„Nicht aus einer Sommerlaune heraus gründen“

Doris und Rainer Schuppe vor dem Coworking-Space Rayaworx

Das verflixte siebte Unternehmensjahr haben Doris und Rainer Schuppe letztes Jahr erfolgreich überstanden. Was sie allen raten, die ebenfalls auf Mallorca erfolgreich gründen wollen, erzählt Doris Schuppe im Interview.

Im Februar 2015 mieteten Doris und Rainer Schuppe einen ehemaligen Gemüseladen in Santanyí an, richteten ihn drei Monate ein und eröffneten im Mai 2015 Rayaworx, den ersten Coworking-Space im Südosten Mallorcas. 2018 kaufte das Ehepaar ein Stadthaus gegenüber dem Altstadttor von Santanyí und zog 2019 mit ihrem Coworking-Space dorthin um. Welche Herausforderungen sie bei ihrer Gründung bisher bewältigen mussten, und was sie anderen raten, die ebenfalls auf Mallorca gründen wollen, erzählt Doris Schuppe im Interview.


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Wir sind der Wandel: Was war Ihre Motivation, auf Mallorca zu gründen?

Doris Schuppe: Ich war 2013 hier im Urlaub und hatte ein Problem mit meiner geschäftlichen Webseite. Auf der Suche nach einer guten Internetverbindung stellte ich fest, dass es zwar in Palma Coworking-Spaces gab, in anderen Städten hingegen fehlte ein solches Angebot. Noch auf Mallorca erstellte ich mit meinem Mann ein Konzept für ein Coworking-Space im Südosten der Insel. Für eine realistische Einschätzung bezüglich der Gegebenheiten vor Ort sprachen wir mit langjährigen Mallorca-Residenten.

Wir sind der Wandel: Warum haben Sie sich auf Mallorca für Santanyí als Lebens- und Arbeitsort entschieden?

Schuppe: Zum einen gefiel uns der Ort mit seiner entspannten Atmosphäre sehr gut. Denn Santanyí ist kein klassischer Urlaubsort, der nur von der Saison lebt. Hier findet das ganze Jahr über das Leben statt. Zum anderen sind wir hier von Naturschutzgebieten und schönen Naturstränden umgeben, was eine enorme Lebensqualität bietet.

„Wir haben unseren Umzug ein Jahr lang geplant und vorbereitet“

Wir sind der Wandel: Wie lange haben Sie Ihre Auswanderung vorbereitet?

Schuppe: Wir haben unseren Umzug ein Jahr lang geplant und vorbereitet. In dieser Zeit haben wir beide auch sehr viel gearbeitet, um uns ein gewisses finanzielles Polster anzulegen. Mitte Oktober 2014 sind wir dann in ein angemietetes Haus gezogen, wo wir vier Jahre bis zum Umzug in unser eigenes Haus gewohnt haben.

Da wir nicht wussten, wie sich hier alles entwickelt, und wie wir uns auch als Paar verändern werden, haben wir zu Beginn sowohl die Gewerbefläche als auch das Wohnhaus angemietet und nicht sofort etwas gekauft. Gerade wenn man als Paar einen solchen Neustart wagt, kann das auch immer eine Belastung für die Beziehung sein.

Ferner haben wir beide etwa noch zwei Jahre parallel für deutsche Unternehmen als Selbstständige in unseren Berufen gearbeitet. Was uns aber von Anfang an auch klar war, denn ein neues Business wie unseres ist in der Regel nicht vom ersten Tag an ausgebucht.

Wir sind der Wandel: Sprachen Sie von Anfang an Spanisch?

Schuppe: Ich habe meine Spanischkenntnisse aufgefrischt. Mein Mann musste die Sprache neu lernen, was wir im Vorfeld gemacht haben. Und weil in Santanyí keine Sprachschule in der Nähe war, haben wir über ein Jahr lang regelmäßig mit einer Sprachlehrerin gelernt. Allerdings sprechen die Mallorquiner – besonders hier im ländlichen Raum – Mallorquin. Ob man Spanisch oder Mallorquin lernen sollte, hängt daher davon ab, mit wem man hier viel zu tun haben wird. Wir haben im Coworking-Space viel mit Menschen vom Festland oder Südamerika zu tun, daher sprechen wir Spanisch. Und auch mit unseren mallorquinischen Nachbarn sprechen wir Spanisch.

„Man sollte sich grundsätzlich über die Bedingungen vor Ort gut informieren“

Wir sind der Wandel: Wie sah Ihre Gründungsvorbereitung konkret aus?

Schuppe: Die spanische Bürokratie ist genauso kompliziert wie die deutsche. Im Gegensatz zu Deutschland hat Spanien aber den Service Gestoría geschaffen, den man bei einer Gründung, einem Immobilienkauf, einem Umzug in Anspruch nehmen kann. Das heißt, die Gestoría hilft Bürgern bei der Erledigung von behördlichen Angelegenheiten. Deshalb muss man sich hier nicht zwangsläufig mit dem ganzen Bürokratiedschungel auskennen, sondern kann die Gestoría beauftragen und die übernehmen die notwendigen Schritte. Für uns hat sie die gesamte Firmengründung übernommen und unsere Bankkonten eröffnet. Außerdem hatten wir am Anfang auch dort unsere postalische Anschrift.

Wir sind der Wandel: Was war für Sie bei Ihrer Gründung herausfordernd?

