Pingpong-Verbot im Keller: Wie Karl Lauterbach sein letztes Match verlor

Ball fliegt über Tischtennisplatte

Tischtennis als Minister-Hobby? Für Karl Lauterbach bedeutete das nächtliche Spiel im Keller des Gesundheitsministeriums mehr als bloßen Zeitvertreib – es war Entspannung, Ausdruck, Statement. Doch damit ist es vorbei. Die neue Ministerin Nina Warken untersagt das Spiel.

Es war einmal ein Gesundheitsminister, der Harvard kannte, Viren fürchtete und Zellteilung erklärte wie andere das Wetter. Karl Lauterbach, der ewige Mahner mit der Fliege, hatte eine Leidenschaft, die so gar nicht nach Pandemie klang: Tischtennis. Nicht im Bundestag, nicht im Park, sondern – wie es sich für einen Minister mit Stil gehört – im Keller des Bundesgesundheitsministeriums. Dort, wo Akten verstauben und Neonröhren flackern, drosch der Professor auf Zelluloidbälle ein. Ein sportlicher Ausgleich, ein bisschen Bewegung, ein bisschen Ping, ein bisschen Pong.

Doch nun ist Schluss. Aus. Vorbei. Die neue Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU), Juristin und gesundheitspolitisch unerfahren, hat dem Ex-Minister das nächtliche Spiel untersagt. Die Sondererlaubnis, die ihm nach dem Machtwechsel im Februar 2025 noch gewährt wurde, ist gestrichen. Ohne Begründung. Einfach so. Lauterbach, der sich selbst als „niemanden störend“ beschreibt, steht vor verschlossenen Kellertüren – und die Republik fragt sich: Warum?

Die Neue räumt auf

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtNatürlich könnte man sagen: Regeln sind Regeln. Der Keller ist kein Vereinsheim. Und ein Ministerium kein Freizeitpark. Aber so einfach ist es nicht. Denn Tischtennis ist mehr als ein Spiel. Es steht für Ausgleich, Reaktion, Präzision – für das, was Politik sein sollte: ein fairer Schlagabtausch. Genau das scheint Nina Warken nicht zu wollen.

Vielleicht will sie Distanz schaffen. Einem klaren Bruch mit der Ära Lauterbach, der das Ministerium mit wissenschaftlicher Gravitas und Talkshow-Präsenz prägte. Vielleicht sendet sie ein Signal an die eigene Partei: Seht her, ich räume auf. Keine Sonderrechte mehr für die alten Eliten. Kein Harvard-Flair im Keller.

Oder sie missversteht Macht. Wer einem 62-jährigen Ex-Minister das Tischtennisspielen verbietet, weil er „zu spät“ spielt, zeigt nicht Stärke, sondern Kleinlichkeit. Lauterbach spielte nicht im Plenarsaal, sondern im Keller. Er störte niemanden, nicht einmal die BKA-Beamten, die ihn begleiteten. Und die Tischtennisplatte? Ein Geschenk seiner Mitarbeitenden zum 60. Geburtstag – ein Symbol der Wertschätzung, das nun im Abstellraum verstaubt.


Mehr zum Thema:


Gesundheit steckt nicht nur in Paragrafen

Dabei wäre gerade jetzt ein bisschen Pingpong im Ministerium angebracht. Die Herausforderungen sind gewaltig: eine alternde Gesellschaft, explodierende Gesundheitskosten, eine Ärzteschaft, die sich verweigert, und Apotheken, die sich wie Weltmeister im Rückhandspiel gegen jede Reform wehren. Wer da nicht schnell reagiert, wer den Spin des Gegners nicht erkennt, verliert. Und zwar nicht nur Punkte, sondern Vertrauen.

Viele Unternehmen haben es längst erkannt: Tischtennis im Büro ist kein Luxus, sondern Teil moderner Gesundheitsförderung. Es fördert Konzentration, Koordination, Kommunikation. Es ist wetterunabhängig, teamunabhängig – und vor allem: gesund. Dass ausgerechnet das Gesundheitsministerium diesen Trend ignoriert, wirkt wie ein Rückschritt in die Amtsstuben der 80er.

Und Lauterbach? Der reagiert mit Enttäuschung und Großmut. Er will die Tischtennisplatte dem Ministerium schenken. Ein letzter Aufschlag, ein symbolischer Topspin. Vielleicht wird sie eines Tages wieder genutzt – von einer Ministerin, die erkennt, dass Gesundheit nicht nur in Paragrafen steckt, sondern auch in Bewegung.

Bis dahin bleibt dem Ex-Minister nur der Weg in den Verein. Oder in den Park. Oder in die Glosse. Denn manchmal ist Politik eben doch ein Spiel. Und manchmal entscheidet nicht der bessere Spieler, sondern der mit dem Schlüssel zum Keller.

Wir sind der Wandel-Newsletter

Tina Groll

Tina Groll, SPIEGEL-Bestsellerautorin und Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft, konzentriert sich als Autorin von WIR SIND DER WANDEL auf Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren” aus. Ferner ist sie Mitglied im Deutschen Presserat.