Gen Z: Ehrgeiz trifft Unsicherheit – und verändert die Arbeitswelt

Personen sitzen am Konferenztisch

Die Gen Z tritt in eine widersprüchliche Arbeitswelt ein: weniger Einstiegsjobs, höhere Erwartungen, rasant wachsende Technologien. Doch ihr Pragmatismus treibt ein grundlegend neues Verständnis von Arbeit voran.

Noch nie war der Berufseinstieg so widersprüchlich. Die Generation Z – ehrgeizig, digital, zukunftsorientiert – trifft auf eine Arbeitswelt im Ausnahmezustand. Fachkräftemangel auf der einen Seite, schwindende Einstiegspositionen auf der anderen.

Laut dem aktuellen „Gen Z Blueprint für die Arbeitswelt“ von Randstad sind die Stellenangebote für Berufseinsteiger:innen seit Januar 2024 weltweit um 29 Prozent gesunken. In den Lieblingsbranchen der Gen Z – Technologien und Finanzen – beträgt der Rückgang sogar 35 bzw. 24 Prozent.

Orientierungslosigkeit trotz Ehrgeiz

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtGleichzeitig verändert Künstliche Intelligenz den Einstieg radikal. Aufgaben, die früher Juniorrollen vorbehalten waren, übernimmt heute die Automatisierung. Junge Talente stehen vor Anforderungen, die sie oft noch nicht erfüllen können – und vor der paradoxen Botschaft: Sei sofort produktiv, aber bitte mit Erfahrung.

Die Folge: Orientierungslosigkeit trotz Ehrgeiz. 41 Prozent der Befragten glauben, ihren Traumjob wegen fehlender Ausbildung nicht zu erreichen. 40 Prozent sehen ihren sozialen Hintergrund als Hürde. Und doch sagt die Mehrheit: Ich will wachsen.

„Die Gen Z ist in eine Arbeitswelt im tiefgreifenden Wandel eingetreten“, sagt Randstad-CEO Sander van’t Noordende. „Zwar ist sie von ihren Fähigkeiten überzeugt und blickt ambitioniert in die Zukunft, zugleich sieht sie sich technologischen Umbrüchen und wirtschaftlicher Unsicherheit gegenüber.“

Zwischen Selbstzweifel und Selbstermächtigung

Trotz aller Hürden gibt diese Generation nicht auf. Sie reagiert schnell, pragmatisch, kompromisslos. Fehlt die Karriereleiter, baut sie sich neue Wege. 54 Prozent der Genz Z suchen aktiv nach einem neuen Job, ein Drittel plant, den aktuellen innerhalb eines Jahres zu verlassen. Ihre durchschnittliche Verweildauer in den ersten fünf Berufsjahren: 1,1 Jahre – weniger als die Hälfte der Generation X.

Arbeitgeber deuten das als mangelnde Loyalität. Tatsächlich zeigt es Anpassungsfähigkeit. Gen Z wechselt, wenn Wachstum fehlt. Sie will nicht warten, bis Entwicklung „irgendwann“ kommt. Sie will sie jetzt.

Überlebensstrategie in einer unsicheren Ökonomie

Dabei denkt sie langfristig: 85 Prozent berücksichtigen bei einem Jobwechsel ihre Karriereziele – mehr als jede andere Generation. Doch die Wege dorthin bleiben unklar. Nur 60 Prozent fühlen, dass ihr Arbeitgeber sich für ihre Zukunft interessiert.

So entstehen Brüche. 44 Prozent sagen, ihr aktueller Job passe nicht zur Traumkarriere. 37 Prozent bereuen ihre Branchenwahl. Drei von fünf wären bereit, eine Stelle anzunehmen, die nicht mit ihren Werten übereinstimmt – solange Bezahlung und Benefits stimmen. Was wie Zynismus wirkt, ist pure Überlebensstrategie in einer Ökonomie, die Sicherheit neu verhandelt.


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Technologie als Spiegel und Verstärker

Die Gen Z ist die erste Generation, die mit KI aufwächst – und die erste, die mit ihr um Jobs konkurriert. Doch statt sich zurückzuziehen, nutzt sie die Technologie, um sich zu behaupten.

