Nachdem die Wechselbereitschaft während der Corona-Pandemie niedrig und unter dem langjährigen Mittel lag, sind Mitarbeitende nun stärker geneigt, sich beruflich zu verändern.
Beschäftigte in Deutschland erwägen einen Jobwechsel. Das zeigt der EY-Parthenon Loyalitätsindex. Dieser stellt dem Anteil der Beschäftigten, die in den nächsten sechs bis 12 Monaten einen Wechsel des Arbeitgebers beabsichtigen, dem Anteil der Belegschaft gegenüber, der derzeit keinen Wechsel plant. Der Index sank von 100 Punkten im Jahr 2023 deutlich auf 92 Zähler im Frühjahr 2024. Die Studie offenbart damit einen deutlichen Rückgang der Mitarbeiterloyalität seit der letzten Erhebung. Dabei ist die Wechselbereitschaft in den Branchen am höchsten, deren wirtschaftliche Situation aktuell als schlecht wahrgenommen wird. Zentrale Wechselgründe sind dabei das Gehalt und die Arbeitsbedingungen.
Wirtschaftliche Situation beeinflusst die Wechselbereitschaft
Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Beschäftigten, die die wirtschaftliche Situation ihres Arbeitgebers als sehr schlecht einschätzen, erwägen einen Wechsel innerhalb der kommenden sechs bis 12 Monate. In wirtschaftlich prosperierenden Unternehmen denken hingegen nur 19 Prozent der Mitarbeitenden konkret über einen Jobwechsel nach. Insgesamt bewertet jeder sechste Arbeitnehmende (16 Prozent) die wirtschaftliche Situation des eigenen Unternehmens derzeit als schlecht. Fast 70 Prozent der Arbeitnehmenden in wirtschaftlich schwächer wahrgenommenen Unternehmen befürchten unmittelbare negative Konsequenzen für ihren Job – von einer Reduktion der freiwilligen Leistungen bis hin zum Stellenabbau. Die stärksten Einschnitte erwarten Mitarbeitende in den Bereichen Pharma- und Medizintechnik sowie Automobil und Fahrzeugbau.
Die Studie zum Loyalitätsindex wurde von EY-Parthenon im Februar 2024 durchgeführt. Insgesamt wurden 2.515 Beschäftigte im Alter von 18 bis 69 Jahren aus 20 Wirtschaftsbereichen befragt.
Der Loyalitätsindex startete 2023 mit dem Wert 100 und wird regelmäßig aktualisiert. Der Index stellt den Anteil der wechselwilligen Arbeitnehmenden jenem ohne Wechselabsicht gegenüber und misst damit die Bindung der Beschäftigten verschiedener Branchen im Zeitablauf.
In den einzelnen Branchen ist die Mitarbeiterloyalität entsprechend unterschiedlich. Während im Banken- und Versicherungsbereich sowie im Immobilien- und Gebäudewirtschaftssektor die Loyalität aktuell recht hoch ist (Loyalitätsindex 130 bzw. 117), müssen sich unter anderem Pharma- und Medizintechnikunternehmen (Loyalitätsindex von 67), Wirtschafts- und Rechtsberatungen (Loyalitätsindex von 74) und auch Handels- und Konsumgüterunternehmen derzeit auf mehr wechselwillige Arbeitnehmende einstellen. Diese Branchen verzeichnen nicht nur aktuell unterdurchschnittliche Indizes, sondern auch einen starken Rückgang der Arbeitgeberloyalität gegenüber der letzten Messung.
Gehalt und Arbeitsbedingungen sind zentrale Wechselgründe
„In der derzeitigen konjunkturellen Schwächephase ist Personalmangel für viele Unternehmen kein drängendes Problem – unsere Daten zur sinkenden Arbeitgeberloyalität zeigen allerdings, dass sich diese Prioritätenverschiebung schon sehr bald rächen könnte“, sagt Dr. Gregor Enderle, Partner bei EY-Parthenon, und führt fort: „Die Daten zeigen gerade für Unternehmen in schwieriger wirtschaftlicher Lage eine weitere Herausforderung, denn sie sind besonders gefährdet, durch abwanderungswillige Fachkräfte zusätzlich geschwächt zu werden und gegenüber dem Wettbewerb zurückzufallen.“
Bei den Gründen für einen Jobwechsel steht für rund ein Drittel der Befragten das Gehalt klar an erster Stelle. Auffällig ist jedoch: Andere konkrete Vorteile wie z.B. Arbeitszeiten, Urlaub und Weiterentwicklungsmöglichkeiten spielen in Summe für ein weiteres Drittel der Befragten die entscheidende Rolle für den Wechsel und sind damit als Wechselgrund mittlerweile genauso wichtig. Umgekehrt stehen für den Verbleib beim derzeitigen Arbeitgeber oft eher weiche Faktoren im Vordergrund. Zwei von drei Arbeitnehmenden ohne Kündigungsabsicht gaben an, dass ihnen ihre Arbeit gefällt und sie die Kolleginnen und Kollegen nicht verlieren möchten. Viele gehen zudem davon aus, dass ein Wechsel keine echten Vorteile bringen würde. „Gewonnen werden Talente damit über harte Benefits, ans Unternehmen gebunden werden sie allerdings oft über das Umfeld und die Unternehmenskultur“, fasst Enderle zusammen.
Weiterempfehlungsquote des Arbeitgebers bleibt niedrig
Die Weiterempfehlungsquote des eigenen Arbeitgebers, gemessen durch den Net-Promoter-Score (NPS), ist mit einem branchenübergreifenden Wert von -14 weiterhin niedrig und hat sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals um einen Punkt verschlechtert. „Die aktuell schwächere Konjunktur reduziert die Spielräume für Benefits und erhöht den Druck auf die Unternehmen und die Belegschaft; dies spiegelt sich auch in geringen Weiterempfehlungsquoten wider“, so Enderle. Der NPS stellt „Promotoren“, d.h. Mitarbeitenden, die ihren Arbeitgeber auf jeden Fall weiterempfehlen würden, sogenannten „Detraktoren“, d.h. Mitarbeitenden, die dies nicht oder nicht aus vollem Herzen tun würden, gegenüber.
Nur in zwei Branchen überwiegt der Anteil an Promotoren: Während Mitarbeitende in der Internet- und Informationstechnologie oder im Immobilienbereich ihren Arbeitgeber vergleichsweise oft weiterempfehlen (NPS von 10 bzw. 4), weisen alle anderen Branchen eine negative Weiterempfehlungsbilanz auf. Das Schlusslicht bildet die Branche Marketing, PR und Design mit einem NPS von -43; hier würden nur 15 Prozent den aktuellen Arbeitgeber weiterempfehlen gegenüber 58 Prozent, die dies nicht tun würden. Auffallend ist dabei, dass Frauen ihren Arbeitgeber deutlich seltener weiterempfehlen als ihre männlichen Kollegen.