Immer mehr Schwerbehinderte sind arbeitslos

Hinweisschild Rollstuhlfahrer

Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) mitteilt, waren rund 183.000 schwerbehinderte Menschen ohne Job – sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Damit setzt sich ein besorgniserregender Trend fort.

Die Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Behinderung reagiert zwar weniger stark auf konjunkturelle Schwankungen als bei nicht behinderten Menschen, erklärt die BA. Doch auch hier zeigen sich wirtschaftliche Einflüsse: Im Corona-Jahr 2020 stieg die Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter um fast neun Prozent, sank danach kontinuierlich – bis zur erneuten Trendumkehr 2023.

Laut BA beeinflussen demografische Entwicklungen und gesetzliche Regelungen die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung stärker als die allgemeine Wirtschaftslage. Dennoch trugen auch konjunkturelle Unsicherheiten zum jüngsten Anstieg bei. Zum Vergleich: Die Arbeitslosigkeit unter nicht schwerbehinderten Menschen stieg im selben Zeitraum um sieben Prozent.

Hohe Qualifikation – geringe Chancen

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtEin Blick auf die Altersstruktur zeigt ein weiteres Problem: Fast die Hälfte der arbeitslosen Schwerbehinderten war 2024 älter als 55 Jahre. Bei nicht schwerbehinderten Arbeitslosen lag dieser Anteil bei nur einem Viertel. Ältere Menschen mit Behinderung haben offenbar größere Schwierigkeiten, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen.

Ein bemerkenswertes Detail: 53 Prozent der arbeitslosen Schwerbehinderten haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Bei allen Arbeitslosen liegt dieser Anteil bei 44 Prozent. Trotz ihrer vergleichsweise hohen Qualifikation finden Schwerbehinderte seltener eine neue Stelle.

Langfristige Perspektiven bieten

Daniel Terzenbach, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, sieht hier ungenutztes Potenzial: „Menschen mit Behinderungen bringen vielfach wertvolle Qualifikationen mit und stellen ein gutes – bisher zu wenig genutztes – Potenzial dar. Sie sind nicht selten besser qualifiziert als nicht schwerbehinderte Arbeitslose, dennoch gelingt es ihnen im Vergleich seltener, eine Beschäftigung aufzunehmen.“ Er fordert Unternehmen, Arbeitsagenturen und Jobcenter auf, enger zusammenzuarbeiten, um die Potenziale schwerbehinderter Menschen besser zu nutzen. „Wenn hier alle Beteiligten an einem Strang ziehen, können noch mehr Arbeitgeber erkennen, welches Potenzial in dieser Gruppe steckt.“

Die BA erinnert daran, dass rund 90 Prozent aller Behinderungen durch Krankheiten oder Unfälle im Laufe eines Lebens entstehen. Das zeigt, wie wichtig es sei, Arbeitsplätze inklusiver zu gestalten und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen langfristige Perspektiven zu bieten.


Mehr zum Thema:


Fachkräftemangel als Chance

Angesichts des Fachkräftemangels könnten Menschen mit Schwerbehinderung eine Schlüsselrolle spielen. Die BA sieht darin nicht nur eine soziale, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit: „Inklusion ist kein Akt der Wohltätigkeit, sondern eine Investition in die Zukunftsfähigkeit unseres Arbeitsmarktes“, heißt es in der Mitteilung.

Die BA kündigte an, ihre Programme zur Förderung der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auszubauen und Unternehmen gezielter zu beraten. Auch die Sensibilisierung von Personalverantwortlichen und Führungskräften soll verstärkt werden.

Wir sind der Wandel-Newsletter

Tina Groll

Tina Groll, SPIEGEL-Bestsellerautorin und Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft, konzentriert sich als Autorin von WIR SIND DER WANDEL auf Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren” aus. Ferner ist sie Mitglied im Deutschen Presserat.