Nicht Ruhe, Frieden und Einklang, sondern Konflikte, Meinungsverschiedenheiten und Unfrieden monetarisieren Unternehmen. Wie die Macht der streitenden Unternehmen funktioniert und was wirklich erfolgreich macht, weiß die Mediatorin Stephanie Huber.
Unternehmen, bei denen alles glatt läuft, bei denen es anscheinend keine Konflikte gibt, sind zum Stillstand verurteilt und rückständig. Denn Konflikte bergen immenses Potenzial und enorme Energie für notwendige Veränderungen – wenn sie richtig angegangen werden. Genau betrachtet fördern diese Eigenschaften kongruent wichtige Veränderungen anzugehen, sei es in der Kommunikation, bei den Arbeitsabläufen, Prozessen oder in der Organisation. Unternehmen, welche es schaffen, diese Ressourcen und Energien nutzbringend einzusetzen, befeuern de facto Innovation, Fortschritt und den betriebswirtschaftlichen Unternehmenserfolg.
Eine gelebte Unternehmenskultur ist keine Illusion, sondern eine Kunst, die es sich lohnt zu beherrschen, gerade auch in harten Zeiten. Der effiziente Weg entlang der Wertschöpfungskette ist vorrangig von menschlichen Einflüssen abhängig. Der Faktor Mensch ist nicht planbar und kalkulierbar, jedoch durch gutes Führungsverhalten, Motivation, Anerkennung und Wertschätzung konditionierbar.
Konfliktfreies Miteinander nicht erstrebenswert
Von allen gewünscht, jedoch für die Unternehmenskultur nicht erstrebenswert, ist ein konfliktfreies Miteinander. Denn in den Konflikten steckt Leistung und Einfluss, die nicht missachtet werden sollten. Der unternehmerische Nutzen liegt im Erkennen der Probleme und gemeinsamen Handeln in die richtige Richtung.
Kaum jemandem dürfte es unbekannt sein, wie lange ein Streit oder eine Meinungsverschiedenheit unsere Gedanken und Gefühle fesseln kann. Teilweise werden solche „unguten“ Erlebnisse noch nach Jahren erzählt und dem Gegner verübelt – und mit jedem Erzählen bekommen sie wieder Macht und Energie. Schöne Erlebnisse und Ereignisse hingegen werden von Menschen viel schneller vergessen und nicht mehr erwähnt als die „schlechten“. Schade eigentlich, aber menschlich.
Die Macht von Konflikten
Als Mediatorin mache ich die Erfahrung, dass ein Konflikt bei Menschen, nach der Liebe, die stärksten Gefühle auslösen kann – bis hin zu Krankheitsausfällen. Starke Konflikte führen also zu innerbetrieblichen Störungen, die nicht selten mit Umsatzrückgang oder Stagnation einhergehen.
Wie kann so etwas passieren? So, wie eine Lawine klein beginnt und immer mehr auf seinem abschüssigen Weg mitreißt, so tut es auch ein Konflikt. Er beginnt klein, zwischen zwei Menschen. Es werden Kollegen zu Rate gezogen, diese beziehen Position, befragen wieder andere Kollegen und schneller als gewünscht, sind ganze Abteilungen und im schlimmsten Fall das gesamte Unternehmen in irgendeiner Form in den Konflikt involviert. Dieser schleichende Prozess kann gestoppt werden – vorausgesetzt, er wird frühzeitig erkannt, bevor er alles platt walzt und Verluste hinterlässt.
Wer wütend ist, kann nicht klar denken
„Ich hätte nicht geglaubt, dass so ein trivialer Konflikt ausgerechnet in unserem Unternehmen zu solchen Ausmaßen führt“ – diesen Satz höre ich als Mediatorin häufig. Und genau so dachten auch die Führungskräfte eines Unternehmens, in dem wir kürzlich den innerbetrieblichen Frieden wieder hergestellt haben. Was dort zwischen zwei Streitenden begann, wuchs sich schleichend, erst über die Abteilungen dann über den gesamten Betrieb aus. Erst als sich Lieferanten und Kunden beschwerten, kam Bewegung in die Führungsetage. Dabei kostet es definitiv weniger Energie und Aufwand, Streitigkeit oder Meinungsverschiedenheit zu klären, als einen eskalierten Konflikt zu lösen.
