Glücklich und erfolgreich durch Home-Office und Remote Work

Mann am Ufer mit Laptop

Durch die Corona-Krise ist Remote Work für viele Menschen Alltag geworden. Während Männer zufriedener sind, haben Frauen oft noch mehr Nachteile – vor allem, weil politische Rahmenbedingungen fehlen.

Seit Wochen arbeiten Millionen Beschäftigte von Zuhause aus. Die Corona-Pandemie war damit eine Art Raketenantrieb für die Digitalisierung und Flexibilisierung von Arbeit. Denn lange wurde in Deutschland nur über die neuen Möglichkeiten durch die Digitalisierung diskutiert. Remote Work – arbeiten unabhängig vom Ort und oft auch von einer fixen Zeit – war für viele Führungskräfte nicht mehr als ein modernes Schlagwort. Doch das hat sich mittlerweile geändert!

Nur wenige Monate vor Ausbruch der Pandemie stellte eine Studie im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums noch fest, dass nur ein Bruchteil aller Arbeitgeber in Deutschland überhaupt den Begriff von Remote Work richtig verstanden hat. Wenn Formen von flexiblen Arbeiten angeboten wurden, dann war es Home-Office. Und das auch nur ausnahmsweise an einzelnen Tagen und eher nur für Führungskräfte. Und Frauen wurde diese Möglichkeit eher seltener zugestanden als Männern. Oder aber sie durften Heimarbeit verrichten, weil sie ohnehin nur Teilzeitbeschäftigte oder geringfügig beschäftigte Mitarbeiterinnen mit untergeordneten Tätigkeiten waren, für die sich ein eigener Arbeitsplatz im Betrieb kaum rechnete.

Früher war Home-Office oft mit Nachteilen verbunden

Auch war sich die Forschung einig darüber, dass zwar in vielen Branchen Home-Office möglich wäre, es aber vor allem Nachteile für die Beschäftigten bringe. Denn bevor sich Corona überall auf der Welt rasant ausbreitete, war zumindest in Deutschland die Entscheidung für Heimarbeit häufig mit mehr Überstunden und eine schlechtere Gehaltsentwicklung verbunden – und überwiegend Frauen betroffen.

Aber auch für Männer zeigten sich bei dauerhafter Remote Work eher Nachteile: weniger Aufstiegschance und eine meist schlechtere Work-Life-Balance, weil betriebliche Regelungen zur Sicherstellung bislang vielfach fehlten. Das stellten unter anderem Untersuchungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung wiederholt fest.

Heute erscheinen diese Befunde fast schon verrückt. Das Home-Office hat sich mittlerweile als gleichwertige, wenn nicht sogar bessere Alternative zum Präsenzbüro erwiesen. Vor allem Menschen in Positionen mit Personalverantwortung haben gelernt, dass flächendeckende Home-Office-Lösungen nicht zu Lasten der Produktivität gehen. Wie eine Analyse der Jobplattform StepStone unter mehr als 1.000 Führungskräften zeigt, sind nicht nur die Personalverantwortlichen selbst im Home-Office motivierter und engagierter, sie stellen dies auch bei ihren Teammitgliedern fest – und das trotz Witschaftskrise.

71 Prozent der befragten Teamleiterinnen und Teamleiter gaben in dieser Umfrage sogar an, dass sie durch die Remote Arbeit bessere Laune haben – auch, weil viel Stress durch Reisezeiten und ineffektive Präsenztermine entfallen. Dabei sagte in dieser Studie fast die Hälfte der Befragten, dass sie wegen der Krise mehr arbeiteten als vorher. Die Stepstone-Untersuchung zeigt auch: Anscheinend haben viele Führungskräfte sich durch das Führen aus der Distanz weiterentwickelt. Zwei Drittel der Beschäftigten stellte ihren Chefinnen und Chefs gute Noten aus.

