Mehr Zeit für Familie – und den Job

Eltern gehen mit Kind am Arm spazieren

Das hat diese Wochen Debatten in den USA ausgelöst – und ist besser als Eizellen einfrieren: Der Streamingdienst Netflix gibt allen seinen Mitarbeitern die Möglichkeit, ein Jahr voll bezahlt in Elternzeit zu gehen, in voll flexibler Teilzeit oder Vollzeit zurückzukommen oder auch mit Unterbrechung erneut Elternzeit zu nehmen.

Damit ist das US-Unternehmen führend bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Neu ist die Investition in eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht. Zuletzt hatten auch Yahoo, Apple, Facebook und Google bezahlte Elternzeiten eingeführt. Bei Yahoo etwa hatte Konzernchefin Marissa Meyer die Elternzeit 2013 für Mütter auf 16 Wochen ausgedehnt. Väter können seither acht Wochen nehmen. Bei Google bekommen Eltern 18 Wochen frei, Facebook schickt Mütter wie Väter vier Monate in eine bezahlte Elternzeit und Apple ermöglicht seinen Mitarbeiterinnen immerhin 14 Wochen Mutterschutz und Elternzeit, den Vätern sechs Wochen.

Die USA sind, was die Rechte von Müttern und Vätern im Job angeht, allerdings noch in der Steinzeit. Ein Recht auf Mutterschutz (zwölf Wochen und zwar in der Regel unbezahlt) gibt es beispielsweise nur für Mitarbeiterinnen von Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten Anspruch auf zwölf Wochen Urlaub. Sechs Wochen bezahlte Elternzeit gibt es nur für Beamte bei Bundesbehörden und das auch erst seit Beginn dieses Jahres.

Deutschland bei gesetzlicher Elternzeit weit vorn

Deutschland ist da zum Glück weiter, aber auch bei uns muss noch jede Menge getan werden. Das Beispiel von Netflix könnte deshalb auch deutsche Unternehmen inspirieren. Freilich: Hier ist das Elterngeld eine staatliche Leistung. Wer während der Elterngeldmonate Nebenverdienste hat, dem wird das zusätzliche Einkommen auf die Lohnersatzleistung angerechnet. Problematisch ist, dass die Höhe des Elterngeld nur bis maximal 1.800 Euro im Monat bezahlt wird. Die Gehaltseinbußen sind für junge Familien oft deutlich spürbar, sodass sie sich entscheiden, dass der einkommensschwächere Partner die längere Auszeit aus dem Job nimmt. In der Regel ist das die Frau. Dadurch wird eine traditionelle Rollenverteilung indirekt gefördert.

Unternehmen tun gut daran, in Betriebskindergärten zu investieren, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine frühere Rückkehr aus der Babypause zu ermöglichen. Ebenso wirkungsvoll sind flexible vollzeitnahe Arbeitszeitmodelle. Die sind auch für die Männer attraktiv.

An dieser Stelle sei auch auf eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung verwiesen, über die DIE ZEIT in dieser Woche exklusiv berichtet. Die Studie stellt fest, dass Eltern heute viel mehr Zeit bei der Arbeit verbringen – und zugleich auch mehr Zeit für ihre Kinder haben. Dafür kommt alles andere zu kurz. “Väter verbringen weniger Zeit mit Sport, Mütter treffen seltener Freunde als Paare ohne Nachwuchs”, schreibt Elisabeth Niejahr. Gute Arbeitgeber sollten auch vor diesem Hintergrund überlegen, wie sie die Eltern unter ihren Beschäftigten hier besser unterstützen.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.