Wenn Menschen richtig wütend werden, sind sie nicht mehr in der Lage, klar zu denken. Sie fühlen emotional einen Angriff und verteidigen sich automatisch. Das war früher auch notwendig, als die Menschen noch in Höhlen wohnten. Heute leben wir zwar in einer anderen Zeit, der Verteidigungsreflex ist jedoch erhalten geblieben. Die Zeiten, die Angriffe und die Waffen haben sich verändert. Es sind heute verbale Angriffe und Kräftemessen, die den Verteidigungsreflex auslösen. Und eben dieses Gefühl der Wut birgt unglaubliche Ressourcen und Energien, es steckt eine unglaubliche Kraft dahinter. Und die kann zielgerichtet umgewandelt werden in positive Veränderungen und Produktivität für das Unternehmen.
Warum Konflikte positiv sind
Es ist definitiv kontraproduktiv, wenn Angestellte, Mitarbeiter und Führungskräfte ihre Leistungen in Konflikte statt in Unternehmensziele stecken. Was aber noch schlimmer ist, ist gar kein Konflikt. Denn genau dort, wo Emotionen herrschen, sind die Menschen mit Leib und Seele dabei. Dort, wo friedliche Ruhe ist, arbeiten Mitarbeiter stoisch und meist ohne Eigeninitiative die von anderen angeschaffte Arbeit ab. Sie kommen morgens pünktlich, tun was ihnen gesagt wird – allerdings auch nicht mehr – und gehen dann ebenfalls pünktlich, wie programmierte Roboter. Sie zeigen keine Initiative, fördern keine Innovation, sondern betreiben aktiv den Stillstand.
Jetzt stellt sich die Frage, wie können die Ressourcen und die Energien der innerbetrieblichen Konflikte monetarisiert werden? Die Antwort lautet: durch aktives Konfliktmanagement. Mediation spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Konfliktmanagement eminent wichtig
In Unternehmen wird von den Mitarbeitern erwartet, dass sie hart arbeiten. Und umgekehrt muss die Kooperation und Mithilfe der Führungskräfte vorhanden sein. Führungskräfte, welche durch aktives Konfliktmanagement zeigen, dass sie an ihren Mitarbeitern interessiert sind, bekunden Wertschätzung und tragen somit maßgeblich zur Lösung bei. Allerdings sollten sie sich ein für allemal von der Illusion lösen, die Konflikte der Kollegen oder Mitarbeiter selber zu klären. Allzu häufig werden sie mit hineingezogen und verlieren ihre neutrale Position. Was folglich ihre eigene Position eklatant schwächt und unliebsame Entscheidungen von ihnen fordert.
Externe Hilfe, durch Mediation, ist kein Anzeigen der Schwäche, sondern zeugt von Achtsamkeit und Interesse gegenüber den Menschen, die für das Unternehmen tätig sind. Beziffern lässt sich der unternehmerische und interpersonelle Nutzen durch Konfliktkostenrechner: Das gewinnbringende Ergebnis durch eine neutralen Betrachtung, Bearbeitung und Lösung der Konflikte durch einhergehende erfolgreiche Change Management-Prozesse erstaunt die Unternehmen immer wieder. Ein signifikantes Zeichen dafür, dass dieser Bereich deutlich forciert werden sollte, da er bis dato oft unbeachtete Ressourcen beinhaltet.
Mediation skaliert interpersonelle Störungen
Überall dort, wo interpersonelle Störungen den wirtschaftlichen Betrieb stören, ist Mediation die Lösung. Mediatoren lösen nicht nur Konflikte und führen zu Verbesserungen, sie setzen auch die Energien und Ressourcen frei, die die Streitenden sonst mit aller Macht in den Konflikt stecken und skalieren somit deren Leistungen.
Wer einen Konflikt durch Mediation geklärt hat, weiß, wie sehr dieser Lösungsweg eine Unternehmenskultur prägt. Die Mediation schafft es über den Konflikt, Probleme anzugehen, die Menschen gemeinsam zu Veränderungen zu motivieren, und sie einzubinden in das unternehmerische Wachstum.
Ein aktueller Trend zeichnet sich auf dem Markt ab. Mediatoren werden immer öfter zur Optimierung bereits vor Auftreten interpersoneller Störungen engagiert. Das birgt den Charme, die vorhandenen Kräfte und das Potential der Mitarbeiter und Führungskräfte bereits vor Entstehung eines Konflikts zu kompensieren und das Unternehmen zum gewünschten Ziel zu führen.
Stephanie Huber ist Gründerin und Geschäftsführerin von konSENSation. Sie arbeitet hauptberuflich als Mediatorin mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement. Ihr Aufgabengebiet umfasst primär Unternehmen und deren Führungskräfte, die durch aktives Kommunikationsmanagement Lösungen für ihr Unternehmen suchen.