Von der Illusion der Sicherheit zur Kunst des Selbstvertrauens: Juliane Rosier zeigt, wie wir unsere Karriere krisenfest machen – und warum Sicherheit keine Gegebenheit, sondern eine Haltung ist.
Es beginnt mit einem vertrauten Bild: Man glaubt, auf festem Boden zu stehen – und plötzlich bricht er weg. Juliane Rosier, Karrierecoach und Expertin für die Arbeitswelt erzählt in „Da kannst du sicher sein“ von einer Frau, die alles richtig gemacht hat: unbefristeter Vertrag, loyal, bleibt im Team. Dann kommt die Insolvenz. Und mit ihr die Erkenntnis, dass vermeintliche Stabilität nichts mehr bedeutet.
Diese Geschichte steht für Millionen Berufstätige, die an die alte Formel glauben: Wer gut arbeitet, ist sicher. Rosier entlarvt diesen Glauben als gefährlichen Mythos. In einer Arbeitswelt, die sich so schnell wandelt wie die Technologie, ist Sicherheit kein Besitz. Sie ist ein Moment. Wer an ihr festhält, verliert.
Sicherheit beginnt im Kopf
Pandemie, KI-Revolution, Energiekrisen, Umstrukturierungen: Kein Jahrzehnt hat so deutlich gezeigt, wie fragil alte Sicherheiten sind. Der Arbeitsplatz, die Karriereleiter, das vertraute Team – alles kann sich in Wochen verändern. Genau hier setzt Rosier an: Wir müssen lernen, mit Unsicherheit zu leben, ohne uns von ihr lähmen zu lassen.
Rosier nimmt ihre Leser:innen mit in den chaotischen Straßenverkehr Balis – hupend, drängelnd, unberechenbar. Ein System ohne feste Regeln, aber mit klarer Logik: Nur wer sich bewegt, kommt voran. Dieses Bild zieht sich durch das ganze Buch. Die moderne Arbeitswelt funktioniert genauso: Wer wartet, verliert. Wer handelt, navigiert.
Mit der Präzision einer Ökonomin und der Empathie einer Coachin erkärt Rosier, warum Unsicherheitskompetenz die Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts ist – die Fähigkeit, handlungsfähig zu bleiben, wenn Gewissheiten schwinden. Nicht Angstfreiheit zählt, sondern Beweglichkeit.
Sieben Strategien für echte Sicherheit
Rosier zeigt, wie unser Bedürfnis nach Kontrolle uns oft blockiert. Menschen verharren in unbefriedigenden Jobs, weil die Angst vor dem Unbekannten größer ist als der Schmerz des Bekannten. Sicherheit wird zur Komfortzone, die Wachstum verhindert, Doch Rosier bleibt nicht bei der Analyse. Sie liefert einen klaren, praxisnahen Fahrplan: Sieben Strategien, die aus Angst Handlung machen – und aus Unsicherheit Selbstwirksamkeit.
Ihre Formel ist einfach: Innere Stabilität schlägt äußere Garantien. Rosier entwirft einen modernen Sicherheitskompass, der auf sieben Prinzipien basiert – jede Strategie eine Antwort auf die Herausforderungen der Arbeitswelt.
- Zukunftsorientierung:
Wer Krisen antizipiert, statt sie zu fürchten, gewinnt Handlungsspielraum. Rosier empfiehlt aktives Szenariodenken: Trends beobachten, Kompetenzen anpassen, Optionen schaffen. - Finanzielle Souveränität:
Unabhängigkeit beginnt beim Kontostand. Rücklagen, Vermögensaufbau und Finanzbildung schaffen Puffer gegen Existenzangst. - Unsicherheitskompetenz:
Akzeptiere, dass Wandel der Normalzustand ist. Lerne, unvollständige Informationen auszuhalten – und trotzdem Entscheidungen zu treffen. - Zuversicht:
Kein naiver Optimismus, sondern psychologische Resilienz. Wer Chancen sieht, handelt mutiger. - Energie und Wohlbefinden:
In Zeiten des Dauerwandels wird Selbstfürsorge zur Überlebensstrategie. Nur wer physisch und mental stabil bleibt, kann kreativ handeln. - Agilität und lebenslanges Lernen:
Kompetenzverfall ist das neue Risiko. Lernen ist kein Projekt, sondern ein permanenter Prozess. - Community Building:
Netzwerke sind die neue Versicherung. Beziehungen geben Halt, wenn Strukturen wanken.
Rosier überträgt das Prinzip der Diversifikation – bekannt aus der Finanzwelt – auf die eigene Karriere. Setze nie alles auf eine Karte. Baue Optionen. Schaffe Spielräume.
Wirtschaft im Umbruch – Menschen im Aufbruch
Rosier beschreibt eine Arbeitswelt, in der Organisationen sich schneller wandeln als ihre Mitarbeitenden. KI-Tools übernehmen Routine, Märkte brechen auf, Berufe verschwinden. Doch sie deutet diese Entwicklung optimistisch: Nicht die Krise ist das Problem – sondern der Glaube, ihr ausgeliefert zu sein.
Sie verweist auf Initiativen wie die Allianz der Chancen, in der deutsche Unternehmen Weiterbildungsprogramme entwickeln, um Beschäftigte fit für den Wandel zu machen. Oder auf den „Future of Jobs Report“ des Weltwirtschaftsforums, der zeigt, dass 39 Prozent der aktuellen Kernfähigkeiten bis 2030 veralten – und zugleich neue Berufsfelder entstehen.
Rosiers Perspektive bleibt dabei offensiv. Sie fordert Selbstverantwortung – nicht als neoliberale Härte, sondern als Quelle von Freiheit. Sicherheit, schreibt sie, entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Kompetenz.
- Gen Z: Ehrgeiz trifft Unsicherheit – und verändert die Arbeitswelt
- Gen Z im Job: Sicherheit gesucht, Wechsel geplant
- Junge setzen in Krisenzeiten auf Sicherheit
- Mikromanagement in der Krise: Wenn Kontrolle zum Risiko wird
- Krise als Chance: Wie Westermann Rückschläge in neue Stärke verwandelte
Der neue Kompass: Zukunftslust statt Zukunftsangst
Am Ende dreht Rosier das Konzept von Sicherheit um. Nicht die Welt muss sicherer werden – wir müssen sicherer in der Welt werden. Ihre Botschaft ist eine Einladung: Wer in sich Stabilität findet, bleibt auch im Sturm ruhig. Sie schreibt: „Du kannst keine Ruhe in den Sturm bringen. Bringe Ruhe in dich, der Sturm zieht vorüber.“
Damit trifft sie den Nerv einer Generation, die zwischen Entlassungswellen, KI-Hypes und Dauerkrisen Orientierung sucht. Ihr Buch ist kein Ratgeber mit Rezepten, sondern ein Weckruf, Verantwortung zu übernehmen – für das eigene Denken, Handeln, Entscheiden. Denn die Zukunft ist kein Ort, den man betritt. Sie ist eine Fähigkeit, die man trainiert.
„Da kannst du sicher sein“ ist ein Buch über Arbeit – und über Haltung. Über die Kunst, in einer unsicheren Welt gelassen zu bleiben, ohne gleichgültig zu werden. Rosier verbindet Ökonomie, Psychologie und Lebenspraxis – analytisch, empathisch, kraftvoll. Ihr Fazit ist einfach, aber radikal: Sicherheit ist kein Versprechen. Sicherheit ist ein Verhalten. Und dieses Verhalten lässt sich lernen.
