“Es wird nicht nach der Qualität der Arbeit gefragt”

Schattenspiele mit Menschen vor Skylines

Frauen, die in Teilzeit arbeiten, werden schlechter beurteilt als Männer, die in Vollzeit beschäftigt sind. Das liegt an Geschlechterstereotypen, sagt die Bundestagsabgeordnete Cornelia Möhring (Linkspartei) im Interview.

Die Chefin: Warum ist die überwiegende Mehrheit der Führungspositionen bei Bundesbehörden männlich? Die meisten Beschäftigten sind doch Frauen.

Cornelia Möhring: Die Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen bei Bundesbehörden sind so vielfältig wie komplex. Wir haben hier genau wie in anderen Bereichen noch immer das Phänomen von Old Boy’s Netzwerken, Männer fördern Männer oder neutraler gesagt, Menschen in Führungspositionen fördern Menschen mit einem ähnlichen sozialen Hintergrund, mit ähnlichen Eigenschaften. Und hier spielen Geschlechterstereotype nun mal ob bewusst oder unbewusst eine enorme Rolle. Vermeintlich geschlechtsneutrale Eigenschaften sind in der Praxis eben nicht frei von Klischeevorstellungen und entsprechenden Wertungen. Bei Männern gilt Durchsetzungsfähigkeit als positiv, bei Frauen wird es schnell als dominantes Verhalten wahrgenommen. Viel arbeitende Männer werden als belastungsfähig wahrgenommen, Frauen mit einer ähnlichen Arbeitsweise als fleißig. Das schlägt sich dann in Leistungsbeurteilungen nieder, die von den überwiegend männlichen Führungskräften erstellt werden. Und spätestens hier beißt sich die Katze in den Schwanz.


Frauen haben etwas zu sagen, sie müssen allerdings den Raum erhalten, das auch zu tun! Diesen bieten wir mit unserem Format DIE CHEFIN-TALK.
Hier laden wir Frauen ein, mit uns über ihr Thema zu sprechen.


Die Chefin:Warum ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen bei Bundesbehörden wichtig?

Möhring: Es geht nicht darum, sämtliche Lebensbereiche paritätisch zwischen den Geschlechtern aufzuteilen. Und es geht auch nicht darum, dass Frauen per se bessere Führungskräfte sind. Es geht darum, dass Frauen das gleiche Recht auf Beteiligung an Entscheidungen und Gestaltungen haben – in der Wirtschaft, in der Politik und eben auch in Bundesbehörden. Ministerin Schwesig hatte angekündigt, der Wirtschaft als gutes Beispiel vorangehen zu wollen. Dabei muss sie erstmal einige ihrer Kabinettskolleginnen und -kollegen in die Pflicht nehmen.

“Frauen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen werden als Beschäftigte oft weniger ernst genommen.”

Die Chefin: Welche Kriterien sind ausschlaggebend für eine Beförderung in einer Beamten-Laufbahn? Gilt das auch für nicht verbeamtete Beschäftigte im öffentlichen Dienst?

Möhring: Das hängt von den Beurteilungsrichtlinien ab. Jedes Ministerium hat seine eigene, die Vorgaben für diese Richtlinien sind recht dürftig. Das Vier- oder mehr-Augen-Prinzip ist eine und eben die Quotierung von Bestnoten. Beides gilt also für alle Bundesbehörden gleichermaßen. Gerade die Quotierung wurde und wird ja aber immer wieder massiv kritisiert – nicht nur, weil es das tatsächliche Leistungsgefüge verzerre, sondern in Kombination mit anderen Faktoren eine frauenspezifische Benachteiligung erwächst. So hat eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2013 gezeigt, das beim Konkurrieren um eine Bestnote oftmals Teilzeitbeschäftigte den Kürzeren ziehen. Und es gibt genug Studien, die zeigen, wer vor allem in Teilzeit arbeitet.

Die Chefin: Welchen Einfluss haben Teilzeitarbeit, Erziehungsauszeiten oder Arbeitszeitreduzierungen auf Grund von fehlender Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf die Bewertungen der Frauen?

Möhring: Frauen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen werden als Beschäftigte oft weniger ernst genommen, ihnen wird unterstellt, dass sie nicht den “vollen Einsatz” für die Arbeit zeigen. Hier wird nicht nach der Qualität der Arbeit gefragt, sondern diese wird mit der Präsenz im Büro gleichgesetzt. Und weil Frauen eben oftmals noch immer die Hauptverantwortung für die unbezahlte Arbeit nach Feierabend haben, können sie bei diesem Präsenzwettbewerb schwer mithalten. Nicht zuletzt deshalb brauchen wir endlich ein anderes Verständnis von Arbeit und ein neues Normalarbeitsverhältnis. Eine generelle Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit schafft eine Grundlage, damit mehr Menschen weniger arbeiten können – um mehr Zeit für anderes zu haben.

