Frauen haben höhere Reallohnsteigerungen

Junge Leute sitzen auf Bank

Auch in 2019 sind die Gehälter nominell gestiegen, stellt das Statistische Bundesamt fest. Schaut man die vergangenen zehn Jahre an, sind vor allem Löhne der Frauen real gestiegen.

Die Arbeitslosigkeit liegt seit Monaten bei knapp fünf Prozent, oft sogar darunter. In vielen Berufen herrscht Fachkräftemangel und die gute Lage am Arbeitsmarkt ungebrochen an – das macht sich auch bei den Gehältern bemerkbar. Nun gab das Statistische Bundesamt bekannt: Im Schnitt Beschäftigte  in den ersten drei Monaten 2019 2,5 Prozent mehr Gehalt. Und weil die Teurungsrate mit 1,4 Prozent moderat ausfiel, konnten sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Schnitt über real 1,2 Prozent mehr Geld freuen.

Bei einem Durchschnittsverdienst von 3.242 Euro brutto im Monat – das ist der Wert, mit dem die Deutsche Rentenversicherung die Rentenwerte für 2019 beispielsweise berechnet – sind es 38,90 Euro pro Monat, also 466,80 Euro im Jahr. Bei diesem Einkommen liegt der Steuersatz im Schnitt bei 20 Prozent. Das heißt, ein Beschäftigter hat jährlich netto 373,44 Euro mehr in der Tasche, und zwar inflationsbereinigt.

Nachholbedarf macht großen prozentualen Sprung aus

Allerdings zeigt sich ein spannender Trend, wenn man die vergangenen zehn Jahre betrachtet: Besonders kräftige Lohnzuwächse hatten Frauen und Menschen in Ostdeutschland. So stiegen die Gehälter im Osten um 31 Prozent, die Verdienste von Frauen um rund 28 Prozent, die Gehälter von Männer um 25 Prozent.

Die hohen Zuwachsraten der Frauenlöhne und in den neuen Bundesländern sind aber schnell erklärt: Beide haben erheblichen Nachholbedarf. Im Osten gelten in vielen Branchen immer noch längere Arbeitszeiten und es werden niedrigere Gehälter bezahlt. Zuletzt aber haben sich Gewerkschaften für eine Ost-West-Angleichung stark eingesetzt und waren hier oft erfolgreich. Insofern ist das Lohnplus von 31 Prozent in den vergangenen zehn Jahren ein Zeichen dafür, dass eine Angleichung langsam vollzogen wird.

Und wie ist der Gehaltszuwachs bei Frauen zu erklären?

Eine wichtige Rolle dürfte dabei die Einführung des Mindestlohn spielen, denn viele Frauen sind im Niedriglohnbereich beschäftigt. Ein weiterer Faktor dürfte sein, dass auch die Frauenerwerbsquote zugenommen hat und mehr Frauen einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung als nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen. Denn in die Statistik über die Entwicklung der Reallöhne fließen auch alle Gehälter von Minijobberinnen ein. Waren 2008 noch mehr als 3,5 Millionen Frauen ausschließlich als Minijobberin tätig, sank diese Zahl um eine halbe Million bis 2018. Zugleich waren gerade die nominalen Lohnerhöhungen bei den Teilzeitbeschäftigten hoch: Im Schnitt stiegen sie um 29,8 Prozent, bei den Vollzeitbeschäftigten betrug der Anstieg in den vergangenen zehn Jahren 25,2 Prozent.

Selbständige haben nur geringe Reallohnsteigerungen

Zugleich dürfte auch einen leichten Einfluss auf die Statistik haben, dass typische Frauenberufe, in denen starker Fachkräftemangel herrscht – wie etwa in der Altenpflege – durch ein höheres Gehalt aufgewertet werden. Zugleich ist  die Zahl der Frauen in Führungspositionen gestiegen, außerdem wählen Frauen heute weniger oft traditionelle Berufe.

Allerdings zeigt die Statistik noch eine weitere Auffälligkeit: Ausgerechnet Selbständige haben weniger Reallohnsteigerungen. Bei ihnen stieg das Einkommen nominell nur um 0,9 Prozent. Auch das ist zu erklären: Selbstständige müssen ihre Honorare selbst verhandeln. Viele kalkulieren Preissteigerungen und Inflation oft mit Verzögerung ein, oft ist es für Freiberuflerinnen und Freiberufler auch schwer, solche Preiserhöhungen bei Kundinnen und Kunden durchzusetzen. Im Bereich Wissenschaft kommt hinzu, dass die Budgets von Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen nicht regelmäßig erhöht werden und hier oft nicht ein Inflationsausgleich berücksichtigt wird.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.