Ist der Gender Pay Gap doch kleiner?

Mann und Frau im Cafe

Ist die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen viel kleiner, weil Paare verschweigen, wenn die Frau mehr verdient als der Mann? Das behauptet jedenfalls eine Studie eines Wirtschaftsinstituts.

Die Gehaltsdifferenzen zwischen Männern und Frauen sind kleiner als angenommen. Das behauptet eine Untersuchung des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Universität Basel. Der Grund sei, dass befragte Paare ihre Angaben verfälschten, wenn die Frau mehr als der Mann verdiene. Die Paare machten das, um der Ernährer-Norm zu entsprechen. Die Falschangaben seien dann besonders häufig, wenn die Frau einen geringeren oder gleichen Bildungsgrad hatte oder wenn sie weniger Stunden arbeitete als der Mann, aber dennoch mehr verdiente, so die Studie.

Die Forscherinnen und Forscher verglichen die Einkommensangaben bei einer Umfrage in der Schweiz mit den Daten der befragten Personen aus der amtlichen Statistik. Viele Teilnehmenden gaben an, dass die Frau gerade etwas weniger oder genauso viel verdiene wie ihr Partner. Die Anzahl der Personen, die angaben, dass die Frau mehr verdiene, war deutlich kleiner. Die amtlichen Daten für die gleichen Personen zeigten allerdings, dass für Paare, bei denen die Frau in Wirklichkeit mehr verdiente, die Angaben in Umfragen häufig vom wahren Einkommen abwichen.

Der sozialen Norm entsprechen

Betroffen waren demnach vor allem Befragte, bei denen die Frau deutlich mehr Geld verdiente, aber eine niedrigere formale Bildung als der Mann hatte. Es zeigte sich kein Unterschied zwischen Männern und Frauen bei ihrer Neigung zu falschen Angaben –  die Tendenz, das Einkommen des Mannes überhöht anzugeben, war bei  beiden Geschlechtern vorhanden. Die Motivation war anscheinend, der unterstellten sozialen Norm zu entsprechen.

Aber was folgt daraus? Die Erkenntnis, dass Umfragen zum Thema Lohnlücke unter Umständen einen Bias haben können und der Gender Pay Gap größer dargestellt werden könnte als er ist. Der tatsächliche geschlechtsspezifische Lohnunterschied würde demnach um neun bis 13 Prozent überschätzt, der Gender Pay Gap würde insofern gute elf Prozent betragen. Ob die Untersuchungsergebnisse aber so Eins-zu-eins übertragen werden können, ist unklar. Und unzweifelhaft bleibt für die Forschenden auch: einen Gender Pay Gap gibt es.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.