zeigt: Waren zu Beginn der Pandemie Männer und Frauen bemüht, sich die unbezahlte Care-Arbeit zu gleichen Teilen aufzuteilen, hat heute etwa jede fünfte Mutter ihre Arbeitszeit reduziert, um sich um die Betreuung von Kindern wegen geschlossenen Schulen und Kitas zu kümmern. Das sorgt für eine Retraditionalisierung, weswegen auch die Soziologin Jutta Allmendinger vor einem Backlash bei der Gleichberechtigung warnt.

Frauen verbringen mehr Zeit mit unbezahlter Arbeit als Männer

Die gesamtgesellschaftlichen Folgen dieser Entwicklung sind nicht zu unterschätzen. Anlässlich des diesjährigen Equal Care Day am 1. März, der auf die ungleiche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern aufmerksam macht, des auf den 7. März fallenden Equal Pay Day, der auf die schlechtere Bezahlung von Frauen hinweist sowie des Weltfrauentags am 8. März haben Ökonominnen des Wirtschaftsforschungsinstituts WifOR untersucht, wie sich die gesamtgesellschaftlichen Probleme in ökonomischen Daten beziffern lassen.

Das unabhängige Institut, eine Ausgründung der TU Darmstadt im Fachgebiet Finanz- und Wirtschaftspolitik des Ökonomen Bert Rürup, entwickelt volkswirtschaftliche Modelle und Analysen unter anderem für öffentliche Institutionen und Ministerien. Für die Analyse wurden wesentliche Studien zum Stand der Gleichberechtigung und zur ökonomischen Teilhabe von Männern und Frauen ausgewertet. Neben Daten zum Arbeitsmarkt wie etwa Erwerbsbeteiligung und Teilzeitquoten, Daten zum Gender Pay Gap und Gender Pension Gap vom Statistischen Bundesamt flossen auch Zahlen aus dem Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung sowie verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen in die Auswertung ein. Sandra Hofmann, Ökonomin am WifOR-Institut und Autorin des Papiers sagt: “Durch die ungleiche Aufteilung der Care-Arbeit geht ein erhebliches gesamtwirtschaftliches Einkommen verloren. Denn Frauen verbringen 1,6 Mal mehr Zeit mit nicht-marktlicher unbezahlter Arbeit als Männer.” Zu dieser Arbeit gehört übrigens auch ein Ehrenamt, das häufiger von Männern ausgeübt wird und daher den Anteil der unbezahlten Arbeit von Männern erhöht. Zudem wird in die nicht-marktwirtschaftlichen Tätigkeiten auch die Schwarzarbeit gezählt, die ebenfalls die informellen Arbeitsstunden der Männer vergrößert.

Schieflage bei der Arbeitsteilung hat handfeste finanzielle Folgen für Frauen

Die Schieflage bei der Arbeitsteilung hat handfeste finanzielle Folgen für die Frauen, so Hofmann, die bereits 2015 in einem makroökonomischen Modell berechnet hat, wie hoch der Effekt wäre, würden Frauen für all ihre unbezahlten Tätigkeiten entlohnt werden. Damals kam die Ökonomin auf einen durchschnittlichen Nettoeinkommenszuwachs von 907 Euro, was einem relativen Einkommenszuwachs von 42 Prozent entspricht. Heute dürfte diese Summe wohl noch größer sein.

Hofmann verweist in ihrer Untersuchung vor allem auf folgende Daten: der Gender Time Gap, der bemisst, wie viel Zeit Männer und Frauen im Schnitt für die bezahlte Erwerbsarbeit aufwenden. Er betrug im Jahr 2020 7,6 Stunden pro Woche – denn Frauen arbeiten im Schnitt 7,6 Stunden weniger bezahlt als Männer. Grundlage für die Ermittlung dieser Zeit-Lücke ist einerseits die Erwerbsquote, andererseits die Teilzeitquote. Dabei ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen stark gestiegen – lag sie im Jahr 1995 noch bei 55 Prozent, beträgt sie heute fast 72 Prozent. Zum Vergleich: Die Erwerbsquote der Männer lag im Jahr 1995 bei fast 74 Prozent und beträgt heute 79 Prozent. Der sogenannte Gender Work Gap – die Erwerbsbeteiligung der Geschlechter – hat sich demnach erheblich angeglichen. Doch betrachet man dazu die Teilzeitquote, ergibt sich der Gender Time Gap. Gut die Hälfte der erwerbstätigen Frauen arbeitet nämlich Teilzeit, bei den Männern sind es hingegen nur 12 Prozent.

Frauen reduzieren ihren Job meist nicht einfach so

Nach Daten des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen kommen Frauen im Schnitt auf 30,3 Wochenstunden Erwerbsarbeit, Männer hingegen auf durchschnittlich 37,9 Stunden. Allerdings ist die Betrachtung unvollständig, denn Frauen arbeiten durchschnittlich noch zusätzliche 27,4 Stunden im Haushalt, wenden Zeit für die Pflege von Angehörigen oder für andere Produktionstätigkeiten auf. Frauen kommen also auf 57,7 Wochenstunden. Sie arbeiten faktisch mehr als die Männer. Denn Männer übernehmen im Schnitt 14,8 Wochenstunden mit nicht-marktlichen Tätigkeiten. “Würden die nicht-bezahlten Arbeiten berücksichtigt, würde sich Gender Time Gap nahezu halbieren”, so Sandra Hofmann.

