Jeder zweite Stellenanzeige sucht nach einem Mann

Zwei Männer gehen die Straße entlang

In Stellenanzeigen werden immer noch eher Männer als Frauen gesucht. Der Bias ist dabei oft unbeabsichtigt, so eine Analyse, die das Jobportal Stepstone durchgeführt hat.

Dafür wurde die Sprache von mehr als einer halben Million Jobbeschreibungen in Stellenanzeigen zwischen Dezember 2020 und Mai 2021 ausgewertet. Dabei fiel auf, dass die überwiegende Mehrheit (96 Prozent) geschlechtsspezifische Formulierungen enthielten. Neben der Angabe des Geschlechts der Bewerbenden wurde untersucht, welche Geschlechterstereotypen und stereotypen Zuschreibungen sich in den Texten fanden. Der Satz „Wir suchen eine durchsetzungsstarke Persönlichkeit“ etwa wurde dabei als Beispiel gewertet, von dem sich Männer eher als Frauen angesprochen fühlen – denn das Starksein ist noch immer eine Eigenschaft, die in den Geschlechterklischees eher den Männern zugeschrieben wird und was Männer auch eher für sich beanspruchen.

Dabei handelt es sich aber eher um einen „Unconscious Bias“, also eine unbewusste Annahme oder Reproduktion von Geschlechterstereotypen. Wenn es aber einen starken männlichen Bias in Jobanzeigen gibt, hat das Folgen. Das zeigt auch die geschlechtsspezifische Berufsforschung: Frauen fühlen sich weniger adressiert und bewerben sich häufig erst gar nicht auf solche Jobs. Daher ist es wichtig, dass in Unternehmen ein Bewusstsein besteht und darauf geachtet wird, einen solchen Bias nicht in den Stellenanzeigen entstehen zu lassen.

Der Genderbias-Decoder prüft Stellenanzeigen

Stepstone hat daher einen Genderbias-Decoder veröffentlicht, ein Tool, mit dem Unternehmen ihre Ausschreibungen hinsichtlich eines Bias prüfen lassen können. Die Technologie hinter dem Stepstone Genderbias Decoder erkennt, ob eine Stellenanzeige geschlechtsspezifische Formulierungen enthält und markiert diese, heißt es von Stepstone. Überdies macht das Tool Vorschläge, wie die Jobanzeige alternativ formuliert werden kann.

Das Jobportal hat zudem ermittelt, dass sich 85 Prozent der Menschen, die auf Jobsuche sind, sich nicht bewerben, wenn sie sich von einem Text in dem Stellengesuch nicht angesprochen fühlen. Auch fand man heraus, dass ein besonders starker männlicher Bias in der Finanzbranche, bei Banken, Versicherung und in der Telekommunikation besteht. Weniger ausgeprägt ist dieser in der Hotellerie und Gastronomie sowie in sozialen Berufen. Man kann also zusammenfassen, dass der männliche Bias in den Jobanzeigen auch in eher männlich geprägten Branche höher ist.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.