Volle Akkus statt Burnout: Warum Überforderung ein Geschenk ist

Frau steht mit Tasse am Tisch

“Ich kann nicht mehr. Mir wird alles zu viel. Ich weiß nicht, wie ich das auch noch schaffen soll.” Wer solche oder ähnliche Gedanken kennt, muss seine Überforderung strategisch angehen, weiß der Stressexperte Christian Bremer.

Ein Gastbeitrag von Christian Bremer

So hart das auch klingen mag: Wir sind meistens viel zu nett. Sagen zu allem Ja und Amen, während wir innerlich „Auf keinen Fall!“ schreien. Natürlich ist es schön, von allen gemocht zu werden. Doch es nützt Ihnen herzlich wenig, immer nett und hilfsbereit zu sein, wenn Sie deswegen in nicht allzu ferner Zukunft zusammenbrechen.

Und gehören Sie zu denen, die sich schon morgens im Bett liegend fragen, wie Sie den Tag überstehen sollen? Möchten Sie am liebsten liegen bleiben, weil Sie sich so erschöpft fühlen? Dann ist es an der Zeit, zwei Dinge zu tun. Zuerst einmal sollten Sie die Zähne zusammenbeißen und sich um die anstehenden Sachen kümmern. Auch wenn es Ihnen schwerfällt. Schließlich möchten Sie ja Erfolg haben und Ihre Projekte nicht im Stich lassen, oder?

Gehen Sie strategisch an Ihre Überforderung ran

Sobald Sie dann aber Feierabend machen und auf dem Weg nach Hause sind, bitte ich Sie um Folgendes: Horchen Sie in sich hinein und finden Sie heraus, was Ihnen dieses Gefühl der Erschöpfung und Überforderung vielleicht noch sagen möchte. Manch einer von Ihnen wird jetzt denken: „Was soll der Blödsinn? Ich fühle mich gestresst, weil ich zu viel im Job zu tun habe!“ Auf den ersten Blick ist das auch richtig. Doch haben Sie schon mal überlegt, dass Ihr Körper Ihnen damit noch mehr sagen möchte? Das dieses Gefühl im Grunde genommen sowas wie ein Geschenk an unser Bewusstsein ist? Ja, Sie haben richtig gelesen: Ein Geschenk. Ein etwas seltsames, nicht sonderlich hübsch verpacktes Geschenk. Doch wie heißt es so schön: Auf den Inhalt kommt es an!

Beantworten Sie sich die folgenden Fragen – ehrlich: Sind die Situationen, die Sie überfordern und viel Energie ziehen, eher einmalig oder wiederkehrend? Sind Sie in diesen Situationen glücklich oder unglücklich? Lassen Sie mich raten: Die Situationen sind fast immer wiederkehrend und Sie sind dann wiederholt nicht glücklich, richtig? Und genau das ist das Geschenk des unangenehmen Gefühls: Es zeigt Ihnen, dass Sie noch etwas lernen können, um solche Situationen zukünftig geschmeidig bewältigen zu können. Sie müssen nicht kündigen oder eine Therapie machen. Sie brauchen nur zur „besseren Version Ihrer selbst“ zu werden.

Die Allermeisten arbeiten an irgendwas – aber nicht an sich selbst

Machen Sie ein Persönlichkeits-Update und bringen Sie Ihr Denken und Verhalten auf das nächste Level! Ihre Kollegen rauben Ihnen den letzten Nerv? Das bedeutet im Grunde genommen nichts anderes, als dass Sie noch nicht der Mensch sind, der sich davon nicht mehr so stark mitnehmen lässt. Die gute Nachricht: Zu diesem Menschen können Sie werden. Mit einem Update aus Ihrem ganz persönlichen App-Store, der sich zwischen Ihren Ohren befindet. Niemand wird Ihnen jemals Ihren Stress abnehmen. Das müssen Sie schon selbst tun!

Mal ehrlich: Wie viel Zeit nehmen Sie sich am Tag für sich selbst? „Dafür habe ich keine Zeit!“ lautet oft die lapidare Antwort, die ich darauf zu hören bekomme. Deadlines, Termine, Meetings: Wir sind schnell den ganzen Tag damit beschäftigt, für alles und jeden da zu sein – außer für uns. Mir ging es früher ganz genauso. Doch inzwischen habe ich gelernt, dass es einen riesigen Unterschied macht, wenn ich auch mal ganz bewusst eine kurze Zeit nichts tue. Es muss gar nicht lange sein: Um generell ruhiger zu werden und sich so nicht zu sehr ärgern zu lassen, nehme ich mir dreimal täglich eine Minute Zeit für mich, in der ich nichts mache. Richtig gelesen. Ich mache nichts. Drei Mal am Tag. Ich setze mich hin, stelle mir mit dem Smartphone einen Timer auf 60 Sekunden, schließe die Augen und beobachte mit der Frage „Wie atme ich?“ meine Atmung.

