Frauennetzwerke sind oft Stolperfallen

Spinnennetz im Gegenlicht

“Frauen müssen mehr netzwerken!” – Mal ehrlich, wie oft haben Sie diesen Rat schon gehört, ihn gar selbst befolgt und anderen gegeben? Und: Wie hilfreich war ein Frauennetzwerk für Sie?

Eine aktuelle globale Studie der Beratungsunternehmen D&I Strategy and Solutions sowie dem Inclusion Institute legt den Schluss nahe, dass die meisten internen Frauennetzwerke die Karrieren von Frauen eher blockieren statt zu beflügeln. Das klingt hart und ist es auch. So gut die meisten Frauenbündnisse gemeint sind, so wenig Wirkung entfalten sie. Und das liegt vor allem an einer unzureichenden Ausstattung und fehlenden Rückhalt innerhalb des Unternehmens. Sowie einer Erwartungshaltung, der die Netzwerke kaum gerecht werden können.

Für die Studie waren über 1.700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 58 Ländern im Herbst 2015 befragt worden danach, wie ihnen Netzwerke beim Aufstieg hilfreich waren. Dabei zeigte sich, dass Netzwerke, Bündnisse und Seilschaften vor allem dann erfolgreich sind, wenn sie eine starke Verankerung im Unternehmen haben – das heißt, sie müssen von den Entscheiderinnen und Entscheidern getragen werden und zumindest informell Macht entfalten können. Zusammenschlüssen von Frauen haftet aber häufig ein negatives Image an. Oft fehlen Entscheiderinnen, die tatsächlich mächtig sind. Und so bleibt ein Frauenbündnis letztlich wirkungslos, soll es dem Aufstieg der Mitglieder dienen.

„Ein Frauennetzwerk ist das erste, was vielen Unternehmen einfällt, die in Sachen Diversity & Inclusion, also Vielfalt und Chancengleichheit, aktiver werden wollen”, sagt Veronika Hucke vom Beratungsunternehmen D&I Strategy and Solutions und eine der Autorinnen der Studie. „Aber Netzwerke können nur im Rahmen einer schlüssigen Gesamtstrategie eine positive Wirkung entfalten.“

Frauennetzwerke müssen gewollt und verankert werden

Mehr noch: Wer sich in einem nicht akzeptierten Frauenbündnis sichtbar engagiert – selbst wenn es ein formal akzeptiertes innerhalb der Organisation ist – hat mitunter sogar Nachteile zu erleiden. Bei nicht einmal jeder Achten ist die Aufgabe Teil des Jobs, mehr als jede Zweite erhält für ihr Engagement Anerkennun. Oft noch nicht einmal dann, wenn sie dazu aufgefordert, hier eine tragende Rolle zu spielen.  Dennoch investiert mehr als die Hälfte der Befragten mindestens einen Tag im Monat in diese Funktion, fast 30 Prozent sogar zwei Tage und mehr. Fatal daran ist, dass den Frauen damit Zeit fehlt, die sie in strategische Projekte mit hoher Sichtbarkeit investieren könnten. Genau diese Projekte sind es allerdings, die der Karriere und dem Aufstieg Schub geben.

Und wer für sein Engagement nicht gewertschätzt wird, fühlt sich bald demotiviert. Die Identifikation mit dem Arbeitgeber sinkt, die Loyalität auch – und am Ende schließlich die Leistungsbereitschaft selbst. Dann stellen eigentlich hochmotivierte und talentierte Frauen ihr Engagement ein – zugespitzt ausgedrückt wirkt das Engagement im Frauennetzwerk damit als echte Karrieresackgasse . In der Studie beurteilten Frauen, die ein Netzwerk leiten, ohne dafür Anerkennung zu erfahren, ihr Unternehmen in den Punkten Chancengleichheit und der Zukunftsfähigkeit deutlich schlechter als der Rest der Befragten.

Engagement muss sich lohnen

Wenig hilfreich für den Erfolg ist in den meisten Unternehmen auch das Ungleichgewicht zwischen den Erwartungen an ein Netzwerk und seiner Ausstattung. So stehen beispielsweise für etwa der Hälfte der Netzwerke, die Trainings- und Entwicklungsprogramme realisieren sollen, pro Monat nicht einmal zwei Euro pro Teilnehmer zur Verfügung – und jedes fünfte Netzwerk hat überhaupt kein Budget und arbeitet komplett ehrenamtlich. Entsprechend würde auch nicht einmal jede dritte Befragte anderen empfehlen, ihrem Netzwerk beizutreten.

Am Ende sehen viele befragte Frauen ihr Netzwerk kritisch und sind enttäuscht. Die einstigen Erwartungen konnten nicht erfüllt werden und häufig findet sogar ein Rückschluss auf Frauennetzwerke an sich statt.

Warum aber halten Mitarbeiter einem Netzwerk die Treue, das ein schlechtes Image hat und ihren Erwartungen nicht gerecht wird? Offensichtlich erhöht der Frust über den Arbeitgeber das Bedürfnis, sich mit anderen über diese Erfahrungen auszutauschen – ein Faktor, der unabhängig von anderen Netzwerk-Aspekten von vielen Befragten positiv beurteilt wird. Ob ein solches Netzwerk im Unternehmen allerdings neue Impulse setzen kann, ist zweifelhaft.

Frauennetzwerke in Unternehmen werden überschätzt

Die Ergebnisse erstaunen und zeigen damit, dass der Einfluss von weiblichen Netzwerken in Unternehmen offenbar überschätzt wird. Mehr noch: Sie korrelieren mit anderen Studien, die ebenfalls zeigten, dass Frauenförderung – sofern sie nicht eingebettet ist in eine Gesamtstrategie – den Frauen eher zum Nachteil gereicht. Allerdings zeigt sich auch, dass Netzwerke, die von der Geschäftsleitung gewollt und unterstützt werden, durchaus Wirkung entfalten. Wer Frauen fördern will, muss insofern eine schlüssige Gesamtstrategie für mehr Vielfalt und Chancengleichheit entwickeln, bei dem solche Netzwerke ein Teil sein sollten. Dabei ist es aber unbedingt erforderlich, den Bedürfnissen der Mitglieder mindestens so viel Raum einzuräumen, wie den Interessen des Unternehmens, seine Führungskräfte angemessen zu honorieren und das Netzwerk finanziell und personell angemessen auszustatten. Wenn zudem relevante Messkriterien für die Arbeit der Netzwerke entwickelt werden und diese begleiten, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass ein solches Frauennetzwerk den erhofften Beitrag zu den Unternehmenszielen leistet.

Die vollständigen Studienergebnisse stehen unter di-strategy.com zum download bereit.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.