Riester, aber reformiert

Blick hoch zu Hochhäusern

Die Riester-Rente gilt als teuer, unrentabel, viel zu kompliziert. Nun soll die private Altersvorsorge reformiert werden. Aber was bringt das?

Die staatlich geförderte private Altersvorsorge gilt schon lange als gescheitert. Es gibt kaum noch Menschen in Deutschland, die einen Riester-Vertrag abschließen. Im Grunde kann man froh sein, dass von den gut 15,9 Millionen Riester-Verträgen in Deutschland nicht fast alle gekündigt wurden.

Künftig soll es anders werden: Die Bürgerinnen und Bürger sollen neue Möglichkeiten bekommen, privat fürs Alter vorsorgen zu können und dabei staatlich gefördert zu werden. So hatten es SPD, FDP und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen. Nun liegen erste Vorschläge auf dem Tisch. Dafür hat eine Expertenkommission, paritätisch besetzt aus Arbeitgebern, Gewerkschaften, Versicherungswirtschaft, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Finanzexpertinnen und Finanzstrategen, in den vergangenen Monaten hinter verschlossenen Türen im Bundesfinanzministerium unter der Leitung von Finanz-Staatssekretär Florian Toncar getagt. Herausgekommen ist ein 132 Seiten langer Bericht, der nun vorgestellt wurde. Dabei hat sich die Expertengruppe nicht nur mit der Zukunft der Riester-Rente beschäftigt, sondern generell mit der Frage, wie private Altersvorsorge attraktiver, bezahlbarer und transparenter werden kann. Und welche Formen der staatlichen Förderung sinnvoll sind.

Gebühren fressen Kapital auf

Cover für Überall, nur nicht im BüroDie Expertinnen und Experten sprechen sich in dem Gutachten für ein effizientes Vorsorgeangebot aus, das auch Menschen mit geringem Einkommen die Möglichkeit für eine private Rentenversicherung gibt. Junge Menschen, Personen mit wenig Geld sowie Eltern sollen über ergänzende Zulagen besonders gefördert werden. Zugleich sollen, anders als bei den heutigen Riester-Renten, die Produkt- und Bürokratieanforderungen deutlich vereinfacht werden – was Versicherten mehr Transparenz geben würde. So wären Produkte einfacher miteinander zu vergleichen sowie auch zu erkennen, wenn eines besonders teuer und wenig rentabel ist. Außerdem sollen künftig vor allem die Kosten reduziert werden.

Denn heute ist es oft so, dass viele private Rentenversicherungen teure Verwaltungsgebühren haben. Die Anbieter verdienen dabei oft auskömmlich, bei den Versicherungsnehmenden kommt am Ende wenig raus, weil das angesparte Geld zum Teil von den Gebühren aufgefressen wird. Erst Recht, wenn das eingezahlte Kapital wenig abwirft und die Zinsen niedrig sind.

Staatlich gefördert zocken

Ein großes Problem ist heute zudem, dass man nach Abschluss eines Produkts meist nur sehr schwer wechseln kann. Im schlimmsten Fall müssen gezahlte Zulagen erstattet werden und es fallen hohe Gebühren an. Die Expertinnen und Experten schlagen daher vor, dass die Menschen in Zukunft einfacher zwischen den Verträgen wechseln können und der Wettbewerb zwischen den Anbietern gestärkt werden soll. Das könnte Schwung in den Markt bringen.

Zugleich spricht sich die Expertengruppe aber auch für eher umstrittene Änderungen aus: Zum Beispiel soll es möglich werden, dass man sich auch für private Altersvorsorgeprodukte entscheiden kann, die riskanter sind, aber höhere Renditen versprechen. Dann würden zum Beispiel nicht mehr alle eingezahlten Beiträge mit einer Garantie abgesichert, sondern nur ein prozentualer Anteil. Man könnte quasi staatlich gefördert mit der privaten Vorsorge zocken. Verbraucherschützer lehnen dies ab.

Hier mehr Zwang, da mehr Flexibilität

Wir sind der Wandel-NewsletterZu den Vorschlägen gehört auch ein Altersvorsorgedepot, bei dem das Geld zum Beispiel in börsengehandelten Indexfonds (ETFs) angelegt wird. Eine staatliche Förderung soll es aber nur geben, wenn man das Depot bis zur Rente führt. Ob das die Menschen bei der Stange hält, bleibt abzuwarten. Von den knapp 16 Millionen Riester-Verträgen wird ein Fünftel nicht mehr bespart. Auch haben viele ihre Riester-Rente bereits gekündigt.

Flexibler soll immerhin die Auszahlphase werden. Heute muss man sich meist zwischen einer Einmalzahlung zum Rentenentritt, spätestens aber ab dem 85. Lebensjahr, oder einer monatlichen Zahlung entscheiden. Bei nur wenigen Produkten kann man noch flexibler wählen. Für höher Betagte ist es sicherlich gut, wenn sie freier wählen können, wann sie ihr Kapital ausgezahlt bekommen.

Aus der einstigen Idee der Aktienrente wurde die Aktienrücklage

Die Reform der privaten Altersvorsorge soll im kommenden Jahr umgesetzt werden. Vorher soll aber noch eine Reform der gesetzlichen Rente umgesetzt werden – das sogenannte “Generationenkapital”. Aus der einstigen Idee der Aktienrente wurde die Aktienrücklage. Sie ist aber immer noch ein deutlicher Reformschrittt: Dabei sollen Milliardenbeträge am Kapitalmarkt angelegt werden, um mit den Renditen das staatliche Rentensystem zu stabilisieren.

Und was bringt das alles unterm Strich? Das werden Bürgerinnen und Bürger wohl erst in einigen Jahren sagen. Immerhin, die Übersicht über die möglichen Einkünfte aus den Altersvorsorgesäulen soll transparenter und digitaler werden. Im Juli startete dazu ein lange vorbereitetes Vorhaben: die digitale Rentenübersicht. Auf dieser Plattform sollen die Bürgerinnen und Bürger künftig online einsehen können, wie viel Geld sie im Alter zur Verfügung haben – aus gesetzlicher Rente inklusive Aktienrücklage, aus betrieblicher Altersvorsorge und aus privaten Rentenprodukten. Noch ist das aber Zukunftsmusik, weil einerseits Schnittstellen zwischen der digitalen Rentenübersicht und den verschiedenen Anbietern fehlen und andererseits hierzu noch viele Datenschutzfragen geklärt werden müssen.

Tina Groll

Tina Groll, SPIEGEL-Bestsellerautorin und Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft, konzentriert sich als Autorin von WIR SIND DER WANDEL auf Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren” aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat und Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union.