Mut ist das neue Kapital

Frau schaut vor Hauswand hervor

In „Sie gründet“ zeigen Jessica Turner und Cornelia Biegler, wie Frauen ihre Ideen mutig verwirklichen – mit Haltung statt Perfektion. Ein Arbeitsbuch, das Selbstführung, Führungskompetenz und wirtschaftliche Stärke neu denkt.

Im Fokus Frauen im UmbruchAm Anfang steht oft kein Businessplan, sondern ein Gefühl. Ein Drang, etwas Eigenes zu schaffen – und die Ahnung, dass es anders gehen muss. Doch zwischen Vision und Umsetzung liegt eine Zone, die viele Frauen zögern lässt: Zweifel, Erwartungen, Angst vor dem Scheitern. Genau hier setzt „Sie gründet“ von Jessica Turner und Cornelia Biegler an – ein Arbeitsbuch, das mehr ist als ein Ratgeber. Es dient als Kompass durch die innere und äußere Landschaft des Gründens.

Mut trifft auf Mauern

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtDie Autorinnen kennen das Terrain. Turner, internationale Unternehmerin und Investorin, und Biegler, Designerin und Gründerin, haben selbst erlebt, wie weibliches Gründen oft beginnt: mit Enthusiasmus – und Widerständen. Fehlende Vorbilder, finanzielle Hürden, die Last unbezahlter Care-Arbeit und eine Wirtschaft, die noch immer auf männlich geprägten Erfolgsmustern basiert.

„Viele Frauen kommen gar nicht ins Handeln“, schreiben sie. Nicht, weil es an Ideen mangelt, sondern an Vertrauen – in sich selbst und in Strukturen, die sie tragen könnten. „Sie gründet“ zeigt, dass Erfolg nicht mit Perfektion beginnt, sondern mit einem Schritt – und dem Mut, ihn trotz Angst zu gehen.

Gleich im ersten Kapitel entlarven Turner und Biegler die Illusion vom geraden Weg. Gründen, so sagen sie, bedeutet Scheitern, Lernen, Wachsen. Jessica Turners eigene Geschichte illustriert das: eine gescheiterte Investition, verlorenes Kapital, zerstörtes Vertrauen. Doch aus diesem Buch entsteht die Erkenntnis, die den Ton des Buchs prägt – Wachstum ist kein gerader Weg, sondern ein Prozess der Selbstführung.

Innere Arbeit ist Businessarbeit

Das Buch dreht die Perspektive: Es beginnt nicht mit Marktanalysen, sondern mit Selbstwert, Mut und Fokus. Turner erzählt offen von ihren inneren Mustern – „gut genug sein wollen“, „immer stark für andere“. Sie zeigt, wie diese Glaubenssätze über Erfolg entscheiden, noch bevor das erste Produkt entsteht.

Gründen, heißt es, beginnt im Inneren. Wer nicht weiß, was sie antreibt, wird von äußeren Erwartungen getrieben. „Sie gründet“ führt durch diese Selbstanalyse wie ein mentales Bootcamp: mit Reflexionsfragen, Challenges und klaren Übungen. Das heißt, Gründerinnen sollten ihren Selbstwert nicht an Leistung koppeln, sondern an Haltung. Wer Selbstvertrauen kultiviert, kann klare Grenzen setzen – und nachhaltiger führen.

Dieses Verständnis durchzieht das gesamte Werk. Es ist ein Manifest gegen Selbstausbeutung und für bewusste Selbstführung. Gründung wird hier nicht als Opferakt verstanden, sondern als strategische Selbstermächtigung.

Gründen als kultureller Wandel

Das Buch gliedert sich in drei Teile – mit klarer Dramaturgie:

  1. Analyse von Umfeld und Persönlichkeit: Du schaust um dich und in dich hinein.
  2. Entwicklung von Ideen, Strategie und Haltung: Du entdeckst das Feuer in dir und machst dich bereit.
  3. Umsetzung, Führung, Wachstum: Du zündest die Rakete und hebst ab

In jeder Phase verweben die Autorinnen Wissen, Praxis und emotionale Intelligenz. Sie kombinieren ökonomische Klarheit mit persönlicher Tiefe – und machen „Sie gründet“ zu einem seltenen Buch: Es verbindet Business-Kompetenz mit psychologischer Weitsicht.

