Ost und West: Gleiche Wünsche, unterschiedliche Motive

Gruppe von Personen auf der Straße

Mehr Freizeit statt Mehrarbeit: Der XING-Arbeitsmarktreport 2025 zeigt, wie Beschäftigte im Osten stärker aufs Geld schauen, während im Westen Lebensqualität und Flexibilität im Vordergrund stehen.

Vor über 35 Jahren fiel die Mauer zwischen West- und Ostdeutschland. Seitdem sind die Arbeitswelten beider Regionen enger zusammengewachsen. Der XING-Arbeitsmarktreport 2025 zeigt jedoch Unterschiede: Über zwei Drittel der Beschäftigten in den neuen Bundesländern (68 Prozent) halten Mehrarbeit für den Wohlstandserhalt nicht für nötig – im Westen sind es 63 Prozent.

Finanzielle Aspekte spielen im Osten eine größere Rolle, wenn es um freiwillige Mehrarbeit oder Arbeitszeitverkürzung geht. Für den Report befragte das Marktforschungsinstitut Appinio im Auftrag von XING 2.000 Beschäftigte zwischen 18 und 65 Jahren in einer repräsentativen Erhebung.

Finanzielle Motive im Osten stärker

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtRund die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland vereint Beruf und Privatleben gut. 56 Prozent sind mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden oder sehr zufrieden (2024: 52 Prozent). Besonders erfreulich: In den neuen Bundesländern stieg die Zufriedenheit von 48 Prozent im Vorjahr auf 54 Prozent (alte Bundesländer: 57 Prozent). Die Mehrheit möchte daran nichts ändern. Mehrarbeit lehnen 62 Prozent der Beschäftigten im Osten und 60 Prozent im Westen ab. Stattdessen wünschen sich 69 Prozent im Osten und 66 Prozent im Westen kürzere Arbeitszeiten. Die Gründe variieren: Im Westen nennen 64 Prozent mehr Zeit für sich und Hobbys, im Osten 56 Prozent. Stress ist ebenfalls ein Thema: 60 Prozent der Beschäftigten im Westen und 52 Prozent im Osten würden wegen Stress gerne weniger arbeiten.

Auch über die eigene Situation hinaus sehen viele Beschäftigte keinen Bedarf für Mehrarbeit. Zwei Drittel der Ostdeutschen (68 Prozent) halten sie für den Wohlstandserhalt nicht notwendig (Westen: 63 Prozent). „Die Beschäftigten haben eine ganz klare Antwort auf die derzeitige politische Diskussion: Sie lehnen Mehrarbeit für sich persönlich ab und halten sie auch aus volkswirtschaftlichen Gründen für nicht notwendig. Hier müssen wir als Gesellschaft sozialverträgliche und flexible Lösungen finden. Das fängt bei der Gesetzgebung an, hört dort aber noch lange nicht auf“, sagt Thomas Kindler, Managing Director von XING.

Dennoch lehnen 40 Prozent der Befragten Mehrarbeit nicht kategorisch ab. Als Anreize nennen sie vor allem Bonuszahlungen (49 Prozent), höhere Zuschläge (46 Prozent) und zusätzliche Urlaubstage (45 Prozent; 2024: 40 Prozent). Freizeit ist im Osten ein stärkerer Anreiz (50 Prozent) als im Westen (44 Prozent). Flexible Arbeitszeiten hingegen kommen im Westen besser an (25 Prozent) als im Osten (21 Prozent).


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Einkommensunterschiede zwischen Ost und West

Fragt man die 40 Prozent, die zu Mehrarbeit bereit wären, nach ihren Gründen, zeigt sich ein deutliches Gefälle: 82 Prozent der Ostdeutschen geben an, das Geld zu brauchen, im Westen sind es 66 Prozent. Ähnlich verhält es sich bei der Frage, warum Beschäftigte ihre Arbeitszeit nicht reduzieren: 74 Prozent im Osten sagen, sie könnten es sich finanziell nicht leisten, im Westen sind es 55 Prozent. Dort nennen hingegen 58 Prozent die Freude an der Arbeit als Grund, im Osten nur 47 Prozent.

Auch bei der Attraktivität von Arbeitgebern spielt Geld im Osten eine größere Rolle. Gute Entlohnung (Osten: 44 Prozent, Westen: 49 Prozent) und Bonuszahlungen (Osten: 46 Prozent, Westen: 42 Prozent) sind dort entscheidender. Grund dafür ist, dass Beschäftigte im Osten laut Bertelsmann Stiftung weiterhin rund 16 Prozent weniger verdienen als im Westen.

Wirtschaftliche Lage prägt den Arbeitsalltag

Beim Blick auf die Chancen am Arbeitsmarkt überwiegt Pessimismus: 59 Prozent der Beschäftigten halten es für schwierig, einen neuen Job zu finden (2024: 58 Prozent). Im Westen schätzen 59 Prozent die Lage so ein, im Osten 61 Prozent. Der Fachkräftemangel trifft den Osten stärker: 41 Prozent der Unternehmen dort finden schwerer passende Mitarbeitende, im Westen sind es 37 Prozent.

„Ost und West rücken näher zusammen“, sagt Kindler. „Wo es Unterschiede gibt, sind sie handfest: Geld wirkt in den neuen Bundesländern stärker, der Wunsch nach Flexibilität und hoher Lebensqualität ist in den westlichen Bundesländern auf höherem Niveau stärker ausgeprägt. Wer dem Fachkräftemangel begegnen will, gewinnt mit zielgenauen Angeboten, die den jeweiligen Bedürfnissen entgegenkommen.“

Für den XING-Arbeitsmarktreport 2025 befragte Appinio im Juli 2025 insgesamt 3.500 Angestellte in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz sowie 600 Personaler und Recruiter. Die Erhebung erfolgte online und repräsentativ nach Alter und Geschlecht.

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