Als erstes und einziges deutsches Start-up wurde Kisura.de von Google zum “Google Demo Day” ins Silicon Valley eingeladen. Linh Nguyen, eine der Gründerinnen, erzählt im Interview von dieser exklusiven Reise.
Tanja Bogumil und Linh Nguyen von Kisura.de, der Curated Shopping Plattform von und für Frauen, wurden von Google for Entrepreneurs zum Google Demo Day ins Silicon Valley eingeladen. Aus 800 Start-ups aus 65 Ländern lud Google Anfang November ein Dutzend in Valley ein. Voraussetzung: Mindestens ein Gründer ist weiblich. Ziel der Reise: Vier Tage vor mehr als 250 Investoren pitchen. Der Traum eines jeden Berliner Entrepreneurs!
Frauen haben etwas zu sagen, sie müssen allerdings den Raum erhalten, das auch zu tun! Diesen bieten wir mit unserem Format DIE CHEFIN-TALK.
Hier laden wir Frauen ein, mit uns über ihr Thema zu sprechen.
Die Ratgeber: Was ist der “Google Demo Day”?
Linh Nguyen: Der „Google Demo Day“ ist ein Event unter der Schirmherrschaft von Google for Entrepreneurs. Google selbst ist 1998 als Zwei-Mann-Start-up in einer Garage gestartet und dieser Spirit ist noch immer Kern des Unternehmens. Die Organisation Google for Entrepreneurs wurde daher geschaffen, um die neue Generation von Entrepreneuren mit Programmen, Partnerschaften und Events zu fördern.
Eines dieser Events, das darauf ausgerichtet ist, Start-ups international bekannt und erfolgreich zu machen, ist der „Google Demo Day“. Aus hunderten Bewerbungen werden ein Dutzend Gründer ausgewählt, die für eine eine Woche ins Silicon Valley kommen. Auf dem Programm stehen Coaching-Sessions, Workshops und vor allem Gelegenheiten zum Netzwerken und Feedback sammeln zum eigenen Produkt.
Der eigentliche „Google Demo Day“ ist der Höhepunkt der Reise: Die Start-ups stellen sich in einem vierminütigen Pitch einer Fach-Jury. Im Publikum, hunderte potentielle Investoren. In diesem Jahr wurde der Demo Day zum zweiten Mal auch für Start-ups außerhalb der USA ausgerufen und ebenfalls zum zweiten Mal fokussierte er sich exklusiv auf weibliche Entrepreneure.
“Für Google bedeutet disruptiv, dass das Modell das Potenzial besitzt, etwas Grundlegendes, beispielsweise das Einkaufsverhalten der Menschen, nachhaltig zu verändern.”
Die Ratgeber: Sie waren als einziges deutsches Startup eingeladen. Wie kam es dazu?
Nguyen: Es gab über 800 Bewerbungen aus über 60 Ländern. 12 Kandidaten durften letztlich pitchen. Ein Auswahlkriterium besagt, dass das Team aus mindestens einem weiblichen Mitgründer besteht. Außerdem muss vorzuweisen sein, dass das Geschäftsmodell einen disruptiven Ansatz hat. Für Google bedeutet disruptiv, dass das Modell das Potenzial besitzt, etwas Grundlegendes, beispielsweise das Einkaufsverhalten der Menschen, nachhaltig zu verändern. Kisura ist die neue Form des Einkaufens. Das Modell und die Idee sollten dann letztlich anhand von aussagekräftigen und wachsenden KPIs belegt werden können.
Die Ratgeber: Wie war der Aufenthalt für Sie?
Nguyen: Der Gründungsgeist im Silicon Valley ist beeindruckend und die Aufbruchsstimmung ansteckend. Die Dichte an Talenten und die Bühne, die ihnen geboten wird, und das Kapital, das fließt, ist natürlich noch größer als hierzulande. Von dieser offenen Mentalität kann Berlin noch einiges lernen.