Führungskräfte werden verständnisvoller

Zu einem ähnlichen Bild kommen eine Reihe weiterer Untersuchungen, die während der ersten Wochen der Pandemie entstanden sind. Und hierbei muss betont werden, dass diese Analysen durchgeführt wurden, als viele Beschäftigte von Homeschooling und Kitaschließungen betroffen waren – die grundsätzlichen Bedingungen also eher erschwert waren. Daher sind diese positiven Befunde besonders bemerkenswert. Wiederholt wurde etwa festgestellt, dass über viele Branchen hinweg das Verständnis der Arbeitgeber für die (Un-)Vereinbarkeit von Familie und Beruf groß ist und das Vertrauen in die Beschäftigten trotz der Distanz und fehlenden Kontrolle durch Präsenz dennoch wächst. Offenbar findet ein ganz erheblicher Bewusstseins- und Kulturwandel statt!

Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT hat in einer Home-Office-Umfrage festgestellt, dass über 80 Prozent der befragten Mitarbeitenden zufrieden mit ihrer Arbeitssituation im Home-Office sind. In dieser Studie bemängelten die Befragten zwar, dass beim sozialen und professionellen Austausch noch mehr getan werden müsste. Auch sorgten sie sich, dass das Gefühl der Verbundenheit mit den Kolleginnen und Kollegen auf Dauer verloren ginge – trotzdem schätzten die meisten sowohl ihre eigene Leistung als auch die der Kollegen hoch und gut ein. Außerdem zeigte sich, dass die Beschäftigten sich vielleicht gerade wegen der Arbeit auf Distanz mit ihren Kolleginnen und Kollegen und auch mit dem Unernehmen verbundener fühlten und die Identifikation mit dem Arbeitgeber stieg.

Als Erfolgsfaktoren wurden eine gute technische Ausstattung, eine abgestimmte Infrastruktur für Kommunikation und Austausch mit regelmäßigen Meetings und nicht zu vielen, sondern einfach zu bedienbaren Tools sowie eine klare Trennung zwischen Arbeit- und Privatleben identifiziert. Trotzdem stellte das Fraunhofer-Institut fest: Wegen der räumlichen Distanz wurde insgesamt weniger kommuniziert. Zu einem Teil war das aber nicht schlimm, weil zeitfressende und wenig produktive Kommunikation wegfiel. Gravierende Fehler durch fehlende Kommunikation wurden in dieser Studie nicht festgestellt. Ein Zwischenfazit lautet daher: Führen auf Distanz ist herausfordernder. Möglichkeiten für eine direkte Kommunikation an einem neutralen Ort wie dem Büro kann eine Lösung sein – vielen reicht aber auch ein eigener virtueller Raum mit der Chefin oder dem Chef für die schnelle, direkte Kommunikation.

Konzentrierter durch weniger Störungen

So erstaunt es nicht, dass etwa Wolfgang Prinz, der stellvertretende Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT, davon ausgeht, dass die Pandemie die Arbeitswelt langfristig und nachhaltig verändern wird. Unternehmen werden auch in Zukunft viele Präsenzarbeitsplätze umwandeln, sich teure Büromieten sparen und dafür verstärkt auf Großraumbüros mit Rückzugsorten zum konzentrierten Arbeiten, sowie kleineren und größeren Besprechungsräumen setzen – zumindest da, wo Wissensarbeit im Büro geleistet wird. Auch werden regelmäßige feste Tage im Home-Office zunehmen. Für viele wird dies ein Segen sein – für andere ist der Umzug ins Heimbüro aber mit Nachteilen verbunden.

Denn auch das stellt eine Studie fest: Es gibt einige Menschen, die ein Büro-Arbeitsumfeld zum konzentrierten Arbeiten brauchen. So kommt etwa das Meinungsforschungs-Institut Yougov in einer Untersuchung im Auftrag des Computerherstellers Acer zu dem Ergebnis, dass 44 Prozent der Befragten sagt, sie seien nicht in der Lage, so fokussiert remote zu arbeiten wie im Büro. Bei einem Teil dieser Menschen sind externe Faktoren wie ein fehlendes Arbeitszimmer und die technische Ausstattung verantwortlich. Auch hier gibt es nur einen kleinen Teil der Befragten, die – selbst wenn die Bedingungen im häuslichen Umfeld ideal sind – nicht von Zuhause aus arbeiten möchten. Dreiviertel der Befragten sagt aber auch in dieser Analyse, dass sie sich dauerhaft mehr Remote Work wünschen. Statt permanentes Home-Office sagen die Autorinnen und Autoren dieser Untersuchung aber voraus, dass sich mobiles Arbeiten von unterschiedlichen Standorten aus langfristig als Standard-Arbeitsmodell etablieren könnte.

