Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat abgenommen

Frau hockt mit ihrer Tochter auf dem Schoß auf der Straße

Job und Karriere sind in Zeiten der Digitalisierung kein Problem? Von wegen: Eine neue Studie zeigt, dass sich die Bedingungen für berufstätige Eltern in Deutschland wieder verschlechtert haben.

Das geht aus der Umfrage “Junge Familien 2017” im Auftrag der pronova BKK hervorgeht. Demnach gibt nur jeder dritte Befragte an, dass ihm oder ihr die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einfach falle – das sind fünf Prozent weniger als vor zwei Jahren, als die Umfrage schon einmal erstellt wurde. Die meisten jungen Eltern beklagen, dass es sowohl an Angeboten wie auch Verständnis bei den Arbeitgebern fehle und sich beides auch verschlechtert habe. Bei fast jedem Zweiten müssen die Kollegen ran, wenn sie wegen dem Nachwuchs den Arbeitsplatz früher verlassen müssen oder ausfallen. Vor zwei Jahren gaben allerdings mehr Befragte an, dass sie bei ihren Arbeitskollegen auf Verständnis stießen – dieser Wert hat sich mittlerweile verschlechtert.

Problematisch für viele Umfrageteilnehmer ist, dass ihre Arbeitgeber ihnen kaum Teilzweitangebote machten. Der Anteil ist der Studie zufolge von 41 auf 36 Prozent zurückgegangen. Und nicht einmal jeder Zweite hat eine gewisse Arbeitszeitsouveränität – nur 42 Prozent der Befragten können Gleitzeit arbeiten und nur jeder Vierte darf Wünsche bei der Dienstplangestaltung angeben, die auch berücksichtigt werden. Es scheint, als sei vielen Arbeitgebern starre Präsenzarbeitszeit wieder wichtiger geworden als Flexibilität. Allerdings: 18 Prozent der Befragten gaben an, dass sie im Homeoffice tätig sein können, wenn es die Vereinbarkeit erforderlich macht. 2015 waren es nur 15 Prozent gewesen. Und immerhin darf fast jeder Dritte ein Arbeitszeitkonto nutzen.

Familienfreundlichkeit hat abgenommen

Fast dreiviertel der Befragten (71 Prozent) geben an, dass sie den Eindruck haben, die Familienfreundlichkeit in Deutschland und insbesondere in der Wirtschaft habe sich wieder verschlechtert. Fast jeder Fünfte gibt an, dass sein Chef oder seine Chefin nicht das geringste Entgegenkommen bei Fragen der Kinderbetreuung habe. Insgesamt hält jeder Zweite Deutschland für familienfreundlich. Für die Studie wurden 1.000 Eltern mit Kindern unter zehn Jahren online befragt.

Ein ganz ähnliches Bild zeigt ein Fall einer Führungskraft, der die Elternzeit verweigert wurde und der derzeit vor den Arbeitsgerichten verhandelt wird. Das berichtet die Kanzlei des Arbeitsrechtlers Christoph Abeln.

Wenn Führungskräfte um Elternzeit gerichtlich kämpfen müssen

Der Mann war als leitender Angestellter für einen Telefonkonzern tätig und wollte im Herbst 2013 Elternzeit nehmen und anschließend im Jahr 2014 in Teilzeit arbeiten. Doch der Arbeitgeber hatte andere Pläne und antwortete auf den Antrag mit einer betriebsbedingten Kündigung und der Ablehnung der vorab geplanten Teilzeit in der Elternzeit. Die Führungskraft erhob Kündigungsschutzklage und klagte außerdem auf Zustimmung zur Teilzeit. Daraufhin soll der Arbeitgeber die Zahlung des Lohns eingestellt haben und konzernweit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem leitenden Angestellten kommuniziert haben.

Auf juristischem Weg erreicht der Mann zunächst, dass die Kündigung zurückgenommen wird und 2015 in erster Instanz schließlich auch den Teilzeitanspruch. Mittlerweile ist die aber nicht mehr notwendig. Der Prozess geht aber in zweiter Instanz weiter, denn man streitet sich noch um die verlorenen Entgeltansprüche für die vergangene Teilzeit. Fünf Jahre später – 2017 und kurz vor der Einschulung des Kindes – hat nun das  Landesarbeitsgericht das Urteil bestätigt. Die Begründung der Richter: Der Arbeitgeber habe zu wesentlichen Punkten nicht ausreichend vorgetragen. Der Arbeitgeber strebt den Gang in die dritte Instanz vors Bundesarbeitsgericht an. Dieses hat allerdings eine Revision nicht zugelassen.

Am Ende bleibt vor allem Kopfschütteln über solche Arbeitgeber. Wer Talente binden und halten will, sollte besser in eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf investieren.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.