Sie sind zu wertvoll, um dich dauerhaft erschöpft zu fühlen!

Ich nenne das MM – „Meine Minute“. Probieren Sie es aus, auch wenn es erst mal seltsam klingt! Sie werden sofort spüren, wie leicht es ist, sich so selbst im größten Stress immer wieder zu beruhigen, bei sich anzukommen und neue Kraft zu schöpfen. Sie sind zu wertvoll, um sich dauerhaft erschöpft, ausgelaugt und unglücklich zu fühlen!

Der Begriff „lebenslanges Lernen“ sagt Ihnen etwas, oder? Genau dafür sind die negativen Empfindungen ein Zeichen. Sie zeigen Ihnen, wo genau Sie in Ihrem Leben noch etwas lernen können. Und bitte, vergessen Sie eins dabei nicht: Sie tun das nicht, um sich noch mehr fremde Arbeit aufhalsen zu können. Den Aufwand betreiben Sie für sich allein, nicht für die anderen. Aus rein egoistischen Gründen. Nicht, um für andere ein besserer Mensch, Arbeitnehmer, Projektleiter oder Verkäufer werden. Sondern, damit es Ihnen gut geht.

Meine Top 3 Tipps für mehr Gelassenheit und Erfolg im Beruf

1. Planen Sie jede Woche Balance in Ihren Kalender ein: „Für Urlaub habe ich keine Zeit!“ Damit es Ihnen nicht so ergeht, sollten Sie sich Zeit blocken, die Sie allein für Ihre Work-Life-Balance nutzen. Am besten funktioniert es, wenn Sie in vier verschiedenen Größen planen: Zu Jahresbeginn legen Sie große Blöcke wie Urlaube, Fortbildungen oder freie Wochenenden fest. Zu Monatsbeginn planen Sie dann, welche besonderen aktuellen Ideen Sie haben, um in diesem Monat für die nötige Balance zu sorgen. Das machen Sie auch wöchentlich und täglich. Was kann ich heute dafür tun, um in Balance und damit erfolgreich und gelassen zu sein? Tragen Sie nicht nur Ihre beruflichen Termine in den Kalender ein, sondern genauso Aktivitäten, die Ihnen Spaß machen und für einen Ausgleich sorgen. Ob das Joggen, Schwimmen, ein Museumsbesuch oder ein Abend mit der Familie ist, ist dabei egal. Hauptsache, Sie blocken die Zeit und lassen nichts dazwischenkommen.

2. Sprengen Sie blockierende Glaubenssätze: Seien wir ehrlich, Sie wissen genau, wie Sie für größere Balance sorgen könnten. Es liegt in Wahrheit gar nicht daran, dass Sie keine Idee haben. Es liegt eher daran, dass Sie sie nicht umsetzen. Natürlich haben Sie dafür gute Gründe im Kopf. Mit folgender Methode erkennen Sie diese und ändern sie dann: Nehmen Sie sich Zettel und Stift und schreiben Sie sich auf, wie Sie folgenden Satz ergänzen: „Wenn ich mich mehr um meine Work-Life-Balance kümmere, kann das folgende negative Folgen haben:…“. Fangen Sie dann einfach an, sich vier Wochen lang mehr um einen Ausgleich zu kümmern und beobachten Sie, ob die vermuteten Nachteile tatsächlich eintreten. Kleiner Spoiler: Werden Sie garantiert nicht!

3. Tun Sie nur das, wo Sie 100 Prozent Ja-Sagen können: Es bringt uns Menschen schnell aus dem Gleichgewicht, wenn wir anderen einen Gefallen tun, dies aber nur machen, weil wir nett sein wollen und nicht, weil wir es von uns aus gerne machen. Trainieren Sie, mutig Nein zu sagen. Denken Sie an Ihre Endlichkeit und sagen Sie, freundlich und bestimmt, „Nein“. Denn ein Nein ist immer auch ein Ja zu sich selbst. Sie trauen sich noch nicht? Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass Sie eine Alternative aufzeigen: „Nein, ich kann dir das nicht abnehmen. Aber vielleicht fragst Du mal Herrn Schuster, er hat gerade seine Präsentation fertig gestellt.“

Die Ratgeber-Redaktion

Unter der Autor:innen-Bezeichnung REDAKTION veröffentlichten DIE RATGEBER von 2010 bis 2020 Gastbeiträge sowie Agenturmeldungen. Im August 2020 gingen die Inhalte von DIE RATGEBER auf die Webseite WIR SIND DER WANDEL über.