Frauen gestalten die Zukunft des Mittelstands

2 Frauen gehen eine Treppe runter

190.000 Betriebe suchen Nachfolger – doch nur jede fünfte Leitung übernimmt eine Frau. Das Buch „Frauen führen“ zeigt, wie Unternehmerinnen Tradition in Wandel verwandeln – mit Haltung, Mut und moderner Führungskultur.

Im Fokus Frauen im UmbruchDeutschlands Wirtschaft steht vor einem Wendepunkt – und kaum jemand spricht darüber. Hunderttausende Familienunternehmen suchen Nachfolger, doch die Zahlen sind ernüchternd: Nur 21 Prozent der Übergaben gehen an Frauen. Laut KfW drohen bis 2026 rund 190.000 Unternehmen ersatzlos zu verschwinden. Das Problem liegt nicht an fehlender Qualifikation, sondern am fehlenden Zutrauen. Noch immer gilt in vielen Betrieben: Der Sohn erbt das Werk, die Tochter die Verantwortung – aber nicht die Firma.

In den Chefetage des Mittelstands dominieren Männer mit 87 Prozent. Tradition, Netzwerke, unbewusste Vorurteile und eine männlich geprägte Führungskultur halten sich hartnäckig. Frauen gelten als „emotional“, Männer als „entschlussfreudig“. Macht wird oft mit Härte verwechselt – nicht mit Haltung.

Eine Bewegung nimmt Fahrt auf

Das Buch „Frauen führen“ von Brigitte Waffenschmidt und Joachim Gutmann zeigt, wie sich diese Kultur leise, aber entschlossen wandelt. Es ist kein Appell, sondern eine Bestandsaufnahme einer Bewegung, die längst begonnen hat.

In Reportagen und Fachbeiträgen schildern Nachfolgerinnen, wie sie Familienunternehmen übernehmen, modernisieren und neu denken. Caroline Weis etwa digitalisiert ein Weingut und Hotel in Rheinland-Pfalz – gegen Widerstände, aber mit Geduld und Dialog. Sie verknüpft alte Strukturen, führt Softwarelösungen ein, professionalisiert Prozesse – und beweist, dass Digitalisierung im Mittelstand weiblich geführt erfolgreicher sein kann, weil sie empathischer gestaltet wird.

Souveränität durch Substanz

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtStefanie Glunk übernimmt Verantwortung im Maschinenbau – einer Branche, in der Frauen noch Exotinnen sind. Sie leitet den Vertrieb eines globalen Unternehmens, begegnet Vorurteilen mit Kompetenz und baut Vertrauen durch Fachwissen und Haltung auf. Ihr Führungsstil: ruhig, reflektiert, verbindlich. Kein Machtgehabe, kein Lautsein. Stattdessen Souveränität durch Substanz.

Theresa Kaul führt im Handwerk neue Arbeitsmodelle ein: eine flexible Vier- oder Fünf-Tage-Woche, die Zufriedenheit und Produktivität steigert. Sie zeigt, dass moderne Führung nicht Disruption bedeutet, sondern Weiterentwicklung – auf Augenhöhe, mit Respekt vor dem Bestehenden.

Diese Frauen sind keine Quotenfiguren. Sie sind Vorreiterinnen einer neuen Generation von Unternehmerinnen, die Nachfolge als Chance begreifen – nicht als Pflicht.

Die Kraft neuer Perspektiven

Familienunternehmen leben von Vertrauen, Stabilität und Identifikation. Doch diese Werte geraten in Gefahr, wenn Nachfolge als männliche Aufgabe gilt. Waffenschmidt und Gutmann zeigen: Nachfolgerinnen bringen Qualitäten ein, die heute überlebenswichtig sind – Empathie, Teamorientierung, Nachhaltigkeit, Mut zu Kooperation und Innovation.

Das ist kein „weiblicher Stil“, sondern moderne Führung. Unternehmen, die Frauen Verantwortung übertragen, entwickeln sich schneller, digitaler, resilienter. Sie schaffen Strukturen, in denen Fachkräfte bleiben, weil die Kultur stimmt.

