Eine aktuelle Studie zeigt alarmierende Zahlen: Jede vierte psychisch erkrankte Frau bleibt unbehandelt, während dies bei Männern nur 15 Prozent betrifft. Finanzielle Unsicherheit belastet Frauen dabei stärker als Männer, und auch das Stresslevel ist bei ihnen höher.
Rund 37 Prozent der Frauen und 31 Prozent der Männer berichten, aktuell an Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, Zwangsneurosen oder anderen psychischen Erkrankungen zu leiden. Bereits im Vorjahr bezeichneten sich mehr Frauen (33 Prozent) als Männer (28 Prozent) als psychisch erkrankt. Die Betroffenheit stieg bei beiden Geschlechtern ähnlich an. Männer leiden am häufigsten unter Depressionen (37 Prozent), während Frauen häufiger Angststörungen (38 Prozent) angeben. Drogenmissbrauch beeinträchtigt hingegen mehr Männer (12 Prozent) als Frauen (5 Prozent). Diese Ergebnisse liefert der fünfte AXA Mental Health Report, basierend auf einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos in Deutschland und 15 weiteren Ländern.
Frauen fühlen sich informiert, doch viele bleiben unbehandelt
Frauen schätzen sich besser informiert ein, was bei psychischen Erkrankungen zu tun ist: 70 Prozent der Frauen, aber nur 63 Prozent der Männer geben an, gut Bescheid zu wissen. Dennoch bleibt jede vierte betroffene Frau (24 Prozent) unbehandelt, während dies bei Männern nur 15 Prozent betrifft.
„Die Diskrepanz zwischen dem Wissen zu möglicher Hilfe und tatsächlicher Inanspruchnahme von Behandlungsmöglichkeiten bei Frauen ist alarmierend. Die Hemmschwelle, sich mit der eigenen Genesung auseinanderzusetzen, ist laut der Befragung bei Frauen noch einmal höher. Der Heilungsprozess bei psychischen Erkrankungen erfordert zusätzlichen Aufwand von Kraft und Energie, Ressourcen die vielen Frauen in ihrem herausfordernden Alltag fehlen“, sagt Dr. Petra Rodenbücher, Betriebsärztin bei AXA Deutschland.
Finanzielle Unsicherheit belastet Frauen stärker
Die Umfrage zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei den Faktoren, die das mentale Wohlbefinden beeinflussen. Finanzielle Unsicherheit und Jobängste belasten 45 Prozent der Frauen, aber nur 36 Prozent der Männer. Auch die Ungewissheit über die Zukunft in einer sich schnell verändernden Welt wirkt sich stärker auf Frauen aus: 50 Prozent der Frauen, aber nur 41 Prozent der Männer, empfinden dies als Belastung.
Frauen berichten von einem höheren Stresslevel als Männer. Auf einer Skala von eins bis zehn liegt der Durchschnitt bei Frauen bei 5,8, bei Männern bei 4,9. Berufstätige Frauen erreichen sogar einen Wert von 6,0, während berufstätige Männer bei 5,4 liegen. Während das Stresslevel der Frauen unverändert hoch bleibt, ist es bei Männern im Vergleich zum Vorjahr (5,3) gesunken.
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Dauerstress stellt ein enormes gesundheitliches Risiko dar
„Stress hat grundsätzlich keinen Krankheitswert. Chronifizierte Stressreaktionen, also Dauerstress, stellen aber ein enormes gesundheitliches Risiko dar. Wir müssen deshalb für regelmäßige Phasen der Entspannung und Regeneration sorgen, besonders in Phasen von länger andauernden hohen Anforderungen, um physisch und psychisch gesund zu bleiben und zum Beispiel einer sogenannten Stressdepression vorzubeugen“, erklärt Rodenbücher.
Auch andere Anzeichen psychischer Belastung treten bei Frauen häufiger auf: 69 Prozent der Frauen, aber nur 57 Prozent der Männer, berichten, in den letzten vier Wochen schwer zur Ruhe gekommen zu sein. 64 Prozent der Frauen und 53 Prozent der Männer geben an, zu Überreaktionen geneigt zu haben. Zudem sagen 43 Prozent der Frauen, sie seien in den vergangenen Wochen nah an einer Panikattacke gewesen – bei Männern sind es 35 Prozent. Trotz dieser Belastungen stimmen 48 Prozent der Frauen der Aussage zu: „Mit Blick auf meine Stärken und Schwächen bin ich mit mir selbst zufrieden.“ Bei Männern liegt die Zustimmung mit 58 Prozent höher.
Frauen in den Wechseljahren vertrauen dem Gesundheitssystem weniger
Frauen in den Wechseljahren zeigen weniger Vertrauen in das deutsche Gesundheitssystem bei psychischer Erkrankungen. Nur 23 Prozent der 45- bis 54-jährigen Frauen glauben, dass das öffentliche Gesundheitssystem zeitnah Unterstützung bietet. Zum Vergleich: Bei Frauen unter 25 Jahren liegt die Zustimmung bei 40 Prozent. Auch das Vertrauen in Freunde und Familie ist in dieser Altersgruppe geringer. Nur 55 Prozent der 35- bis 44-jährigen Frauen und 56 Prozent der 45- bis 54-Jährigen vertrauen darauf, dass ihr Umfeld sie bei psychischen Problemen unterstützt. Unter allen Frauen lieg die Zustimmung bei 61 Prozent. Die Studie zeigt zudem, dass Frauen zwischen 35 und 44 Jahren Wissenslücken bei der Inanspruchnahme konkreter Hilfsangebote haben. Nur 51 Prozent dieser Altersgruppe wissen, wie sie im Ernstfall Hilfe erhalten könnten.
Für den AXA Mental Health Report befragte das Meinungsforschungsinstitut Ipsos vom 8. Oktober bis 11. November 2024 online 2.000 Personen zwischen 18 und 75 Jahren in Deutschland. Die Ergebnisse sind repräsentativ und wurden in 15 weiteren Ländern erhoben. Der Report erscheint zum fünften Mal und beleuchtet den mentalen Gesundheitszustand der Bevölkerung sowie mögliche Risiken.