Der neue „AI at Work“-Report zeigt: 41 Prozent der Fähigkeiten bieten großes Potenzial für KI, doch kein Beruf lässt sich vollständig automatisieren. Menschliche Stärken wie Empathie und Kreativität bleiben unverzichtbar.
Die Angst, dass Künstliche Intelligenz (KI) massenhaft Arbeitsplätze vernichtet, ist weit verbreitet. Doch die Realität ist komplexer. Ein Job besteht nicht aus einer einzigen Aufgabe, sondern aus einer Mischung verschiedener Hard- und Soft-Skills, die KI nicht einfach übernehmen kann. Der neue „AI at Work”-Report von Indeed beleuchtet, wie stark sich Fähigkeiten und Berufe – von der Softwareentwicklung bis zum Handwerk – durch KI verändern könnten. Das Ergebnis: Nur wenige Kompetenzen und kein einziges Berufsfeld lassen sich vollständig automatisieren.
41 Prozent der Fähigkeiten haben Transformationspotenzial
Für die Studie analysierten Indeed-Ökonom:innen fast 2.900 Fähigkeiten nach kognitiven und physischen Anforderungen. Mithilfe von ChatGPT und Claude prüfte sie, wie stark KI diese Fähigkeiten übernehmen kann. Auf Basis von Millionen Stellenausschreibungen in den USA bewerteten sie das Transformationspotenzial von 53 Berufsgruppen. Der US-Markt dient dabei als Frühindikator für die KI-Entwicklung in der westlichen Welt.
Die Ergebnisse zeigen: 40 Prozent der untersuchten Fähigkeiten haben ein hohes Transformationspotenzial, doch nur 0,7 Prozent lassen sich vollständig automatisieren. Rund 41 Prozent der analysierten Kompetenzen könnten theoretisch mit minimaler menschlicher Steuerung auskommen. Gleichzeitig erfordern 40 Prozent weiterhin nur geringe und 19 Prozent unterstützende Eingriffe durch KI – menschliches Zutun bleibt hier unverzichtbar.
Große Unterschiede zwischen den Berufsgruppen
Wie verteilen sich diese Fähigkeiten auf konkrete Jobs? In 26 Prozent der analysierten Stellenanzeigen liegt der Anteil stark transformierbarer Kompetenzen bei 60 Prozent oder mehr. Diese Berufe stehen vor einem großen Wandel. Bei 54 Prozent der Stellen ist der Anteil jedoch deutlich geringer, was auf eine moderate Transformation hindeutet.
Ein Blick auf die 53 Berufsgruppen zeigt deutliche Unterschiede: In der Softwareentwicklung fallen 81 Prozent der typischen Aufgaben – etwa Routine-Code schreiben oder Fehler beheben – in die Kategorie der starken Transformation. KI übernimmt zeitintensive Standardaufgaben, während Entwickler:innen sich auf Steuerung, komplexe Problemlösungen und Qualitätskontrolle konzentrieren. Ähnlich hoch ist das Potenzial in der Datenanalyse (79 Prozent) und Buchhaltung (74 Prozent).
Am anderen Ende stehen Berufe wie Kinderbetreuung und Krankenpflege. Hier gelten nur 21 bzw. 25 Prozent der Fähigkeiten als transformierbar. Während KI physische Präsenz nicht ersetzen kann, lassen sich administrative Aufgaben zumindest teilweise automatisieren. Zwischen diesen Extremen liegen Berufsfelder mit moderatem Potenzial, etwa Einzelhandel (53 Prozent), Tourismus (52 Prozent) oder Bildungswesen (47 Prozent).
Unternehmen und Mitarbeitende müssen handeln
Dr. Annina Hering, Ökonomin und Leiterin der Studie, betont: „Die Debatte um KI darf nicht im Schwarz-Weiß-Denken ‚Jobs weg vs. Jobs gerettet‘ stecken bleiben. Fakt ist, dass KI unsere Arbeitsweise transformieren wird. Aber das bedeutet nicht das Ende der menschlichen Arbeit. Die große Frage lautet stattdessen, welche Arten von Tätigkeiten am stärksten automatisiert werden und welche am wenigsten. Unsere Studie zeigt, dass einige berufliche Fähigkeiten und dazugehörige Berufsgruppen bereits ein erhebliches Transformationspotenzial aufweisen. Das gesamte Ausmaß bleibt jedoch ungewiss und hängt entscheidend von der Entwicklung der moderat transformierbaren Berufe ab, die derzeit mit 54 Prozent die Mehrheit bilden. Sollte ihr Potenzial mit dem technologischen Fortschritt steigen, ist ein umfassenderer Wandel des Arbeitsmarktes wahrscheinlich. Um diese Potenziale zu heben, müssen Unternehmen und ihre Mitarbeitenden aktiv werden. Arbeitnehmende sollten sich ein grundlegendes KI-Verständnis aneignen und Fähigkeiten stärken, die uns menschlich machen – kritisches Denken, Kreativität und Empathie. Wer lernt, KI als Werkzeug zu steuern, statt sie als Konkurrenz zu sehen, kann auch vom Wandel profitieren. Arbeitgeber können die Produktivität steigern, indem sie repetitive Prozesse durch KI weiter automatisieren. Dabei muss einerseits geprüft werden, wo KI die Effizienz steigert. Andererseits muss auch verstanden werden, bei welchen Tätigkeiten auch in Zukunft Menschen benötigt werden, um sie auf neue Aufgaben vorzubereiten und junge Menschen dazu auszubilden.“
- KI-Kompetenzmonitor: Gefragte Fähigkeiten im Überblick
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Für den “AI at Work”-Report analysierten die Ökonom:innen von Indeed unter der Leitung von Dr. Annina Hering 2.884 Arbeitskompetenzen auf ihr Transformationspotenzial durch generative KI. Jede Fähigkeit wurde nach ihrem Bedarf an Problemlösungskompetenz und physischer Präsenz kategorisiert. Anschließend prüften die Forschenden, inwieweit Sprachmodelle wie ChatGPT-4.1 und Claude Sonnet 4 diese Fähigkeiten minimal, unterstützend, hybrid oder vollständig automatisieren können. Die Ergebnisse wurden mit den jeweiligen Anforderungen aus über 53,5 Millionen US-Stellenanzeigen abgeglichen, um den Transformationsgrad der Berufsprofile und des Arbeitsmarktes zu bewerten.

