Die Männer holen bei Hausarbeit und Kinderbetreuung in der Corona-Krise auf

Mehrere Schrubber lehnen an roter Wand

In der Corona-Krise werden Frauen zurück an den Herd katapultiert? Von wegen: Neue Daten zeigen, dass sich Paare das Mehr an Familienarbeit weitgehend partnerschaftlich aufteilen. Die gleichere Arbeitsteilung macht Familien sogar glücklicher.

Geschlossene Schulen und Kitas, alle Familienmitglieder zuhause, die Eltern im Homeoffice – das macht Arbeit: Kleinkinder müssen betreut, Schulkinder unterrichtet werden, alle brauchen etwas zu essen und wenn alle ständig zuhause sind, fällt auch viel mehr Wäsche und Unordnung an. Wer kocht, putzt, organisiert alles? Bisher zeigten erste Umfragen und Erfahrungsberichte, die unter dem Hashtag #Coronaeltern veröffentlicht wurden, dass es vor allem die Frauen und Mütter sind.

Aber führt die Pandemie wirklich dazu, dass Frauen quasi wieder so wie in den fünfziger Jahren leben? Das wollten Forscherinnen des Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) wissen und haben Daten der sogenannten SOEP-CoV-Studie während der Pandemie in Bezug auf die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen ausgewertet. In der repräsentativen Corona-Studie, die das SOEP zusammen mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin durchführt und für die regelmäßig mehr als 10.000 SOEP-Befragte seit April interviewt werden, sollen die sozio-ökonomische Faktoren und Folgen der Pandemie in Deutschland untersucht werden.

Die Daten aus der Sonderauswertung belegen, dass sich bei der Arbeitsteilung in den Familien einiges gewandelt hat. Und zwar zum Positiven, denn die Männer holen bei der Carearbeit ordentlich auf. Männer und Frauen scheinen sich die zusätzliche Betreuungs- und Hausarbeit, die in der Corona-Krise dazugekommen ist, weitgehend partnerschaftlich aufzuteilen.

Unter Care- oder auch Sorgearbeit versteht man letztlich alle Tätigkeiten, die für die Organisation des Privatlebens nötig ist: Kindererziehung und -betreuung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit, einkaufen, Essen kochen, Dinge im Haushalt und Garten reparieren. Bisher gab es einen gewaltigen Unterschied zwischen Männern und Frauen. So kam etwa der Zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung auf einen sogenannten Gender Care Gap von 52,4 Prozent. Sprich: Die Männer verrichteten bisher 52,4  Prozent weniger unbezahlte Sorgearbeit als Frauen. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge leisteten Frauen etwa viermal mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer.

Männer heben ihren Anteil um 120 Prozent

Laut den neuen SOEP-Daten findet nun aber ein Wandel statt. Prozentual gesehen steigern die Männer ihr Engagement sogar erheblich. Allerdings starten beide Geschlechter von recht unterschiedlichen Niveaus: Im April verbrachten die Frauen im Schnitt 7,5 Stunden an einem Werktag mit Kindererziehung, 2,5 Stunden mit Hausarbeit. Die Männer übernahmen im Schnitt vier Stunden lang die Kinder und halfen anderthalb Stunden im Haushalt mit.

Vor der Krise im Jahr 2019 etwa – um Rückschlüsse auf die Zeit vor Corona ziehen zu können, zogen die SOEP-Forscherinnen repräsentative Daten aus dem Vorjahr hinzu – waren die Frauen im Schnitt mit fünf Stunden an einem Arbeitstag mit Kinderbetreuung beschäftigt, hinzukamen täglich gut zwei Stunden Hausarbeit.

Die Männer hingegen wandten zwei Stunden für die Betreuung des Nachwuchses auf und kümmerten sich eine knappe halbe Stunde am Tag um Hausarbeiten. Diese Daten belegen, dass die “entsetzliche Retraditionalisierung”, wie es die Soziologin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung  Jtta Allmendinger nennt, die ebenfalls die Auswirkungen der Krise auf die Gleichberechtigung erforscht, vielleicht ausbleibt. Aber der Befund von Allmendinger steht auch nur in einem scheinbaren Widerspruch mit den SOEP-Ergebnissen. Denn schon lange vor der Pandemie war die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern stark traditionell. Nur stand das Thema Gender Care Gap weniger im Fokus der öffentliche Debatte. Forscherinnen wie Allmendinger und ihre Team vom WZB liefern zwar schon seit Jahren valide Studien dazu, auch gibt es bereits seit 2016 den Equal Care Day, der auf die ungleiche Aufteilung der unbezahlten Arbeitsteilung aufmerksam macht. Aber möglicherweise ist die Bedeutung der Kinderbetreuung und Hausarbeit erst jetzt ein so großes Thema, wo Millionen Beschäftigte und eben auch sehr viele Männer täglich von zuhause aus arbeiten müssen und mit all den unbezahlten Aufgaben im Privatleben konfrontiert sind. Überspitzt formuliert könnte man sagen: Die Männer können sich jetzt einfach nicht mehr wegducken. Aber anscheinend wollen das viele auch nicht mehr.

