Frauenquote mit Zielmarke Null

Frau schaut vor Hauswand hervor

Am 1. Januar tritt die Frauenquote in Kraft. Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen gilt zwar schon seit diesem Jahr – aber erst 2016 müssen die Zielquoten nach und nach erreicht werden.

Man sollte meinten, dass in diesen Tagen ein Unternehmen nach dem anderen Schlagzeilen mit der Berufung einer hochkarätigen Frau macht. Doch das Gegenteil ist der Fall. Um die Frauenquote ist es ruhig geworden. Verdächtig ruhig. Denn wer nicht faktisch muss, hat sich eine freiwillige Quote gesetzt, die oftmals sogar null Prozent beträgt. Tatsächlich sieht das Gesetz nur verbindliche Vorgaben für die 101 börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen – und auch nur für die Neubesetzung der Aufsichtsräte ab 2016. Heißt: Sofern eines dieser Unternehmen ab 2016 eine Neubesetzung des Kontrollgremiums vornimmt, muss darauf geachtet werden, dass mindestens 30 Prozent der Sitze mit dem Minderheitengeschlecht besetzt sind. Das sind heute die Frauen. Findet das Unternehmen keine Frau, die berufen werden kann, dann bleibt der Sitz im Aufsichtsrat leer. Sanktionen oder ähnliches – wie etwa in Norwegen – gibt es nicht. In den vergangenen Jahren haben die betroffenen börsennotierten Unternehmen hier bereits vorgebaut. Derzeit liegt der Frauenanteil in den Kontrollgremien bei 22 Prozent.

Größe Null ist kein schlechter Scherz

Ferner sieht das Gesetz vor, dass etwa 3.500 Unternehmen in Deutschland, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, nur eigen gesetzte Zielgrößen für mehr Frauen in Führungspositionen erreichen müssen. Dabei können die Unternehmen auch die Zeitspanne selbst festlegen. Dies soll der Wirtschaft die Möglichkeit geben, ihre eigene “Unternehmenswirklichkeit” zu berücksichtigen. Aber eine solche freiwillige Selbstverpflichtung gibt es schon seit vielen Jahren im Corporate Government Codex, ohne dass sich faktisch etwas verändert hätte. Es ist daher von auszugehen, dass die Ziele der Unternehmen kaum über Kosmetik hinausgehen.

Schaut man sich die Pläne allein der börsennotierten Unternehmen an, muss man leider feststellen: Viele haben sich die Zielgröße Null gesetzt. Das gilt vor allem für die Vorstandsebene – die immerhin wichtigsten Führungspositionen in der Wirtschaft. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung gibt es beim Medizinkonzern Fresenius und der Porsche Automobil Holding SE weder eine Frau im Aufsichtsrat noch im Vorstand. Im Porsche-Vorstand soll das auch bis Mitte 2017 so bleiben. Überraschend: Auch die als frauenfreundlich geltende Commerzbank hat keine einzige Frau auf einen Vorstandsposten berufen. Ebenso Eon, ThyssenKrupp, Infineon und Volkswagen. Immerhin: Der Konsumgüterhersteller Henkel ist mit einem Frauenanteil von knapp 44 Prozent absoluter Spitzenreiter.

Am meisten gibt es daher auch weiterhin auf Vorstandsebene zu tun: Hier greift das Gesetz leider nicht. Und die Zahlen sprechen für sich. Nicht einmal fünf Prozent der Spitzenposten sind mit einer Frau bei den börsennotierten Unternehmen besetzt. Zuletzt ist der Frauenanteil in diesen Positionen sogar wieder leicht gesunken.

Nicht nur Familienministerin Manuela Schwesig kritisiert das Verhalten der Wirtschaft, Kritik kommt auch von Frauenverbänden und Gewerkschaften. Wieder einmal zeigt sich: Die Wirtschaft wird nur auf gesetzlichen Druck reagieren.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.

Kommentare

  • Liebe Frau Groll, vielen Dank für Ihren Beitrag, dem ich im Großen und Ganzen nur zustimmen kann. Es ist in der Tat nicht nachvollziehbar, dass es sich Unternehmen offensichtlich immer noch leisten können, in ihrem Topmanagement bzw. in ihren Kontrollgremien auf die Hälfte des Humankapitals – die Frauen – verzichten zu können. Da ich mich selbst beruflich mit dem Thema beschäftige (http://aufsichtsrat-weiterbildung.harriet-taylor-mill.de/), möchte ich allerdings darauf hinweisen, dass ein “leerer Stuhl” im Aufsichtsrat eines mitbestimmten Unternehmens sehr wohl eine Sanktion darstellen kann, da sich dadurch die Machtverhältnisse verschieben (können).

Comments are closed.