Frauenquote hilft Berufsanfängerinnen nur wenig

Frau sitzt nur vom Rechnerlicht beleuchtet vor Monitor

Oh Wunder, welche Erkenntnis: Die Frauenquote für die Aufsichtsräte bei börsennotierten Unternehmen hilft der normalen Durchschnittsfrau bei der Karriere nur bedingt. Und auch Berufsanfängerinnen profitieren kaum von der Quote. Ernsthaft jetzt? Dafür braucht man wirklich eine Studie?

Das habe ich mich gefragt, als ich im Newsroom des Institut zur Zukunft der Arbeit eine neue Studie gefunden habe, wonach die Frauenquote in Norwegen bisher nur Frauen im oberen Management geholfen habe. So zumindest der Spin, mit dem die Ergebnisse der Studie in den Medien Karriere machen.

Es ist ein bisschen so als würde man eine Studie darüber anfertigen, ob Winterreifen im Sommer gegen Schneeglätte wirken würden.

Aber kommen wir erst einmal zu den Fakten: Die vier Ökonominnen Marianne Bertrand, Sandra Black, Sissel Jensen und Adriana Lleras-Muney (drei Amerikanerinnen, eine Norwegerin) hatten untersucht, zu welchen Effekten die gesetzliche Frauenquote in Norwegen geführt hatte. Das Land hatte bereits vor einigen Jahren ein Gesetz auf den Weg gebracht, wonach in den Aufsichtsräten der börsennotierten Unternehmen 40 Prozent der Posten mit Frauen besetzt sein müssen. Unternehmen, die diese Quote nicht erfüllen konnten, sahen sich ansonsten finanziellen Sanktionen ausgesetzt.

Frauenquote bricht männliche Seilschaften auf…

Kritiker reagierten damals ähnlich wie hierzulande heftig. Das sei Planwirtschaft. Es gebe nicht genügend Frauen. Und sowieso und überhaupt dürfe die Politik der Wirtschaft nicht so stark reinreden. Die norwegische Regierung machte trotzdem ernst. Zwar wechselten mit der Einführung der Quote einige an Spitze frauenfreie Unternehmen kurz ihre Rechtsform, um nicht mehr als börsennotiert zu gelten und nicht unter das Gesetz zu fallen, im Großen und Ganzen funktionierte die Quote aber. Das stellt nun auch die Studie fest. Offenbar war die Sorge vieler Unternehmen, es mangele an genügend guten Frauen, völlig unbegründet. Insgesamt, das konstatierten auch schon andere Untersuchungen zur Quote in Norwegen, waren die Managerinnen formal höher qualifiziert. Und sie waren im Schnitt etwas jünger. Die IZA-Studie stellt außerdem fest, dass die Einkommensunterschiede zwischen den Board-Mitgliedern geringer waren.

Insgesamt also recht erfreuliche Ergebnisse. Die vier Ökonominnen stellen ferner fest, dass die Frauenquote offenbar nur Frauen im gehobenen Management nützt, nicht aber den Mitarbeiterinnen auf den unteren Hierarchiestufen. Und auch Berufseinsteigerinnen würden von der Quotenregelung erst einmal nicht profitieren. So gebe es immer noch einen ordentlichen Gender Pay Gap von rund 25 Prozent zwischen Einsteigerinnen und Einsteigern. Und auch sei der Anteil der Frauen im Mittelmanagement nahezu konstant geblieben und habe sich nicht automatisch erhöht. Offenbar wirke die Quote nicht von selbst auf die Förderung von weiblichen Nachwuchs.

… führt aber nicht automatisch zu größerem Frauenanteil unter den Einsteigern

Ich finde: Das ist doch klar. Die Quote dient ausschließlich einer sehr kleinen Gruppe von Frauen im Spitzenmanagement, die mit dem Gesetz leicht bessere Chancen haben, in ein Kontrollgremium einzuziehen. Das ist Ziel des Gesetzes, dafür ist es gemacht. Es ist ein bisschen naiv, zu erwarten, dass die Regelung deshalb auch andere Wirkungen entfalten würde. Völlig logisch ist doch auch, dass angesichts einer gesetzlichen Regelung eine zusätzliche, freiwillige Frauenförderung eher unwahrscheinlich ist. Frei nach dem Motto: Für die Frauen gibt es jetzt ja die Quote, warum sollen wir noch teure Frauenförderprogramme aufsetzen? Aus unternehmerischer Sicht völlig nachvollziehbar.

Und es ist doch auch klar, dass das Gros der männlichen Entscheider angsichts der Quote auch nicht sonderlich motiviert ist, noch mehr zu tun. Mehr als Quote, so dürfte die Meinung von vielen sein, geht doch gar nicht.

Und noch ein Effekt zeigt sich: Nur weil es jetzt eine Quote gibt, hat der Frauenanteil in den Wirtschaftswissenschaften nicht dramatisch zugenommen. Auch diese Erwartung finde ich gelinde gesagt völlig schräg. Nur weil es ein Gesetz für irgendwas gibt, ändern sich doch in der Bevölkerung nicht notwendigerweise die beruflichen Interessen. Wie kann man denn glauben, dass eine Quotenregelung die Welt völlig verändern würde? Und vor allem: In so kurzer Zeit? Eine Quote kann immer nur ein kleines, flankierendes Mittel sein. Sie ist gut, um homogene Seilschaften aufzubrechen. Aber eine Quote allein macht noch keine Vielfalt. Und erst Recht keine Revolution.

Übrigens haben wir diese Woche auch auf ZEIT ONLINE die Leserinnen gefragt, was sie sich von der ganzen Quotendebatte hierzulande versprechen und ob sie merken, dass ihnen dieses ganze Gerede von Frauenförderung etwas bringt? Ich glaube ja: Nein. Die Diskussion ist eine der Eliten. Das Gros der Frauen wird davon kaum profitieren. Ihnen wäre mit ganz konkreten Dingen besser geholfen: mehr und bessere Kinderbetreuungsangebote, flexiblere Arbeitszeitmodelle mit höheren Teilzeitstunden, Weg mit dem Ehegattensplitting, das weibliche Altersarmut im Scheidungsfall bedingt.

Hier können Sie die Kurzzusammenfassung oder auch die gesamte Studie lesen.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.