“Hängt Euch rein!”

Dorothea von Wichert-Nick

Dorothea von Wichert-Nick hat viele Frauen auf der Karriereleiter scheitern sehen. Im Interview mit Catarina Specht spricht sie über ihren eigenen Werdegang und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Die promovierte Ingenieurin Dorothea von Wichert-Nick arbeitet seit über 20 Jahren in der digitalen Wirtschaft.


Frauen haben etwas zu sagen, sie müssen allerdings den Raum erhalten, das auch zu tun! Diesen bieten wir mit unserem Format DIE CHEFIN-TALK.
Hier laden wir Frauen ein, mit uns über ihr Thema zu sprechen.


die Chefin: Frau von Wichert-Nick, Sie sind eine der ganze wenigen Frauen, die es bis auf Vorstandsebene eines Konzerns geschafft haben – und Sie haben drei Kinder. Wie schaffen Sie das?

Dorothea von Wichert-Nick: Indem ich nicht infrage stelle, dass es geht. Ich wusste immer, dass ich Kinder möchte und habe mich ganz bewusst für beides entschieden: Karriere und Familie. Natürlich braucht man einen Arbeitgeber, der grundsätzlich offen ist für berufstätige Frauen. Und man braucht einen Partner, der bereit ist, eine aktive Rolle in der Familie zu übernehmen.

die Chefin: Gibt es Kritik für Ihr Familienmodell?

von Wichert-Nick: Wenig. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass zufriedene Mütter selten Problemkinder haben. Kinder brauchen ein stabiles Umfeld, das Gefühl, dass alles in Ordnung ist. Wenn die Eltern in sich ruhen, geht es den Kindern auch gut, ganz gleich ob beide Eltern arbeiten, oder die Mutter zu Hause ist.

“Frauen machen oft erst den nächsten Schritt, wenn sie perfekt vorbereitet sind.”

die Chefin: Stellt die Online-Branche weibliche Führungskräfte hier vor besondere Herausforderungen?

von Wichert-Nick: Die Branche ist jung und experimentiert mit allen möglichen Arbeitsformen. Das bietet Chancen für ehrgeizige Frauen. Gleichzeitig ist die ständige Veränderung auch eine der größten Herausforderungen. Frauen machen oft erst den nächsten Schritt, wenn sie perfekt vorbereitet sind. Gerade das ist aber im ständigen digitalen Wandel nur schwer zu realisieren. Schließlich gilt auch hier: Es genügt nicht das Frauen “nur” Großes für das eigene Unternehmen leisten, sie müssen sich nach draußen wagen und zeigen, was sie geschaffen haben.

die Chefin: Die Online-Branche braucht mehr Frauen?

von Wichert-Nick: Unbedingt. Besonders in Führungspositionen. Natürlich muss jede Frau ihren eigenen Weg gehen. Führungsarbeit heißt viel investieren. Man darf nie zufrieden sein, muss immer nach neuen Möglichkeiten suchen, Dinge vorantreiben. Das ist nicht immer leicht. Und doch macht es mich sehr traurig, wenn ich sehe, wie viel Potential und Kreativität auf der Strecke bleibt.

die Chefin: Welchen Rat geben Sie Berufsanfängerinnen?

von Wichert-Nick: Finden Sie einen Job, den Sie lieben und Aufgaben, die Sie herausfordern. Wenn Sie Ihre Arbeit nicht erfüllt, werden Sie sich vom Stress im Job irritieren lassen, wenn es auch mal Ärger in der Familie gibt. Und stellen Sie die Weichen früh.

die Chefin: Was ist mit Kindern?

von Wichert-Nick: Seien Sie selbstbewusst und testen Sie Ihren Arbeitgeber, indem Sie ihn durchaus schon im Vorstellungsgespräch auf das Thema ansprechen. Sollten Sie beim Berufsstart noch keine Kinder haben, zeigen Sie, dass Sie ein Leistungsträger sind – das bildet das Vertrauen, auf dem flexible Modelle aufsetzen.

“Oft fehlen die Rollenvorbilder.”

die Chefin: Eine aktuelle Studie des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) kommt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass 50 Prozent der berufstätigen Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als schwierig einstufen. Woran scheitert der Spagat zwischen Kindern und Karriere?

von Wichert-Nick: Oft fehlen die Rollenvorbilder. Oder man läuft Gefahr, am eigenen Perfektionismus zu scheitern. In Führungspositionen braucht man die Fähigkeit, delegieren zu können. Im privaten Bereich gilt das genau so. Man darf nicht alles selber machen, sondern muss sich auf das Wesentliche konzentrieren können. Ohne ein stabiles Unterstützernetz und ein flexibles Arbeitsmodell ist das kaum zu schaffen.

die Chefin: Mütter bringen also schon eine Kernkompetenz für Führungsjobs mit?

von Wichert-Nick: Zumindest sollte es als eine Kompetenz anerkannt sein, Kinder zu erziehen und einem Beruf nachzugehen. Es braucht persönliche Unabhängigkeit, Selbstvertrauen und Freude an Herausforderungen. Wer nicht gerne mit vielen Bällen jongliert, wird beides als Belastung empfinden. Natürlich wird es gerade am Anfang der Karriere, als Führungskraft, wie auch als Mutter, Situationen geben, in denen man sich unsicher fühlt und Schwächen überwinden muss. Mit der Zeit wächst dann das Vertrauen in sich und man hat Spaß an immer größeren Herausforderungen.

die Chefin: Hatten Sie nie Zweifel?

von Wichert-Nick: Keine grundsätzlichen. Ich wollte immer Verantwortung übernehmen und gestalten, aber auch Kinder haben – was so weit dann auch nicht auseinander liegt. Und das ist es auch, was ich jungen Frauen rate: Geht nach vorne. Natürlich ist nicht immer alles easy, manchmal muss man auch kämpfen. Dann gilt: sich reinhängen, Augen zu und durch. Wenn Ihr das tut, könnt Ihr mehr als nur Euer Leben gestalten.

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