Der beste Zeitpunkt für die Gehaltsverhandlung ist jetzt

Drei Frauen im Gespräch

Die einen tun es nie, die anderen tun sich schwer damit und wieder andere tun es regelmäßig, selbstbewusst und laut: das Gehalt verhandeln. Wer in diesen Tagen eine Gehaltsverhandlung führt, hat gute Chancen, mehr als die Inflationsrate zu bekommen – vorausgesetzt, er beherzigt fünf wichtige Grundregeln.

Wer gar nicht verhandelt – und das sind laut e​​iner vom Meinungsforschungsinstitut Yougov durchgeführten, repräsentativen Studie immerhin 38 Prozent der Deutschen – hat in der Regel schon verloren. Gerade in Zeiten wie diesen mit einer anhaltend hohen Inflation von zehn Prozent sind Beschäftigte gut beraten, ihre persönliche Inflationsrate auszugleichen und eine Lohnanpassung zu fordern.

Der Marktwert von Arbeitskräften steigt derzeit automatisch

Wir sind der Wandel-NewsletterNicht verhandeln ist daher keine Option. Für sich verhandeln lassen, dagegen schon: Immerhin profitiert noch gut jeder zweite Beschäftigte von tariflichen Bedingungen. Verdient ist das für jene, die auch Mitglied in einer Gewerkschaft sind und mit ihren Beiträgen dafür sorgen, dass die Arbeitnehmervertreter auch gute Löhne verhandeln können. Gut sechs Millionen Menschen – eine seit Jahren konstante Zahl – zahlen allein den DGB-Gewerkschaften monatlich ihren Obulus. Dafür bekommen Gewerkschaftsmitglieder nicht nur faire Tarifgehälter, sie profitieren auch vom Arbeitsrechtsschutz, vielen weiteren Vergünstigungen des DGB und können zudem den Gewerkschaftsbeitrag steuerlich geltend machen. Man profitiert quasi doppelt und hat auch keinen Stress mit dem Gehaltsgespräch.

Aber was ist mit dem Rest? Der ist sich selbst überlassen und muss sich auf sein eigenes Verhandlungsgeschickt und den eigenen Marktwert verlassen. Die gute Nachricht für alle, die sich als vermeintlich schlechte Verhandlerinnen und Verhandler sehen ist aber: Der Marktwert von Arbeitskräften steigt derzeit ganz automatisch schon wegen des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels. Noch besser ist es aber, wenn man im Gehaltsgespräch folgende Tipps beachtet:

Grundregel 1: Regelmäßige Gehaltsverhandlungen

Wer jedes Jahr ein paar Prozent mehr bekommt, kommt über die Dauer der Beschäftigung auf erfreuliche Lohnsteigerungen. Der Gehaltsreport von Stepstone zeigt, wie stark die Zuwächse sind. Allein in den ersten zehn Jahren nach Berufseinstieg haben die meisten Beschäftigten ein Plus im Jahrebrutto von gut 18.000 Euro über die gesamte Zeit. Zur guten Vorbereitung gehört daher, mindestens einen Inflationsausgleich, besser noch etwas mehr zu verhandeln.

Grundregel 2: Jetzt das Gehalt verhandeln

In den meisten Unternehmen werden im Herbst die Jahresbudgets gemacht – und dazu gehören auch die Personalkosten. Wer jetzt seinen Gehaltswunsch adressiert, hat bessere Chancen, dass eine kräftige Steigerung auch im Personalbudget berücksichtigt wird. Die Weihnachtszeit oder auch der Jahresbeginn sind deshalb echt schlechte Zeitpunkte – dann sind die Budgets gemacht und der Spielraum für Steigerungen ist viel geringer.

Grundregel 3: Spielräume verschaffen

Bei einer Gehaltsforderung hat man immer drei Summen im Kopf – man kommuniziert aber nur eine und das ist die Maximalforderung. Auch sollte man die vorher gründlich recherchiert haben. Wer in seinem Unternehmen einen Betriebs- oder Personalrat hat, sollte das Gremium nutzen. Die Kolleginnen und Kollegen müssen nämlich die Einhaltung der Gleichbehandlungsgrundsätze auch bei den Gehälter überwachen. Daher wissen sie, wie das Lohngefüge in der Firma ist. Wer eine vertrauliche Einschätzung möchte, wo er innerhalb des Gefüges steht, sollte sich deshalb an die Arbeitnehmervertreter wenden. Freilich wird der Betriebsrat nicht sagen können, wer was verdient – das wäre rechtswidrig. Aber er kann eine Einschätzung darüber geben, ob man mit seinen Vorstellungen für die Maximalforderung richtig liegt.

Die anderen beiden Summen sind eine Idealsumme, die etwas darunter liegt und eine Mindestsumme, die man mindestens erreichen möchte. Weiteren Spielraum erlangt man, wenn man außerdem noch geldwerte Vorteile überlegt, die für den Arbeitgeber vielleicht attraktiver sind als eine Gehaltsverhandlung – ein Jobrad etwa oder die Möglichkeit, ein Sabbatical zu nehmen.

Grundregel 4: Erfolgstagebuch führen

Auch wenn die Inflation ein Argument ist, das Beste ist es sicher nicht. Im Vordergrund sollte immer die eigene Leistung stehen. Vorgesetzte werden möglicherweise eher Schwächen und Fehler als Gegenargument heranziehen – auch um das oben erwähnte Personalbudget nicht überzustrapazieren. Gewappnet sind Beschäftigte daher, wenn sie über die Dauer eines Jahres alle Erfolge schriftlich festhalten – mit Kundenfeedback, Erfolgskennzahlen oder auch Lob von Vorgesetzten und Kolleginnnen und Kollegen.

Grundregel 5: Beharrlich bleiben

Es kann sein, dass wegen der multiplen Krisen gerade wirklich keine hohe Gehaltssteigerung möglich ist – entmutigen lassen sollten Beschäftigte sich dadurch aber nicht. Hartnäckigkeit zahlt sich hier aus. Deshalb sollten man einfach in einem halben Jahr wieder nach einer Sonderzahlung für ein besonderes Projekt oder sehr gute Leistungen fragen. Tatsächlich sind Menschen, die hartnäckig bleiben und daher unbequem sind, in Verhandlungen oft erfolgreicher.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.