Kommentare

  • Ja. Ich beobachte immer mehr Mütter, die wirklich sehr erschöpft sind. Wieso kann ein Familienministerium nicht Eltern- und Erziehungszeiten über die Kleinkindphase hinaus finanziell unterstützen, damit unsere Kinder nicht nur völlig erschöpften Müttern (oder Vätern) begegnen, die für ihre Berufung “Mutter/ Vater” weder Ansehen, Wertschätzung noch Geld bekommen.
    Außerdem sollten Gespräche mit den Arbeitgeberverbänden geführt werden, damit Eltern (Mütter und Väter) in ihrem zeitlichen Arbeitsangebot mehr Fairness in der Auswahl verschiedener Arbeitszeitmodellen erhalten.
    Das Familienministerium könnte eine Kampagne starten (ähnlich wie in Schweden) wie wichtig die Bezugspersonen Vater und Mutter sind . Kinder ab der 6. Lebenswoche in Krippen ab-schieben, ab-geben – ja wie unmenschlich werden wir weiterhin mit unseren Kindern umgehen? Wer macht sich für unsere Kinder stark? Wir haben Vertreter verschiedener Professionen und Verbände. Wer schützt die Seele unserer Kinder? NIEMAND!!!!
    Wie sollen sie Beziehungsfähigkeit entwickeln, wenn wir als Familien keine gemeinsame Zeit mehr füreinander haben, nur noch “irgendetwas hinterherrennen” von dem wir glauben, dass es uns befriedigt – denn das tut es nicht wirklich – oder doch?
    Ist Arbeit, Geldverdienen, Status, Luxus so viel mehr als die seelische Gesundheit unserer Kinder?

  • Leider kann ich das nur bestätigen. Gerade auch bei kleinen mittelständischen Betrieben hat man den Eindruck, man sei als Arbeitnehmerin eine “Last”, wenn man wenigstens (als Vollzeitarbeitskraft!) zwei halbe Tage Homeoffice machen möchte, um seine Kinder aus der Kita abholen zu können (und die Stunden dann natürlich auch abends nacharbeitet – in meinem Job eigentlich problemlos möglich, da selten direkten Kundenkontakt und auch keine überbordende Meetingkultur). Bei Männern, die sich mehr um ihre Familie kümmern möchten, ist das Unverständnis auf Seiten von Unternehmen und Kollegen oftmals noch größer. Und dann wird immer von Fachkräftemangel lamentiert – den man zumindest abmildern könnte, wenn man den vorhandenen Fachkräften mit Familie vernünftige Arbeitszeitmodelle anbieten würde… Aber für Konjunktive waren Arbeitgeber ja noch nie zu haben.

  • Die Studie kann ich sus eigener Erfahrung nur bestätigen. Mein Arbeitgeber hat sich dazu entschieden, Mütter systematisch rauszumobben, in der Hoffnung, dass sie selber kündigen. Teilzeitangebote werden so gestaltet, dass kaum Betreuung für das Kind gewährleistet werden kann und Home Office geht schon gar nicht. Hinzukommt, dass natürlich keine äquivalente Arbeit während oder nach der Elternzeit angeboten wird, sonden das Hausfrauen-Sammelbecken als Beschäftigung genutzt wird. Schade, viele Arbeitgeber wissen die Effizienz, mit der Eltern auch in Teilzeit arbeiten, nicht zu schätzen.

  • Meine Abteilungsleiterin hat erfahren dass ich schwanger bin und mich direkt aus der Abteilung, wo ich tätig war, rausgeschmissen. Ich habe versucht Unterstützung von der Pflegedienstleitung zu holen, leider ohne Erfolg. Mittlerweile hab ich meine Stelle gekündigt und hoffe einen besseren Arbeitgeber zu finden.
    Solche Situationen sind im Krankenhaus Alltag geworden.

  • Ich kann das trairigerweise nur bestätigen. Meine Suche nach qualifizierten Teilzeit-Stellen im Bereich HR (und Teilzeit ist nicht gleichbedeutend mit 50%, ich biete grundsätzlich vier Tage und bis zu 32 Stunden an…) glich einer uferlosen Suche. Die meisten Stellenanzeigen (HR oder IT) sind von Haus aus ausschließlich auf Vollzeit ausgerichtet. Wird man doch höchst selten zum Gespräch geladen, bringt auch die Formulierung, dass man mit den neuen technischen Möglichkeiten sogar flexibler ist als früher und dringende Arbeiten auch per Telearbeit erledigt werden könnten nicht viel. Auch die Tatsache, dass Tätigkeiten effizienter geplant werden können und man per se nicht 40 oder mehr Stunden pro Woche arbeiten muss, wird in den Köpfen der Arbeitgeber nicht verstanden und gesehen. Sobald die Tatsache genannt wird, dass Frau die große Aufgabe Kind, Haushalt und Beruf alleine stemmt, leuchten und läuten die Alarmglocken hell und grell – zu Jahresurlaub und Teilzeit könnten dann auch noch bis zu 20 Tagen “krankes Kind” pro Jahr hinzukommen… da macht keiner der von mir angeschriebenen Betriebe aus der Wirtschaft mit.

  • Und am besten wissen diejenigen Bescheid, die niemals den Beruf um eine Familie herum organisieren mussten oder die Familie vernachlässigen mussten, weil der Beruf immer Vorrang hat.

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