Ein wiederkehrendes Motiv ist die Vernetzung. „Ein Netzwerk ist die Schubkraft, die deiner Rakete Extra-Power verleiht“, schreiben Turner und Biegler. Die Gründerin steht hier nicht allein auf dem Startfeld, sondern im Verbund – mit Mentor:innen, Mitstreiter:innen, Rolemodels. Im Buch erzählen Frauen wie Dr. Petra Arends-Paltzer, die sich mit 50 neu erfand und digitale Konferenzen gründete, oder Sylke Mokrus, die als Managerin mit 300 Mitarbeitenden Stärke neu definierte: nicht als Härte, sondern als Haltung. Diese Geschichten geben dem Buch Gewicht. Sie beweisen, dass weibliches Gründen kein Randphänomen ist, sondern ein gesellschaftlicher Hebel.


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Leadership neu gedacht

„Sie gründet“ verschiebt auch das Verständnis von Führung. Management sei notwendig, heißt es – aber Führung sei entscheidend. Führung bedeutet, Menschen zu inspirieren, zu befähigen, zu verbinden. Sie beginnt mit Selbstführung. In Kapitel 10 erinnert Dr. Christiane Gierke: „Niemand gewinnt allein.“ Führung sei kein Kontrollinstrument, sondern die Fähigkeit, Visionen in Richtung und Resonanz zu übersetzen.

Die Autorinnen fordern Gründerinnen auf, ihre Führungstoolbox aktiv zu füllen: Kommunikation, Persönlichkeitsdiagnostik, emotionale Intelligenz. Denn „One size fits all“ funktioniert weder in Mode noch in Leadership.

Erfahrung als Wachstumstreibstoff

Besonders stark wird das Buch, wenn es zeigt, wie persönliche Erfahrung ökonomische Stärke schafft. Jessica Turner erzählt, wie sie nach dem Scheitern lernte, Vertrauen als unternehmerisches Kapital zu begreifen. Cornelia Biegler beschreibt, wie sie als Designerin Mütterlichkeit und Management vereint – und daraus neue Formen der Selbstorganisation ableitet.

Die Lektion: Gründerinnen sind keine Ausnahmefiguren. Sie spiegeln eine Wirtschaft im Wandel – eine Ökonomie, die nicht mehr auf Kontrolle, sondern auf Kooperation baut.

Vom Businessplan zur Bewegung

Am Ende ist „Sie gründet“ kein Gründungsratgeber, sondern ein Stück Kulturarbeit. Es ermutigt Frauen, nicht nur Unternehmen zu gründen, sondern ein neues Verständnis von Wirtschaft. Turner und Biegler schreiben mit Überzeugung: Frauen schaffen keine Kopien bestehender Systeme, sie erfinden neue. Ihre Unternehmen sind Orte der Sinnproduktion – nicht nur der Profitmaximierung.

Das Buch endet mit einem klaren Appell: Mut ist das neue Kapital. Nicht Größe, nicht Geschwindigkeit entscheidet über Erfolg, sondern die Fähigkeit, sich selbst treu zu bleiben – auch, wenn der Sturm von vorn kommt. So wird „Sie gründet“ zum Lehrstück des modernen Unternehmertums: Wer sich selbst führt, kann andere führen. Wer sich selbst vertraut, kann Zukunft gestalten. Und wer sich vernetzt, verändert Systeme.

„Sie gründet“ ist Arbeitsbuch, Mindset-Coach und Mutmach-Manifest zugleich. Es zeigt, dass Gründen kein Wagnis gegen das Leben ist – sondern eine bewusste Form, es zu gestalten. Für Frauen, die mehr wollen als eine Plan: Wirkung.

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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.