Für uns war diese Bühne der erste Schritt, um unsere Geschichte einem breiten internationalen Publikum erzählen und erste Kontakte ins Silicon Valley knüpfen zu können. Wir haben extrem viel Interesse von Kapitalgebern bekommen – vor allem, weil wir Shopping und Technologie verbinden. Wir sind überzeugt, dass es in der jetzigen Entwicklungsphase vor allem darum gehen wird, dass Technologie ein verbindendes Element darstellt. Aus unserer Sicht, wird es bald keine Unterscheidung in Online und Offline mehr geben.
“Die Investition in die Kundenbeziehung zahlt sich aus.”
Die Ratgeber: Und wie war Ihr Pitch?
Nguyen: Ich habe das Thema „Curated Shopping“ kurz erklärt, indem ich mit einem Mythos aufgeräumt bzw. eine These aufgestellt habe: Frauen lieben Mode und hassen es, shoppen zu gehen. Insbesondere berufstätige Frauen und Mütter.
Wir bieten Frauen den bequemsten Weg, online Mode zu entdecken und zu konsumieren. eCommercce soll vor allem nicht mehr anonym und produktbezogen, sondern individuell, beratungsgetrieben und kundenzentrisch sein. Die Investition in die Kundenbeziehung zahlt sich aus: Vergleicht man den gekauften Warenkorb mit denen von etablierten, Multi-Milliarden-eTailern zeigt sich, dass wir den Industrie-Benchmark um ein Vielfaches übertreffen.
Die Ratgeber: Wie das?
Nguyen: Traditionelle Kaufhäuser haben den Weg ins Curated Shopping zwar gewagt, viele haben dieses Geschäftsfeld aber schnell wieder aufgegeben. Das zeigt deutlich, dass Curated Shopping nicht nur aus einem breiten Warenbestand und dem Verkaufspersonal besteht, sondern daraus, die Beratung über Distanzen hinweg sinnvoll abzuwickeln. Deshalb spielt eine funktionierende technologische Plattform die entscheidende Rolle.
Wir sehen uns ganz klar als Tech-Unternehmen. Alle Schritte entlang der Wertschöpfungskette, vom Sourcing über Fulfillment bis zu den After-Sales, laufen komplett über unsere eigene Technologie. Diese maßgeschneiderten IT-Lösungen ermöglichen uns, fokussiert auf Kundenwünsche einzugehen.
Die Ratgeber: Was war Ihre wertvollste Erfahrung der Reise?
Nguyen: Als Unternehmer muss man das Produkt in seinen Details lieben und jeden Tag an seiner Verbesserung und Optimierung arbeiten. Wir schauen uns daher beispielsweise täglich die Pakete, die unser Haus verlassen an und überlegen uns, wie wir das Paketerlebnis für unsere Kundinnen weiterhin verbessern können. In den USA findet man – das beruht auf eine rein persönliche Wahrnehmung – mehr passionierte Gründer vor (sie haben ein Produkt erschaffen, das ihr eigenes Problem zunächst lösen sollte). Diese Passion, gepaart mit Geduld, macht die US-Gründerszene besonders aus.
In der deutschen Start-up-Szene hat man manchmal das Gefühl, dass Geschwindigkeit auf Kosten von Qualität und damit einhergehend oftmals auch Nachhaltigkeit umgesetzt wird. Ebenso gilt es, sich stetig neu inspirieren zu lassen von neuen Produkten, Innovationen, Technologien. In vielen Fällen lassen sich Analogien finden. Insbesondere analysieren wir im Team Tech- und etail-Erfolgsgeschichten wie beispielsweise UBER, AirBnB, oder Amazon, um Inspiration für den eigenen Fahrplan, aber auch unsere Vision zu generieren. Hierzu hilft der offene Austausch zu anderen Gründern, aber auch Unternehmen aus der „Old Economy“.
Im Valley hatte ich das Gefühl, dass jeder sehr offen erzählt, zugehört und geholfen hat. Das ist wahrscheinlich auch kulturell bedingt. Dieser Art der vertrauensvollen und offenen Kommunikation kann hierzulande sicherlich noch forciert werden.