Viele finden, dass sich das Familienleben verbessert hat

Denn insgesamt betrachtet haben sich Männer und Frauen das Mehr an Kochen, Putzen, Einkaufen und Wäsche waschen ganz gleichberechtigt in der Corona-Krise aufgeteilt – für beide Geschlechter fallen jeweils 30 zusätzliche Minuten Hausarbeit an. Bei der Kinderbetreuung sind zwar immer noch die Mütter mehr gefragt, aber auch hier übernehmen die Väter mehr.

Prozentual gesehen haben die Männer ihren Anteil an der unbezahlten Familienarbeit sogar um 120 Prozent gesteigert, die Frauen “nur” um 45 Prozent. Jedoch bleibt es dabei, dass Frauen ohnehin schon einen sehr hohen Anteil der Carearbeit verrichten. Bei fast zehn Stunden für die Familie und einem Vollzeitjob mit acht Stunden Arbeit am Tag bleibt im Grunde nicht einmal genug Zeit zum Schlafen, geschweige denn Zeit für sich selbst. Und insofern bestätigt diese SOEP-Sonderauswertung letzlich das, was auch die WZB-Studie zum Alltag in Corona-Zeiten und die Mannheimer Corona-Studie schon herausgefunden haben. Familien haben in der Corona-Krise ganz schön viel zu tun, Frauen schultern die Hauptlast, aber die Männer ziehen nun auch mit.

Dass Frauen das Gros verrichten liegt auch daran, dass sie seltener in Vollzeit beschäftigt sind als Männer. Insbesondere wenn sie Mütter von Kindern unter 16 Jahren sind, denn nur die Daten solcher Familien wurden für die SOEP-Sonderauswertung berücksichtigt. Die Teilzeitquote bei Müttern in Deutschland lag laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2018 bei 66,2 Prozent, bei Vätern hingegen nur 5,8 Prozent. Der Grund hierfür ist simpel: Schon vor Corona war Erwerbsarbeit und Familienarbeit kaum zu vereinbaren. Paare teilten sich die Aufgaben in der Regel traditionell auf, oft nicht, weil sie so traditionell eingestellt waren sondern weil es die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, familien- wie fiskalpolitische Anreize vor allem dieses Modell förderten. Vollzeit und Vollzeit plus kleine Kinder – das ging schon vor der Corona kaum.

Ein Schub für die Gleichberechtigung?

In der Krise ist es nochmal schwieriger geworden, auch zeigen die Daten: Der Auswertung zufolge stehen vor allem Mütter mit Vollzeitjob mächtig unter Druck. Bei ihnen stieg der Anteil der zusätzlichen Betreuungszeiten um im Schnitt drei Stunden, bei den Männern in Vollzeit waren es immerhin zwei zusätzliche Stunden. So ist auch zu erklären, dass in der Pandemie und wegen der weggefallenen Betreuung so viele Familien entschieden haben, dass einer von beiden die Arbeitszeit reduzieren muss – ein Tag hat ja nun einmal nur 24 Stunden. Dass es dann häufiger die Frauen sind, lässt sich oft damit erklären, dass sie ja häufig schon Teilzeit gearbeitet haben und eine weitere Reduktion der Arbeitszeit mit weniger finanziellen Nachteilen verbunden ist.

Aber auch wenn die Eltern stark eingespannt und gestresst sind, ist die Zufriedenheit mit dem Familienleben insgesamt keineswegs schlechter geworden, zeigt die SOEP-Sonderauswertung. Vielleicht sogar, weil die Arbeitsteilung daheim etwas gleichberechtigter wird. Immerhin gab es auch vor der Pandemie immer mal wieder Studien, die belegten, dass sich Frauen im Grunde einen gleichberechtigten Partner wünschen und dass eine faire Aufteilung der Sorgearbeit sogar eines der Geheimnisse für eine glückliche Partnerschaft ist.

Und so scheinen viele Familien das Mehr, das sie an Zeit miteinander verbringen können, als “Quality-Time” regelrecht zu genießen. Vielleicht könnte ausgerechnet die Corona-Krise der Gleichberechtigung einen Schub bringen Denn es ist kaum vorstellbar, dass Frauen nach der Pandemie ohne Widerspruch wieder den überwiegenden Teil der Haus- und Erziehungsarbeit übernehmen werden. Und wahrscheinlich werden viele Väter ihre neue Verantwortung und Rolle in der Familie auch nicht einfach so wieder abgeben wollen.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.