Die Chefin: Was müsste man tun, um das zu ändern?

Möhring: Viel! Führungen in Teilzeit fördern und stärken und weg von der Vollzeit als Norm. Dazu gehört, wie bereits angesprochen, die lange Teilzeit zur neuen kurzen Vollzeit zu machen und darüber hinaus Arbeitszeitmodelle für unterschiedliche Lebensphasen und Anforderungen zu entwickeln. Aber wir sind hier ja leider nicht bei Wünsch-dir-was. Kurzfristig und gar nicht mal so kompliziert ließen sich aber durchaus die Beurteilungsverfahren gerechter gestalten.

Zunächst einmal müssten eigenschaftsbezogene Kriterien wie “durchsetzungsstark”, “belastbar” etc., die geschlechterstereotyp besetzt sind und Frauen strukturell benachteiligen durch aufgaben- und ergebnisbezogene Kriterien ersetzt werden. Schulungen, die explizit auf Diskriminierungsfallen aufmerksam machen müssen obligatorisch für Beurteilende sein. Und die Beurteilungsverfahren müssen systematisch analysiert werden. Wenn in einem Bereich Benachteiligungen von Frauen evident werden, die sich statistisch nicht erklären lassen, muss die Beurteilungsrunde gegebenenfalls durch eine Gleichstellungskommission wiederholt werden.

“Wir fordern verbindliche Frauenquoten für Entscheidungsgremien und Führungsebenen von Bundesbehörden und Privatwirtschaft.”

Die Chefin: Was will die Linkspartei konkret tun?

Möhring: Wir fordern verbindliche Frauenquoten für Entscheidungsgremien und Führungsebenen von Bundesbehörden und Privatwirtschaft. Bei der Einführung der sogenannten Quote im letzten Jahr haben wir uns für eine Gleichstellungsreform eingesetzt, die den Namen verdient. Stattdessen wurde das Bundesgleichstellungsgesetz zu Lasten von Frauen geschwächt – gegen enormen Protest der Gleichstellungsbeauftragten aller staatlichen Ebenen.

Gleichstellungspolitische Instrumente wie die Quote funktionieren nicht mit Good Will. Hier braucht es Durchsetzungswerkzeuge wie beispielsweise den “leeren Stuhl”. Und natürlich reicht selbst eine durchsetzungsstarke Quote allein bei weitem nicht aus, für wirkliche Gleichstellung braucht es da schon mehr und vor allem ein Umdenken, denn Diskriminierung von Frauen ist vielfältig und nicht immer leicht erkennbar. Genau dieses Umdenken versuchen wir beispielsweise mit unserer Forderung nach einem bundesweiten Aktionsplan gegen Sexismus anzustoßen.

Die Chefin: Welche Wirkung hat die Quote?

Möhring: Naja, sie wirkt schon – da, wo sie mehr ist als eine Flexi-Quote. Das ist aber nun mal auch ein verschwindend geringer Bereich. Ich habe sie stets als Quötchen bezeichnet. Und solange Vorstände und kleinere Unternehmen nicht wirklich in die Pflicht genommen werden bleib ich auch dabei.

Die Chefin: Können mehr Frauen in Führungspositionen auch etwas an den Bewertungsmustern verändern?

Möhring: Ja, aber hierfür braucht es eine kritische Masse. Einzelne Frauen an der Spitze stehen auch unter dem Druck, sich “als Frau” beweisen zu müssen und wollen nicht in den Verdacht geraten, Geschlechtsgenossinnen zu bevorzugen – etwas, worüber sich Männer wohl auch weitaus weniger Gedanken machen müssen. Erst wenn weibliche Führungskräfte so normal sind wie männliche, spielt das Geschlecht keine so ausschlaggebende Rolle mehr.

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Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.

Kommentare

  • Interessantes Interview! Merci!

    Meine Rückfrage: wenn Frauen in Führungspositionen sind, werden sie oft (hier meine Erfahrung) kritischer beäugt, beurteilt wie ihre männlichen Kollegen auf dieser Hierarchiestufe. Was ist der Grund?

    Weiter: ich erlebe es als “Zuschauer”, dass Frauen Frauen in Führungspositionen öfters “Beinchen stellen” als Männer das mit Männern machen. Das gleich gilt übrigens auch (ebenfalls in meiner Beobachtung – 20 Jahre KMU Schweiz) von Frauen in Führungspositionen mit Männern.

    Hier unterscheiden sich NPO selten von der Privatwirtschaft (Schweiz&Deutschland).

    In meiner Rolle als weibliche HR-Verantwortliche beobachte ich dies immer öfters; in den Rückmeldungen meiner Studentinnen (bin Dozentin für HRM) bekomme ich es mehrfach bestätigt und: es beunruhigt mich.

    Bin gespannt auf den Austausch hierzu…. Gute Grüsse aus der Schweiz, Diana

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