Enormer Arbeitsausfall durch Arbeitsunterbrechung

Zwei Personen am Laptop

Durchschnittlich alle vier Minuten, insgesamt drei volle Arbeitstage im Monat, werden Wissensarbeitende im Schnitt unterbrochen – für Beschäftigte ein enormer Stressfaktor, für Unternehmen ein großer Kostenfaktor.

Wer kennt das nicht am Arbeitsplatz: dauern poppen Messengernachrichten auf, ständig klingelt das Telefon, Kolleginnen und Kollegen schauen vorbei. Wer geistig arbeitet, kann nicht immer am Arbeitsplatz ungestört und konzentriert arbeiten. Meistens nur dann, wenn man Messengerdienste und Telefone stumm schaltet – und so klar deutlich macht, dass man ungestört arbeiten möchte. Eine neue Erhebung stellt nun fest, wie hoch das Ausmaß der Beeinträchtigungen tatsächlich ist: Durchschnittlich alle vier Minuten, insgesamt drei volle Arbeitstage im Monat, werden Wissensarbeitende im Schnitt unterbrochen. Für die qualitative Studie „Kosten von Arbeitsunterbrechungen für deutsche Unternehmen. Auswirkungen von Fragmentierung auf Produktivität und Stressentwicklung“ wurden die Angaben von 637 Beschäftigten aus 25 Unternehmen in 12 Branchen mit Schwerpunkt Wissensarbeit zwischen Dezember 2021 und Februar 2022 ausgewertet. Dafür führten die Teilnehmenden ein Tagebuch, in dem sie die Unterbrechungen festhielten. Später wurden sie zudem mit einem Onlinefragebogen befragt.

Dabei zeigte sich, dass die Probanden meist mit Multitasking auf die auf sie einprasselnden Anforderungen reagierten. Doch das hat in der Regel nur mäßigen Erfolg, denn die Fehlerquote durch ständigen Wechsel der Aufmerksamkeit erhöht sich stark; im Schnitt um bis zu 18 Prozent. Auch werden Aufgaben so nicht schneller fertig. Ganz im Gegenteil: Um sich wieder konzentrieren zu können, dauert es – was insgesamt dazu führt, dass Aufgaben im Schnitt 15 Prozent länger bearbeitet werden als es ohne Unterbrechungen der Fall gewesen wäre.

1,5 Tage pro Woche für Meetings und Besprechungen

Seit der Corona-Pandemie arbeiten viele Wissensarbeitende im Home-Office. Damit fallen Pendelzeiten weg, auch ist in den eigenen vier Wänden besseres konzentriertes Arbeiten möglich – zumindest theoretisch. Denn praktisch haben Absprachen erheblich zugenommen, auch weil Führungskräfte meinen, sie müssten ihre Beschäftigten bei der Remote-Arbeit noch stärker in der Kommunikation halten. So kommt es, dass Hochqualifizierte im Schnitt 1,5 Tage pro Woche mit Meetings und Besprechungen zu tun haben. Dabei könnte ein Großteil dieser Treffen und Kommunikationsschleifen einfach wegfallen.

Die Autorinnen und Autoren der Studie schätzen, dass auf Basis der Studienergebnisse hochgerechnet für die gesamte deutsche Wirtschaft Mehrkosten in Höhe von 114 Milliarden Euro pro Jahr entstehen. Zudem bedeuten die vielen Unterbrechungen Stress, der krank machen kann. Diese möglichen Stressfolgekosten von Arbeitsunterbrechungen wurden nicht eingerechnet. Laut Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) betragen sie jährlich 36,1 Milliarden.Euro – was vor drei Jahren 1,1 Prozent des Bruttonationaleinkommens entsprach.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.