Gesünder im Home-Office

Gesünder ist Remote Work in jedem Fall – das bestätigt etwa die gemeinsame Studie Gesundes Home-Office der mhplus-Krankenkasse und der SDK Süddeutsche Krankenversicherung. Diese Untersuchung nimmt die gesundheitlichen Vorteile des Home-Office in den Blick. In der Mitte April erstellten Untersuchung gaben gut 20 Prozent der Befragten an, erstmals regelmäßig im Home-Office zu arbeiten, ein weiteres knappes Drittel konnte vorher schon das Home-Office zumindest zeitweilig nutzen.

Die Studie bestätigt ebenfalls, dass das Arbeiten von Zuhause aus die Zufriedenheit steigert: 65 Prozent sagten, dass sie lieber im Home-Office arbeiteten. Je mehr Erfahrungen die Menschen mit der neuen Arbeitssituation machten, desto zufriedener waren sie: 72 Prozent derjenigen, die schon vor der Pandemie regelmäßig Remote Work hatten, gaben an, glücklicher zu sein. Auch die Zustimmungswerte zu Kreativität und ungestörtem, konzentriertem Arbeiten waren hoch: 57 Prozent sagten, daheim kreativer sein zu können, nur 18 Prozent gaben an, bei ihnen sei dies eher im Büro der Fall. Zudem zeigte sich, dass die Beschäftigten im Home-Office mehr Schlaf hatten, weil lange Anfahrtswege an den normalen Arbeitsplatz wegfielen, zugleich gaben 56 Prozent an, dass sie nun mehr Zeit für Sport fänden und sich insofern mehr bewegten.

Zudem behaupteten einige Befragte, Zuhause auch häufiger zu gesunder Ernährung zu greifen. Meist  weil in 30 Minuten Pausenzeit keine Zeit für die Zubereitung und den Verzehr eines warmen Mittagessens ist, griffen mehr Menschen auf einen schnellen gesunden Snack wie Obst und Gemüse zurück. Ein Drittel der Beschäftigten gab in dieser Studie allerdings auch an, sich schlechter zu ernähren, weil sie zuhause selbst für die Zubereitung des Essens verantwortlich sind.

In dieser Studie wurden lediglich zwei Nachteile vom Home-Office geäußert: Einige äußerten die Sorge, dass dauerhafte Remote Work dazu führen könnte, weniger Klatsch und Tratsch mitzubekommen, und dass informelles Netzwerken auf diese Weise schwieriger würde. Ein Nachteil, der eigentich ein Vorteil ist. Denn wenn alle im Home-Office arbeiten, kommt es noch stärker auf die realen Arbeitsergebnisse an – dann steht die Leistung zentral im Mittelpunkt und nicht das “wer-mit-wem”. Auch könnte das ein Vorteil für mehr Chancengleichheit sein.

Weniger Make-up, mehr Jogginghose

Bleibt noch ein interessanter Fakt, über den bisher noch wenig berichtet worden ist: Seit Beginn der Pandemie ist die Nachfrage nach Kosmetik und Make-up stark zurückgegangen. Laut des Kosmetikverbands VKE sanken die Umsätze um 60 Prozent. Ein Grund: Viele Frauen (und auch Männer) benutzen im Home-Office viel weniger Kosmetika. Erste Analysen zeigen zudem, dass nur 41 Prozent der Home-Office-Arbeitenden die gewohnte Job-Kleidung trägt – die Mehrheit entscheidet sich Remote eher für Freizeitkleidung.

Und so könnte Remote Work zu mehr Zufriedenheit und Gesundheit sowie mehr Chancen für echte Leistungstragende sorgen. Für weniger Schadstoffe in der Umwelt und ein besseres Klima, weil so viele Reisen wegfallen. Und für mehr Zeit für Kinder und das Privatleben. Keine schlechte Vision von der Arbeitswelt von morgen.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.