Schuppe: Als wir die Entscheidung getroffen haben, dass Santanyí auch unser beruflicher Standort sein soll, haben wir nach einem Ladenlokal gesucht, was in einem kleinen Ort wie Santanyí herausfordern ist. Viele ehemalige Läden sind mittlerweile Immobilienmaklern und Boutiquen gewichen. Dementsprechend begrenzt sind anzumietende Gewerbeflächen, und so muss man mit dem arbeiten, was da ist.

Wir sind der Wandel-NewsletterFerner muss man wissen, dass Spanien mehr ein Käufermarkt und der Mietermarkt vergleichsweise klein ist. Auch sollte man sich grundsätzlich über die Bedingungen vor Ort gut informieren. Hiesige Gewerbemietverträge zum Beispiel unterscheiden sich von denen in Deutschland. Das heißt, sie laufen in der Regel über drei Jahre. Auch kann es vorkommen, dass Vermieter die Miete für ein Jahr im Voraus haben möchten. Viele wollen auf Nummer sicher gehen und nicht ihrem Geld hinterherlaufen müssen. Außerdem ist man hier für viel mehr verantwortlich. Bei defekten Dingen beispielsweise ist oft die Frage, ob etwas repariert oder ersetzt werden muss. Denn für alle Reparaturen ist hier der Mieter zuständig, für das Ersetzen der Vermieter. Und dabei kann er sich Zeit lassen. Wer also Häuser oder Wohnungen anmietet, die lange Zeit unbewohnt waren, kann am Ende mehr Kosten haben als er vorab eingeplant hat. Das sollte man wissen.

„Wir wollen die Menschen hier in der Gegend vor allem auch miteinander vernetzen“

Wir sind der Wandel: Haben die Nachbarn 2015 das Concept Coworking-Space verstanden?

Schuppe: Das wir irgendetwas mit Technik zu tun haben, haben alle sofort verstanden. Das führte am Anfang zum Beispiel dazu, dass Nachbarn in den Laden kamen, uns ihr Handy entgegenstreckten und fragten, ob wir helfen können. Ein anderer kam mit einer CD vom Arzt und fragte, ob wir die abspielen können. Für deutsche Unternehmen, Touristen und Langzeitmieter hingegen war auch 2015 der Arbeitsort Coworking-Space noch neu.

Wir wollen mit Rayaworx aber nicht nur eine Möglichkeit schaffen, auch abseits von den großen Städten eine technische Infrastruktur zum digitalen Arbeiten zu bieten. Wir wollen die Menschen hier in der Gegend vor allem auch miteinander vernetzen.

Wir sind der Wandel: Ist die deutsche Community hilfreich?

Schuppe: Es gibt hier nicht die eine deutsche Community. Einerseits sind die Unterschiede auf Mallorca zwischen den einzelnen Städten so wie zwischen Hamburg und München. Andererseits werden hier die Entfernungen auch anders bewertet als in Deutschland. Palma und Santanyí zum Beispiel sind gefühlt so weit entfernt wie Hamburg und München. Das heißt, man hat zwischen den Städten keinen intensiven Austausch. Da, wo man sich niederlässt, kann die Community allerdings hilfreich sein. Wie in Deutschland aber auch, steht und fällt die Community mit den Menschen.

„Die Honorare haben hier ein viel niedrigeres Niveau als in Deutschland“

Wir sind der Wandel: Wie wichtig ist es, sein Konzept, sein Business immer wieder zu hinterfragen?

Schuppe: Wir haben uns vorab intensiv mit der Gründung beschäftigt und umfassend informiert. Wir haben durchgespielt, wie wir vor allem finanzielle Krisen meistern können. Und dennoch gibt es Ereignisse, mit denen man einfach nicht rechnet. Die Air Berlin-Pleite 2017 zum Beispiel führte dazu, dass im Winter kaum noch Touristen und Langzeitmieter auf die Insel kamen. Seit 2019 meldet Airbnb dem spanischen Fiskus die Daten von Vermietern, was dazu führte, dass sich der Mietmarkt enorm veränderte, Vermietungen ausblieben und viele ihre Immobilien verkauften. Und nicht zu vergessen die Pandemie 2020 mit der strengen Ausgangssperre. Mit all dem konnte wirklich keiner rechnen. Und auch wenn wir nicht explizit in der Tourismusbranche tätig sind, so spüren wir mit unserem Coworking-Space und der Community die Veränderungen für Tourismus und Langzeitmieter.

Typisch für eine Insel ist der Jobmarkt hier generell überschaubar. Auch die Honorare haben hier ein viel niedrigeres Niveau als in Deutschland. Verlangt eine Fitnesstrainerin in Hamburg 65 Euro pro Stunde verlangen, kann es sein, dass sie hier nur 25 Euro bekommt. Das erschwert das Leben hier. Und so wirklich erholt hat sich die Lage auf der Insel noch immer nicht. Die zu Beginn der Pandemie 2020 auch in Santanyí angebotene Tafel von HOPE Mallorca braucht es leider immer noch.

Deshalb ist es sehr wichtig, das eigene Konzept und sein Business immer wieder zu hinterfragen und an den Anforderungen des Marktes und der Kunden auszurichten.

Wir sind der Wandel: Was raten Sie allen, die auf Mallorca gründen wollen?

Schuppe: Vor allen Dingen: Es nicht aus einer Sommerlaune heraus zu tun, sowie die hiesigen Verdienstmöglichkeiten mit Hilfe von Branchenkollegen vor Ort realistisch einzuschätzen.

Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.