Hinzu kommt: Frauen reduzieren ihren Job meist nicht einfach so. Viele tun das aufgrund struktureller Unvereinbarkeit, da Betreuungsangebote fehlen oder ein Auslagern von Fürsorgearbeit an Dritte zu teuer ist. Viele Frauen arbeiten im Jahr 2022 allerdings auch für die Teilzeit, weil es fiskal- und familienpolitische Anreize wie das Ehegattensplitting gibt, die es finanziell fördern, wenn eine Familie das sogenannte Anderthalb-Personen-Modell wählt. Wichtige Aspekte dabei sind, dass Frauen einerseits oft noch schlechter bezahlt werden als Männer, andererseits sich oft auch für geringer entlohnte Berufe entscheiden. Außerdem erfolgt die Partnerwahl häufig stereotyp: Frauen wählen Männer, die sozial oder ökonomisch über ihnen stehen, Männer wählen eher Frauen, die sozial nicht über ihnen stehen. Dann ist es am Ende auch eine finanzielle Entscheidung, dass der Partner mit dem geringeren Einkommen im Job reduziert, um Care- und Betreuungslücken zu schließen.

Männer glauben dass Frauen die Aufgabenteilung selbst wählen

Und es gibt den Gender Care Gap, der mit dem Gender Time Gap korrespondiert. Laut dem Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung übernehmen Frauen in Deutschland durchschnittlich fast 53 Prozent mehr an unbezahlten Fürsorgearbeiten als Männer. Doch wie kommt man auf diese Zahl? Zum einen werden auch hier Arbeitsmarktdaten ausgewertet. Zum anderen werden Befragungen durchgeführt, für die Männer und Frauen angeben sollen, wie viel Zeit sie für bezahlte und unbezahlte Arbeiten im Schnitt aufwenden. Diese Zahlen aber werden immer wieder kritisiert. Vor allem Männer wenden ein, dass Frauen die Aufgabenteilung selbst so gewählt haben oder dass Arbeiten im Garten oder Reparaturen, die überwiegend von Männern verrichtet würden, nicht voll in den Statistiken erfasst würden.

Letzteres stimmt zwar nicht, dennoch ist die Methode, Care-Arbeit in Zeit zu bemessen, nicht unproblematisch: Es kursieren, je nach Methodik und Definitionen, unterschiedliche Zeitangaben. Man kann die vorhandenen Studien nicht vollständig miteinander vergleichen. Und vor allem kann niemand die gemachten Angaben genau überprüfen. Allerdings sind die Studien in einem Punkt sehr klar: Die Care-Lücke zwischen Männern und Frauen existiert – und sie ist groß. Sie beträgt 52,4 Prozent, bei Paaren mit Kindern sogar 83,3 Prozent. Aber auch bei kinderlosen heterosexuellen Paaren existiert eine Lücke von fast 36 Prozent.

Eine halbe Million Euro weniger im Leben

Bleibt noch der Gender Lifetime Earnings Gap. Diese Zahl drückt aus, wie viel weniger Einkommen und Vermögen Frauen durch eine ungleiche Arbeitsteilung im Laufe ihres Lebens haben. Denn wer lange Teilzeit arbeitet sowie viel unbezahlt, erwirbt deutlich weniger Rentenansprüche. Die Lücke bei den Renten von Männern und Frauen wird mit dem Gender Pension Gap ausgedrückt. Dieser lag im Jahr 2019 bei 49 Prozent. Frauen bekamen also 2019 49 Prozent weniger Rente als Männer.

Frauen bauen außerdem auch insgesamt weniger Vermögen auf und verfügen über ein niedrigeres Gesamteinkommen als Männer. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2016 hat festgestellt, dass der Unterschied im Gesamt-Erwerbseinkommen im Lebensverlauf von Frauen und Männern in Deutschland 49,8 Prozent beträgt. “Der absolute Gender Lifetime Earnings Gap liegt in Westdeutschland bei rund 670.000 Euro und in Ostdeutschland bei etwa 450.000 Euro. Man kann also sagen: Frauen verlieren jede Menge Geld im Laufe ihres Lebens, wenn sie Care-Arbeit übernehmen”, so die Ökonomin Sandra Hofmann. Aus diesem Grund haben Frauen auch ein höheres Risiko für Altersarmut. So lag die Armutsquote von Frauen, die 65 Jahre oder älter waren im Jahr 2019 bei 17,4 Prozent, bei Männern waren es 13,5 Prozent.

Die Chancen von Frauen am Arbeitsmarkt verbessern

Und so führt “das bisschen Haushalt” zu einer gravierenden Ungleichheit mit erheblichen Folgen für die gesamte Gesellschaft. “Die Ungleichheitsverteilung der Einkommen führt zu unterschiedlichen Konsumentscheidungen der Geschlechter und generell dazu, dass die Macht zwischen Männern und Frauen asymmetrisch verteilt ist, vor allem in heterosexuellen Paarhaushalten”, sagt Hofmann.

Dass sich daran bald etwas ändern wird, glaubt die Ökonomin nicht. Auch andere Forscherinnen haben dies in verschiedenen Studie nachgewiesen. “Angesichts des demografischen Wandels und des fortschreitenden Fachkräftemangels im Bereich der Fürsorge und Pflege ist davon auszugehen, dass Care Work auch weiterhin im privaten Bereich ausgeübt werden wird. Daher wird mehr Gleichstellung von Frauen und Männern eher schwer zu realisieren sein.” Damit sich etwas ändern kann, schlägt die Ökonomin einerseits neue Formen monetärer Anerkennung vor, andererseits die Anerkennung von Fürsorge-Kompetenzen. Das würde die Chancen von Frauen am Arbeitsmarkt verbessern.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.