Das Buch zeigt, wie Vielfalt Führung verändert:

– Nachfolge als Erneuerung, nicht als Traditionsbruch.

– Empathie als Effizienzfaktor: Wer zuhört, führt besser.

– Kooperation statt Konkurrenz: Netzwerke ersetzen alte Seilschaften.

So entsteht eine neue Ökonomie des Miteinanders – getragen von Frauen, die Werte leben, statt nur Zahlen zu managen.


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Hürden und Lösungen

Doch Waffenschmidt verschweigt die Hindernisse nicht. Steuerliche Fehlanreize, mangelnde Kinderbetreuung und starre Rollenbilder bremsen weibliche Nachfolge. Viele Töchter werden nicht einmal gefragt, ob sie übernehmen wollen. Und wenn sie es tun, fehlt oft die Unterstützung im Betrieb.

Die Herausgeber fordern ein Umdenken – in Familien, Unternehmen und der Politik. Nachfolge ist keine Privatsache, sondern ein volkswirtschaftliches Thema. Jede nicht übergebene Firma kostet Arbeitsplätze, Wissen und Innovationskraft. Das Buch liefert konkrete Ansätze: Mentoring-Programme, die weibliche Nachfolge fördern. Netzwerke wie der Verband der Unternehmerinnen (VdU), die Role Models sichtbar machen. Und rechtliche Vereinfachungen, die Nachfolgerinnen entlasten. Vor allem aber fordert es ein kulturelles Update: Don’t change the woman – change the system.

Weibliche Führung: Die Regel von morgen

Die Lösung liegt nicht in Quoten, sondern im Bewusstsein, dass Führung neu gedacht werden muss. Die besten Nachfolgerinnen denken nicht in Hierarchien, sondern in Verantwortung. Sie führen nicht durch Kontrolle, sondern durch Vertrauen.

Das Buch „Frauen führen“ zeigt, wie das konkret aussieht:

– Nachfolge als Teamprozess: Übergabe gelingt, wenn beide Generationen voneinander lernen.

– Führung als Haltung: Emotionale Intelligenz ergänzt Durchsetzungsstärke.

– Nachhaltigkeit als Leitprinzip: Unternehmerinnen wie Josephine Dransfeld aus der Plüschwarenbranche Heunec beweisen, dass ökologisches Handeln und wirtschaftlicher Erfolg sich nicht ausschließen – im Gegenteil: Sie sichern die Zukunft des Unternehmens.

Diese Frauen modernisieren den Mittelstand, ohne ihn zu verraten. Sie verbinden Herz und Verstand, Tradition und Transformation. Sie zeigen, dass weibliche Führung keine Ausnahme mehr ist – sondern die Regel von morgen.

Wirtschaftliche Relevanz

Die Nachfolgefrage entscheidet über die Zukunft des deutschen Mittelstands. Frauen sind dabei keine Lückenfüller, sondern Zukunftsträgerinnen. Studien belegen: Gemischte Führungsteams sind innovativer, erzielen höhere Renditen und wirtschaften stabiler. Wenn 190.000 Betriebe auf der Kippe stehen, ist die Förderung weiblicher Nachfolge kein Gleichstellungsthema – es ist Standortpolitik.

„Frauen führen“ ist mehr als ein Sammelband. Es ist ein wirtschaftliches Manifest – sachlich, analytisch, inspirierend. Es verbindet Zahlen mit Geschichten, Fakten mit Haltung. Und es formuliert ein klares Versprechen: Die Zukunft des Unternehmertums ist weiblich – nicht, weil Frauen besser führen, sondern weil sie anders führen.

Wer Verantwortung übergibt, muss loslassen lernen. Wer Verantwortung übernimmt, muss Vertrauen fassen – in sich selbst und den eigenen Weg. Zwischen diesen Polen entsteht die nächste Generation des Mittelstands: digital, nachhaltig, gleichberechtigt. Und wenn Frauen führen, profitiert die ganze Wirtschaft.

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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.