Quiet Quitting führt in Unternehmen zu Konflikten. Um Schäden zu vermeiden, muss man es aber überhaupt erkennen. Denn Quiet Quitting findet im Stillen statt.
Ein Gastbeitrag von Stephanie Huber
Seit einiger Zeit hört und liest man von Quiet Quitting. Manche setzen den Begriff mit innerer Kündigung gleich, andere sehen darin eine abgewandelte Bedeutung, die mit dem Wandel der Arbeitswelt zusammenhängt. Statt lange über den Begriff zu diskutieren, konzentriere ich mich hier auf die wesentlichen Aspekte von Quiet Quitting: Wie führt es zu Problemen und Konflikten? Und wie können Führungskräfte dieses oft unterschwellige Phänomen erkennen und klären? So arbeiten wir zielgerichtet an Lösungen, statt das Problem in den Vordergrund zu stellen.
In meiner Praxis als Konfliktmanagerin und Mediatorin erlebe ich zunehmend, dass Mitarbeitende und sogar Führungskräfte unbemerkt zu Quiet Quittern werden. Früher hätte man gesagt, sie verhalten sich wie beleidigte Leberwürste. Doch so lapidar möchte ich es nicht ausdrücken, denn Quiet Quitting verursacht in Unternehmen enorme Schäden, nicht nur finanziell. Jedenfalls dann, wenn es nicht erkannt und abgewandt wird. Als Konfliktmanagerin und Mediatorin unterscheide ich zwischen bewusster und unbewusster innerer Kündigung, auch Quiet Qutting genannt.
So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich
Die bewusste innere Kündigung geschieht aus meiner Sicht mit Vorsatz. Betroffene entscheiden sich aufgrund von Verletzungen, die wie Angriffe empfunden werden, sich innerlich zurückzuziehen und fortan nur noch Dienst nach Vorschrift zu machen. Oder anders ausgedrückt: Sie machen so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich. Die unbewusste innere Kündigung kommt aus meiner Sicht viel häufiger vor. Unbewusst bedeutet, die Betroffenen (und ihr Umfeld) bemerken den Zustand oft selbst nicht oder zu spät. In beiden Fällen ist die Ursache dieselbe: Die Betroffenen ziehen sich aufgrund von Verletzungen, die sie fühlen, zurück. Das Fatale daran ist, dass es sich in der Regel um einen schleichenden Prozess handelt, der oft nicht erkannt wird. Weder vom Betroffenen noch vom Umfeld.
Meine Erfahrungen zeigen, dass Sanktionen, Abmahnungen oder eine schlechte Behandlung über längere Zeit Ursache für eine unbemerkte innere Kündigung sind. Betroffene fühlen sich weder gehört noch verstanden, sie spüren die Verletzungen. Und weil Gefühle intransparent sind, können sie auch nur von demjenigen gefühlt werden, der sie hat. Und auch wenn eine andere Person wahrscheinlich nicht dasselbe fühlt, ist sie trotzdem nicht machtlos.
Wie geht man mit Quiet Quittern um?
Bewährt hat sich, sich Betroffenen zuzuwenden und ihnen zuzuhören. Denn durch Verständnis gewinnt man Vertrauen. Kennt man Betroffene und betriebliche Abläufe jedoch zu gut, kann man betriebsblind sein und daher die Nuancen nicht erkennen, die Auslöser für die innere Kündigung sind. Dann ist es sinnvoll, externe Expert:innen hinzuzuziehen. Diesen neutralen und unbeteiligten Dritten können sich Quiet Quitter oft besser und schneller öffnen. Vor allem dann, wenn diese zum Schweigen verpflichtet sind.
Stephanie Huber, Gründerin und Geschäftsführerin von konSENSation, vermittelt als Mediatorin in Wirtschaftsfragen und Konflikten. Sie unterstützt vor allem Unternehmen und deren Führungskräfte, die durch gezielte Kommunikation Lösungen finden wollen.
Und weil es nicht immer einfach ist, den Kernkonflikt herauszudestillieren, braucht es eine Person, die die richtigen Fragen stellt und so den Bewältigungsprozess in die Tiefe lenkt. Denn jede Verletzung wird von den Betroffenen wie der berühmte Tropfen in ein Fass empfunden. Doch bei einem Quiet Quitter läuft das Fass nicht über, er zieht sich unbemerkt zurück. Hier hilft dann nur noch ein guter Zuhörer, bei dem er all das, was ihn belastet, also Tropfen für Tropfen, loswerden kann. So erkennt er, was mit ihm los ist. Und so findet er aus seiner isolierten Rolle heraus.
Schritte aus dem Quiet Quitting
Es ist keine Schande, wenn man erkennt, dass man unbewusst in eine innere Kündigung geschlittert ist. Es ist jedoch verheerend, wenn man sich dem nicht stellt. Denn dann droht über kurz oder lang eine Kündigung im Außen. Haben Betroffene erkannt, dass sie sich zurückgezogen haben, ist der nächste Schritt, die Ursache dafür zu finden und sie zu eliminieren bzw. zu klären. Dafür braucht es das interpersonelle Miteinander, denn so lernen die Kolleg:innen, mehr aufeinander zu achten und sensibler miteinander umzugehen.
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Für Quiet Quitter ist dieser interpersonelle Austausch enorm wichtig, denn sie wollen weder ihrem Unternehmen noch ihren Kolleg:innen schaden. Sie lösen mit der inneren Kündigung lediglich eine für sie belastende Situation, weil sie keinen anderen Lösungsansatz für sich erkennen. Das Gute an diesen oftmals belastenden Situationen: Sie sind Auslöser für notwendige Veränderungen und wirken oft wahre Wunder für die Teambildung. Denn jedes Problem, das gemeinsam gelöst wird, schafft Vertrauen. Und durch Vertrauen schafft man Verständnis.
Während meiner Ausbildungen haben ich gelernt: „Nur der Kunde, der reklamiert, will wiederkommen. Wer nicht reklamiert, kommt nicht wieder.“ Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das auch bei Quit Quittern gilt. Nur die, die im Unternehmen bleiben wollen, kündigen innerlich. Alle anderen kündigen und gehen. Führungskräfte haben also eine reelle Chance, Quit Quitter im Unternehmen zu halten. Vorausgesetzt, das Problem hinter dem Problem, also der Kernkonflikt, wird geklärt.