„Ich verzichte im Van wirklich auf nichts“

Hannelore Fritz in ihrem Van, mit dem die Trainerin beruflich unterwegs ist.

Hanne Fritz bezeichnet sich selbst als Nomadin, die die Bewegung liebt. Seit einem Jahr lebt und arbeitet die Trainerin und Coach im Van. Im Interview erzählt sie, dass weder das Leben noch das Arbeiten im Van begrenzt ist.

Eigentlich wollte Hanne Fritz, die als Coach und Trainerin für Führungskräfte unter anderem zu den Themen Burnout-Prävention, Stress-Management, Team-Management tätig ist, bereits vor Corona unterwegs vom Van arbeiten. Als durch Corona immer wieder Präsenztermine verschoben und letztendlich abgesagt werden, kauft sie sich einen Van, kündigt ihre Wohnung und lagert Sachen bei Freunden und im Storage ein. Ihr Plan: Ein Jahr vom Van arbeiten.Im Fokus: Überall, nur nicht im BüroIm Frühjahr 2022 geht’s los. Ihr Ziel: Dorthin, wo sie Termine hat, denn viele ihrer Kunden wünschen sich wieder Präsenztermine. Sie reist von Jobtermin zu Jobtermin quer durch Deutschland. Station macht sie immer wieder in Hessen. Dort leben Freunde, hier kann sie auch mal Wäsche waschen und ausgiebig duschen. Ihre Homebase aber ist bei Freunden in Norddeutschland, wo sie ein Zimmer hat und Dinge wie Arbeitsmaterialien, Kleidung, Persönliches aufbewahrt.

Und weil sie dem Winter in Deutschland entfliehen möchte, ist sie von November bis Januar in Südeuropa unterwegs. Das Gespräch mit Hanne Fritz fand im Januar 2023 auf Mallorca statt, wo Fritz zu diesem Zeitpunkt Station machte.

“Das Thema Freiheit triggert”

Wir sind der Wandel: Was war Ihre Motivation, in den Van zu ziehen?

Hanne Fritz: Zum einen bin ich eine Nomadin, die die Bewegung liebt. Auch brauche ich zum Leben und Arbeiten nicht viel Raum. Dementsprechend fiel mir der Wechsel von 180 Quadratmetern runter auf acht auch nicht schwer. Ich habe bisher auch nicht das Gefühl, dass ich mich reduziert habe; oder dass ich mich limitiere. Und sogar auf meinen acht Quadratmetern habe ich aktuell Dinge dabei, die ich in Deutschland aus dem Van nehmen werde, da ich sie die ganze Zeit nicht benutzt habe. Ich verzichte im Van wirklich auf nichts.

Zum anderen wollte ich schon lange Coaching in der Natur anbieten, denn hier sind ganz andere Perspektiven möglich. Wer beispielsweise ein Problem lösen möchte, lernt in der Natur schrittweise das Problem und deren Ursache besser verstehen und kann es anschließend leichter lösen. Spielt das Wetter doch einmal nicht mit, weiche ich spontan auf den Van aus.

Wir sind der Wandel: Haben Sie den Van zum Arbeiten aufrüsten müssen?

Fritz: Die Vorbesitzerin arbeitete ebenfalls aus dem Van, dementsprechend verfügte er bereits über eine entsprechende Ausstattung. Da ich aber so autark wie möglich sein wollte, habe ich eine mobile Solaranlage und eine auf dem Dach nachgerüstet. Sind die Batterien nämlich leer, muss ich den Van entweder an eine Stromquelle abschließen – was mich für den Moment an den Standort bindet. Oder ich muss gut 300 Kilometer fahren, damit sich die Batterien wieder aufladen. Ferner habe ich in einen guten Lüfter investiert. An heißen Tagen kann es ansonsten sehr schnell sehr heiß im Inneren werden. Und ich habe mir einen Roller zugelegt, damit ich für kürzere Strecken nicht jedes Mal den Van bewegen muss.

Wir sind der Wandel: Wie haben Ihre Kunden auf den Arbeitsortwechsel reagiert?

Fritz: Sehr positiv. Ich habe auch den Eindruck, dass ich bei einigen mit dem Thema Freiheit auch etwas antrigger. Viele wünschen sich ja bezüglich ihres Arbeitsortes mehr Flexibilität, sind aber aufgrund von Familie oder Jobposition (orts-)gebunden.

“Man muss flexibel, aufgeschlossen und spontan sein”

Wir sind der Wandel: Was machen Sie nach dem Jahr im Van?

Fritz: Ich hatte mir zwar ein Jahr gesetzt, stelle jetzt aber fest, dass ich das Arbeiten aus dem Van beibehalten möchte. Mit dem Unterschied, dass ich mir ein WG-Zimmer zentral in Deutschland suchen werde. Die Homebase oben im Norden ist auf Dauer zu weit weg.

Cover für Überall, nur nicht im BüroWir sind der Wandel: Welche Eigenschaften braucht man für das Arbeiten im Van?

Fritz: Das Leben im Van ist ein ganz anderes. Hier lebt man viel mehr im Hier und Jetzt. Das heißt, man muss flexibel, aufgeschlossen und spontan sein. Ich muss zum Beispiel immer überlegen, was als nächstes kommt: Wo übernachte ich? Wo ist die nächste Entsorgungsstation? Wo sind Einkaufsmöglichkeiten, wo ich auch mit dem Van parken kann? Wo sind Stellplätze? Wenn ich ein berufliches Meeting habe, muss ich die Fahrzeit kalkulieren sowie Eventualitäten einplanen, um pünktlich starten zu können. Auch muss ich prüfen, ob am nächsten Standort ein leistungsstarkes Internet vorhanden ist. Und weil immer auch etwas passieren kann, sollte man nicht ängstlich sein. Ich sage aber immer, solange ich ein Handy und Netz habe, kann ich so gut wie alles lösen.

Wir sind der Wandel: Was ist im Van für Sie die größte Herausforderung?

Fritz: Ich hätte nicht gedacht, dass mir meine engen Freunde so fehlen werden. Natürlich lerne ich unterwegs nette Menschen kennen. Dennoch habe ich das Bedürfnis, mich mit meinen Freunden auszutauschen. Und auch wenn wir länger telefonieren, den persönlichen Austausch ersetzt es auf Dauer nicht.

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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.