55 Prozent setzen KI bereits zur Problemlösung im Arbeitsalltag ein – Spitzenwert über alle Generationen. 58 Prozent sehen darin eine Chance, die Produktivität zu steigern. Für sie ist KI weniger Bedrohung als Werkzeug.

Doch es zeigen sich Unterschiede: Männer nutzen KI häufiger als Frauen (58 vs. 52 Prozent), White-Collar-Talente deutlich häufiger als Blue- und Gray-Collar-Beschäftigte (66 vs. 46 Prozent). Diese Kluft droht, bestehende Ungleichheiten zu vertiefen.

Ein Fluss aus Feedback, Praxis und Technologie

Hier liegt der Wendepunkt – nicht in der Technik selbst, sondern im Zugang dazu. Wer die Chancenlücke bei KI-Kompetenzen schließt, gewinnt die Generation Z nicht nur als Mitarbeitende, sondern als Mitgestalter einer neuen Arbeitswelt.

Die Lernbereitschaft ist enorm: 79 Prozent sagen, sie lernen neue Fähigkeiten schnell. 87 Prozent bevorzugen Training „on the Job“, 75 Prozent lernen über Kurzvideos, 70 Prozent über KI-Tools. Für sie ist Lernen kein Seminar, sondern ein kontinuierlicher Fluss aus Feedback, Praxis und Technologie.

Die neue Allianz zwischen Ambition und Struktur

Die Gen Z ist kein Problemfall – sie ist ein Blueprint für die Zukunft der Arbeit. Sie zeigt, wie Ambitionen und Unsicherheit produktiv werden, wenn Unternehmen bereit sind, alte Modelle loszulassen.

Die Randstad-Studie skizziert vier Handlungsfelder:

  1. Einstieg neu denken:
    Einstiegsrollen müssen Raum für Lernen schaffen – nicht nur Routineaufgaben. Wo KI einfache Tätigkeiten übernimmt, sollten junge Talente früh an wertschöpfende Projekte herangeführt werden.
  2. Wachstum sichtbar machen:
    Karriereentwicklung darf kein fernes Versprechen sein. Konkrete Schritte – Weiterbildung, Mentoring, Feedback, Gehaltssprünge – müssen klar definiert und regelmäßig überprüft werden.
  3. Lernen als Kultur begreifen:
    Die Gen Z erwartet personalisierte, technologiegestützte Lernformate. KI-Tools, Microlearning, Peer-Coaching – das sind keine „Benefits“, sondern Bindungsinstrumente.
  4. Vertrauen und Chancengleichheit fördern:
    Zwei von fünf der Gen Z fühlen sich nicht zuversichtlich, einen neuen Job zu finden. Unternehmen müssen Räume schaffen, in denen Selbstvertrauen wachsen kann – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Bildungsweg.

Mit diesen Hebeln können Arbeitgeber die Energie dieser Generation nutzen, statt sie zu verlieren. Denn die Gen Z ist bereit zu liefern: 68 Prozent sagen, sie erfüllen ihre Aufgaben effizient – trotz aller Wechselbereitschaft.

Ein Generationenvertrag 2.0

Die neue Arbeitswelt ist kein Nullsummenspiel. Wo alte Strukturen wegbrechen, entstehen Freiräume für Kooperation. Wenn Unternehmen auf Offenheit, Lernmut und Sinnsuche der Gen Z reagieren, entsteht eine neue Loyalität – nicht aus Tradition, sondern aus Resonanz.

Wer diese Generation ernst nimmt, gewinnt. Sie ist die erste, die Arbeit, Technologie und Identität zugleich denkt – und die letzte, die wir uns leisten können zu verlieren. In einer Zeit, in der sich Märkte verändern und Talente knapp werden, ist ihr Ehrgeiz kein Risiko. Er ist unsere Chance.

Die Gen Z ist Spiegel und Motor des Wandels. Sie fordert weniger Hierarchie, mehr Entwicklung; weniger Stillstand, mehr Sinn. Wer sie versteht, gestaltet die Zukunft. Wer sie unterschätzt, verliert sie – und mit ihr den Anschluss an eine Arbeitswelt, die sich längst neu erfindet.

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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.