Es gibt viele Jobs, die es vor zehn Jahren noch gar nicht gab. Das heißt, die Kinder, die heute auf die Welt kommen, werden irgendwann einmal Berufe ausüben, die wir derzeit noch gar nicht kennen. Welche Branchen und Jobs heute besonders gefährdet sind und welche Zukunft haben, weiß der Internetunternehmer Jörg Eugster.
Diverse Studien behaupten, viele Berufe werden der Digitalisierung zum Opfer fallen. Ich glaube, man sollte mit solchen Prognosen zurückhaltend sein, denn keiner von uns kann die Zukunft vorhersagen – höchstens vermuten. Und auch wenn die Digitalisierung Jobs vernichtet, lässt sie doch auch neue entstehen. Wer vom digitalen Tsunami überrollt wird, hängt nämlich weniger von der Branche ab, sondern vielmehr von der Tätigkeit.
Das Smartphone beispielsweise ermöglichte erst den neuen Job des App-Entwicklers. Weitere Tätigkeiten, die ebenfalls erst in den letzten Jahren entstanden sind, sind Social Media-Manager, App-Developer, Big Data-Architekten, Data Scientist, UX-Designer, Cloud Services-Spezialisten, Online/Digital-Marketing-Spezialisten, VR-App-Entwickler, Alexa-Skill-Entwickler usw. Und es werden dank der Digitalisierung weitere neue Aufgaben und Berufe auf uns zukommen.
Arbeiten Sie in den Branchen Bergbau, Öl, Gas oder Chemie, müssen Sie sich aber aktuell noch keine großen Sorgen machen. Ebenso ist das Bauwesen weniger gefährdet. „Deloitte Digital“ und „Heads! Executive Consultancy“ haben in ihrer Untersuchung Disruption Map nach Industrien die Branchen in einem Portfolio in vier Bereiche eingeteilt. Dabei definierten die Berater auf der Achse für den Zeitverlauf die lange und die kurze „Lunte“. Und auf der Achse für die Einflussstärke den großen und den kleinen „Knall“. Je nach Quadrant werden die Branchen langsamer oder schneller bzw. lauer oder heftiger von der Disruption betroffen sein: Demnach werden die Auswirkungen am schnellsten und heftigsten in den Branchen Einzelhandel, Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), Medien, Freizeit und Reisen, Banken, Versicherungen, Professional Services, Gastronomie, Bildung und Immobilien zu spüren sein. Hier müssen die Unternehmen und deren Mitarbeiter mit einer kurzen Lunte und einem großen Knall rechnen.
Welche Jobs sind am meisten und wenigsten gefährdet?
Zwei Forscher der Oxford Martin School haben 2013 702 verschiedene Berufe daraufhin untersucht, mit welcher Wahrscheinlichkeit diese automatisiert werden könnten: Eindeutig die, bei denen immer wieder die gleichen Aufgaben getan oder die gleichen Antworten gegeben werden müssen. Am wenigsten Angst haben müssen also die, die soziale oder kreative Aufgaben ausführen oder eine leitende Funktion innehaben.
Berufe mit hohem Automatisierungsrisiko:
- Telefonverkäufer
- Versicherungssachverständiger für KFZ-Schäden
- Anwaltsgehilfen
- Immobilienmakler
- Steuerberater
- Kuriere und Boten
- Zeitarbeiter im Agrarsektor
- Schiedsrichter und andere Sportoffizielle
- Servicekräfte in Restaurant, Bar und Café
- Sekretäre und Verwaltungsassistenten
Berufe mit geringem Automatisierungsrisiko:
- Anthropologen
- Archäologen
- Choreografen
- Sozialarbeiter im Bereich psychische Gesundheit und Substanzmissbrauch
- Mediziner
- Psychologen
- Personalmanager
- Leitende Angestellte
- Computer-Systemanalytiker
- Schiffbauingenieure
- Vertriebsleiter
Wer seinem Nachwuchs einen guten Rat bezüglich der Berufswahl geben möchte, sollte das also wohlüberlegt tun. Fahrdienstleistungen beispielsweise werden es schwer haben, denn autonomes Fahren wird diese Aufgabe in einigen Jahren schrittweise überflüssig machen. Dann wird man im wahrsten Sinne des Wortes weggeUBERt, denn ob es UBER oder ein selbstfahrendes Auto sein wird, macht dann keinen Unterschied mehr. Und die Branche, in der man dann arbeitet, ist auch sekundär.
Die Digitalisierung schafft neue Aufgaben
Allerdings kann sich das Gefährdungspotenzial auch rasch ändern. Dafür braucht es „nur“ eine bahnbrechende Erfindung. Der 3D-Drucker zum Beispiel hat die Wertschöpfungskette bezüglich der Logistik auf den Kopf gestellt. Andererseits hat diese Technologie aber auch Stellen geschafft, weil so die Produktion aus Billiglohnländern wieder zu uns zurückgeholt werden kann. Und dafür braucht es mehr Mitarbeiter.
Der Zukunftsbotschafter, Autor und Dozent Jörg Eugster ist seit 1998 Internetunternehmer aus Leidenschaft. Er hat als Internet-Pionier mehrere Start-ups gegründet und an Medienunternehmen verkaufen können. Aktuell ist im Midas Verlag sein Buch Übermorgen − Eine Zeitreise in unsere digitale Zukunft erschienen.