Neue Technologien und demografische Veränderungen verschärfen den Fachkräftemangel in der Finanzbranche. Wie Unternehmen darauf reagieren können und welche langfristigen Lösungen sinnvoll sind, erläutert Finanzexperte Eric Wiese im Interview.
Vermögensberatungen müssen sich in einem dynamischen Arbeitsmarkt behaupten, indem sie sich an neue Technologien und Kundenanforderungen anpassen, talentierte Fachkräfte gewinnen und halten sowie regulatorische und technologische Herausforderungen meistern. Um dabei langfristig erfolgreich zu bleiben, ist der Aufbau einer flexiblen, diversifizierten und zukunftsorientierten Belegschaft entscheidend. Wie das in der Praxis gelingt, erzählt Eric Wiese, Geschäftsführer der NFS Hamburger Vermögen GmbH.
Wir sind der Wandel: Was sind die Hauptursachen für den Fachkräftemangel in Ihrer Branche?
Eric Wiese: Neue Technologien wie KI, Blockchain und datengetriebene Finanzmodelle erfordern hochqualifizierte Expert:innen. Diese müssen nicht nur traditionelles Finanzwissen, sondern auch technische Fähigkeiten für die Beherrschung komplexer Softwareanwendungen, Datenanalyse und IT-Sicherheit beherrschen. Solche Qualifikationen sind derzeit auf dem Arbeitsmarkt rar.
Zudem verschärfen demografische Veränderungen die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Viele erfahrene Fachkräfte gehen in den Ruhestand, und es gibt nicht genug Nachwuchs mit den nötigen Kompetenzen. Der Wettbewerb um Talente in der Finanzbranche ist intensiv, da Banken, Beratungen, Technologieunternehmen, Start-ups und FinTechs um dieselben Fachkräfte konkurrieren.
„Wir stellen zunehmend fest, dass nicht mehr die Gehaltshöhe entscheidend ist“
Wir sind der Wandel: Was ist dabei für Ihr Unternehmen herausfordernder, die demografischen Veränderungen oder die technischen Innovationen?
Wiese: Die demografischen Veränderungen. Wir besetzen unsere Stellen zwar noch, aber es dauert länger. Zudem müssen wir oft Kompromisse bei Ausbildung, Know-how und Gehalt eingehen. Wir müssen vermehrt Grundlagen vermitteln, weil die Bewerber:innen teilweise keinen Finanzhintergrund haben.
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Wir sind der Wandel: Was unternehmen Sie konkret, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Wiese: Wir stellen zunehmend fest, dass nicht mehr die Gehaltshöhe entscheidend ist, sondern attraktive Arbeitsbedingungen. Daher bieten wir hybride Arbeitsmöglichkeiten und flexible Arbeitszeiten an. Seit einem Jahr können unsere Beschäftigten eine digitale Plattform für mentale Gesundheit und Wohlbefinden nutzen. Dort erhalten sie Beratung und Unterstützung im Bereich psychische Gesundheit, um ihre Resilienz und Zufriedenheit zu verbessern. Ein Angebot, das gut angenommen wird.
„Der Einsatz internationaler Talente ist bei uns limitiert“
Wir sind der Wandel: Können internationale Talente Ihren Engpass lösen?
Wiese: Unsere Belegschaft ist bereits international. Doch da 98 Prozent unserer Kund:innen deutschsprachig sind, müssen unsere Beschäftigten gute Deutschkenntnisse haben. Nur in wenigen Bereichen können wir auf englischsprechende Bewerber:innen setzen. Daher ist der Einsatz internationaler Talente bezüglich der Sprachkenntnisse bei uns limitiert.
Wir sind der Wandel: Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht am effektivsten, um den Fachkräftemangel langfristig zu lösen?
Wiese: Um den Fachkräftemangel nachhaltig zu lösen, braucht es eine Kombination von Maßnahmen, die sowohl inländische als auch internationale Arbeitskräfte betreffen. Das erfordert ein systematisches Vorgehen, das Bildung, Arbeitsgestaltung, Integration internationaler Talente und Förderung von Inklusion und Diversität umfasst.
Dieses Interview ist im Zuge unserer Medienkooperation mit dem Face-Club entstanden. Auf journalistische Inhalte der WIR SIND DER WANDEL-Redaktion haben Geschäftspartner von WIR SIND DER WANDEL keinerlei Einfluss.