Narzissmus im Team kann die Dynamik erheblich stören und das Betriebsklima belasten. Doch wie können Führungskräfte und Kolleg:innen destruktive Verhaltensmuster erkennen und effektiv damit umgehen?
Teamarbeit prägt heute den Arbeitsalltag. Projekte laufen zunehmend interdisziplinär, Hierarchien flachen ab, die Zusammenarbeit wird enger. Dabei zählt nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch das soziale Miteinander. Was aber passiert, wenn ein Teammitglied sich durch übermäßige Ich-Bezogenheit, mangelndes Einfühlungsvermögen und ein auffälliges Bedürfnis nach Bewunderung auszeichnet? Dann liegt der Verdacht nahe, dass narzisstische Persönlichkeitszüge vorliegen – ein Phänomen, das die Teamdynamik erheblich stören kann.
Narzissmus bedeutet mehr als Eitelkeit oder Selbstverliebtheit. Psychologisch beschreibt er ein stabiles Muster aus Gedanken, Gefühlen und Verhalten, geprägt von überhöhtem Selbstwertgefühl, starke Kritikempfindlichkeit und tiefem Anerkennungsbedürfnis. Man unterscheidet gesunde von pathologischen Formen. Ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein und Durchsetzungsstärke kann nützlich sein. Problematisch wird Narzissmus, wenn er starre Strukturen schafft und das soziale Gefüge belastet.
Konstruktive Kritik wird als Angriff gewertet
Im Team zeigt sich Narzissmus oft durch dominantes Auftreten, das zunächst beeindruckt. Narzissten präsentieren sich als leistungsorientiert, ideenreich und selbstsicher – Eigenschaften, die viele Unternehmen schätzen. Doch diese Fassade bröckelt, sobald Kooperation, Kritikfähigkeit oder der Umgang mit Misserfolgen gefragt sind. Narzisstische Kolleg:innen beanspruchen Erfolge für sich und schieben Misserfolge anderen zu. Sie werten konstruktive Kritik als Angriff und reagieren mit übertriebener Rechtfertigung oder subtiler Abwertung des Kritikers.
Das zentrale Problem: Narzisstische Verhaltensmuster entwickeln sich schleichend und bleiben lange unentdeckt. Anfangs wirken Betroffene charmant, ambitioniert und inspirierend. Erst mit der Zeit zeigen sich destruktive Seiten: mangelndes Interesse an den Bedürfnissen anderer, geringe Empathie, starker Kontrollwille und die Tendenz, Rivalität statt Gemeinschaft zu fördern. Teams, in denen solche Persönlichkeitsstrukturen unreflektiert wirken, spalten sich. Sie bilden Lager, Misstrauen wächst und die produktive Zusammenarbeit leidet.
Bei destruktivem Verhalten konsequent intervenieren
Der Umgang mit narzisstischen Kolleg:innen fordert das Team heraus. Mitarbeitende geraten oft in Loyalitätskonflikte: Sie wollen die Harmonie wahren, begegnen aber manipulativem Verhalten und subtilen Machtspielen. Besonders belastend wird es, wenn der Narzisst hohe soziale Intelligenz besitzt und sein Verhalten kaschiert. Betroffene fühlen sich isoliert und unverstanden, weil ihre Kritik ins Leere läuft oder als persönliche Abneigung gilt. Der Schlüssel liegt in kollektiver Beobachtung und Reflexion. Wenn mehrere Teammitglieder ähnliche Erfahrungen machen, sollte sie das ernst nehmen. Offene Gespräche im geschützten Rahmen, moderiert von externen Fachkräften, helfen, Wahrnehmungen abzugleichen und gemeinsame Strategien zu entwickeln.
Führungskräfte tragen eine besondere Verantwortung im Umgang mit narzisstischen Mitarbeitenden. Sie müssen klar wertschätzend kommunizieren. Es reicht nicht, einzelne Symptome zu bekämpfen; sie müssen die Strukturen prüfen, die Narzissmus fördern. Oft belohnen Unternehmen narzisstische Mitarbeitende wegen ihrer scheinbaren Effizienz oder Durchsetzungsstärke, obwohl sie langfristig das Betriebsklima schädigen. Führungskräfte sollten sich von kurzfristigen Erfolgskennzahlen lösen und soziale Kompetenzen stärker gewichten. Sie müssen Grenzen setzen und bei destruktivem Verhalten konsequent eingreifen – etwa durch Feedbackgespräche, klare Zielvereinbarungen oder disziplinarische Maßnahmen.
Narzissten empfinden Hilfsangebote als Kritik
Nicht jeder Narzissmus erfordert Behandlung, doch oft hilft psychologische Unterstützung – besonders wenn Betroffene unter ihren Beziehungsmustern leiden. Im Job kann Coaching sinnvoll sein, das Selbstreflexion und soziale Fähigkeiten fördert. Dabei gilt Vorsicht: Narzissten zeigen oft geringe Einsicht und empfinden Hilfsangebote als Kritik. Deshalb ist es wichtig, eine Vertrauensbasis zu schaffen, auf der Veränderungen möglich werden.
Insgesamt verlangt der Umgang mit Narzissmus im Team Sensibilität, Klarheit und eine starke Teamkultur. Organisationen, die Transparenz, gegenseitigen Respekt und verbindliche Kommunikationsregeln fördern, erkennen und adressieren dysfunktionale Muster besser. Prävention spielt eine ebenso große Rolle wie Intervention. Schon bei der Auswahl neuer Mitarbeitender sollten Unternehmen nicht nur fachliche, sondern auch persönliche Kompetenzen kritisch prüfen. Denn ein funktionierendes Team beruht nicht nur auf Know-how, sondern vor allem auf Vertrauen, Kooperation und gegenseitiger Wertschätzung – Eigenschaften, die mit stark ausgeprägtem Narzissmus selten zusammenpassen.