Viele arbeiten häufiger von zu Hause, als es die Regeln erlauben – oft mit Wissen der Vorgesetzten. Eine Umfrage zeigt: Die Lücke zwischen Vorschrift und Alltagspraxis wird größer.
Immer mehr Beschäftigte in Deutschland nutzen das Homeoffice intensiver, als es die offiziellen Regeln ihrer Firmen vorsehen – und das meist mit dem Einverständnis der Vorgesetzten. Eine aktuelle Umfrage der Jobplattform Indeed unter 1.000 Beschäftigten belegt dies. Rund ein Viertel der Befragten darf bei guter Leistung mehr von zu Hause arbeiten, als die Richtlinien erlauben.
Trotz dieser informellen Flexibilität herrscht Unzufriedenheit: Über die Hälfte der Befragten ist mit dem Umfang der erlaubten Heimarbeit unzufrieden. Besonders auffällig: Mehr als 40 Prozent wären bereit, Gehaltseinbußen hinzunehmen, um mehr Zeit im Homeoffice verbringen zu können.
Regeln ja – Kontrolle selten
Zwar gaben über zwei Drittel der Befragten an, dass es in ihren Unternehmen klare Homeoffice-Regeln gibt. Doch in der Praxis werden diese oft nur locker kontrolliert. Strengere Überprüfungen finden meist nur dort statt, wo feste Präsenztage vorgeschrieben sind. In vielen Fällen bleibt es bei einer “Vertrauensarbeitszeit”, die Raum für individuelle Absprachen lässt.
“Die Umfrage zeigt klar: Selbst Beschäftigte, die offiziell im Homeoffice arbeiten dürfen, empfinden die bestehenden Regelungen oft als zu starr oder unflexibel”, sagt Stefanie Bickert, Karriereexpertin bei Indeed. Die Folge sei eine “stille Erosion der formellen Regeln durch informelle Absprachen mit Vorgesetzten oder die Terminierung von privaten Verpflichtungen auf Präsenztage”.
Ein besonders aufschlussreiches Ergebnis: 54,5 Prozent der Befragten legen Arztbesuche oder andere private Termine bewusst auf Tage, an denen sie eigentlich im Büro sein müssten – um sich so zusätzliche Homeoffice-Tage zu verschaffen. Dieses Verhalten verdeutlicht den Wunsch nach mehr Flexibilität und die Diskrepanz zwischen Regeln und Lebensrealität.
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Warum manche freiwillig ins Büro kommen
Doch das Homeoffice ist nicht für alle die beste Lösung. Laut Umfrage entscheiden sich 62,5 Prozent der Befragten gelegentlich bewusst für mehr Büropräsenz, als nötig wäre. Die Gründe sind vielfältig: Der Wunsch, Kontakte zu Kolleg:innen zu pflegen (28,4 Prozent), Zugang zu informellen Informationen (23,3 Prozent) und der Bedarf an einem Tapetenwechsel (20 Prozent) stehen im Vordergrund. Karriereaspekte spielen eine geringere Rolle: Nur 10,6 Prozent kommen häufiger ins Büro, um ihre Chancen auf eine Beförderung zu steigern. 17 Prozent erhoffen sich durch Präsenz eine bessere Sichtbarkeit ihrer Leistung.
Die Umfrage zeigt die wachsende Kluft zwischen Unternehmensrichtlinien und gelebter Praxis. “Unternehmen, die versuchen, mit strengeren Anwesenheitsvorgaben zur Präsenz gegenzusteuern, laufen Gefahr, an der Lebenswirklichkeit ihrer Belegschaft vorbeizuplanen”, warnt Bickert. Wer Remote Work nur restriktiv handhabt, riskiert Frust, Vertrauensverlust und eine Entfremdung zwischen Führung und Belegschaft.
Die Zukunft der Arbeit liegt nicht in starren Regeln, sondern in flexiblen, vertrauensbasierten Modellen. Unternehmen, die echte Wahlfreiheit bieten und gleichzeitig Räume für Austausch schaffen, werden langfristig erfolgreicher sein. Denn Homeoffice ist längst kein pandemiebedingtes Provisorium mehr, sondern ein fester Bestandteil moderner Arbeitskultur.