Wenn Sprache ausgrenzt: Wie Worte Bewerber:innen fernhalten

Verschwommene Menschen auf dem Weg ins Büro

Fast die Hälfte der Jobsuchenden fühlt sich durch Formulierungen oder Bilder in Stellenanzeigen nicht angesprochen. Eine aktuelle Studie belegt: Unbedachte Worte vertreiben Talente und schaden Unternehmen.

Viele Jobsuchende haben den Eindruck, schon vor der Bewerbung aussortiert zu werden. Das zeigt die Studie „Stellenanzeigen zwischen Vielfalt und Ausschluss“ der KÖNIGSTEINER Gruppe. Dafür befragte das Marktforschungsinstitut bilendi bundesweit 1.028 Beschäftigte.

Irrtümer und Mythen rund ums Arbeitsrecht46 Prozent der Befragten gaben an, sich mindestens einmal durch Formulierungen oder Bilder in Stellenanzeigen ausgeschlossen zu fühlen. 29 Prozent erlebten dies sogar mehrfach. Häufig liegt das an unbewussten Formulierungen oder einseitigen Bildkonzepten der Arbeitgeber. So kritisieren 44 Prozent altersbezogene Begriffe wie „jung“ oder „dynamisch“. 43 Prozent stören sich an stereotypen Bildern, die vor allem junge Menschen zeigen. Auch sprachliche Hürden spielen eine Rolle: 40 Prozent bemängeln Jugendsprache, Slang oder Anglizismen. 34 Prozent empfindet englischsprachige Ausschreibungen als ausgrenzend.

Ältere Bewerber:innen fühlen sich besonders benachteiligt

Vor allem ältere Bewerber:innen sehen sich durch Sprache und Bilder diskriminiert. 62 Prozent der Befragten meinen, dass Menschen über 50 Jahre am stärksten betroffen sind. Danach folgen Bewerber:innen mit Kindern (35 Prozent), Menschen mit Migrationshintergrund (32 Prozent) und Menschen mit Behinderung (31 Prozent). Geschlechterrollen spielen eine geringere Rolle: Nur 11 Prozent sehen Männer, 14 Prozent Frauen als benachteiligt.

„Unternehmen unterschätzen oft, wie stark Sprache und visuelle Elemente in ihren Anzeigen wirken. Eine unbedachte Wortwahl kann gleich ganze Bewerbergruppen ausschließen. In den meisten Fällen passiert das unbewusst, fällt den Kandidat:innen aber eben doch auf. Grundsätzlich schadet das nicht zuletzt der Arbeitgebermarke, die nicht als offen und transparent, sondern als ausschließend wahrgenommen wird. Ein Eindruck, den man in der Folge nur schwer korrigieren kann“, sagt Nils Wagener, Geschäftsführer der KÖNIGSTEINER Gruppe.


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Die Folgen sind spürbar: Zwar bewerben sich 35 Prozent der Betroffenen trotzdem, doch 21 Prozent brechen den Prozess ab. 17 Prozent informieren sich zunächst intensiver über den Arbeitgeber, bevor sie entscheiden. Ebenso viele suchen den Kontakt zur Personalabteilung, um sich ein Bild zu machen.

Gendersprache in Stellenanzeigen bleibt umstritten

Auch das Gendern sorgt weiter für Diskussionen. Mehr als die Hälfte der Bewerber:innen (53 Prozent) lehnen gendergerechte Formulierungen ab – ein Anstieg um 8 Prozent im Vergleich zu vor zwei Jahren. Nur 18 Prozent befürworten sie, 7 Prozent weniger als zuvor.

Vor allem die Generation 50 plus steht gegenderten Ausschreibungen kritisch gegenüber: Nur 10 Prozent unterstützen sie, während 59 Prozent maskuline Formulierungen bevorzugen. Jüngere Bewerber:innen zwischen 18 und 29 Jahren sind offener: 35 Prozent befürworten Gendersprache, 46 Prozent lehnen sie ab.

Männer zeigen stärkere Meinungen zum Gendern

Die Studie zeigt auch Unterschiede zwischen Bildungsgruppen und Geschlechtern. 23 Prozent der Akademiker:innen befürworten Gendersprache, bei Nichtakademiker:innen sind es 16 Prozent. In beiden Gruppen liegt der Anteil der Gegner:innen bei über 50 Prozent. Überraschend: Männer unterstützen Gendersprache häufiger (21 Prozent) als Frauen (15 Prozent), lehnen sie aber auch stärke ab (56 Prozent gegenüber 51 Prozent).

Viele Bewerber:innen, die Gendersprache ablehnen, empfinden die Debatte als ermüdend. 74 Prozent stören sich daran, 43 Prozent beklagen den fehlenden Lesefluss. Die Minderheit der Befürworter:innen (18 Prozent) sieht im Gendern ein Zeichen für Vielfalt und Offenheit. 82 Prozent verbinden es mit einer modernen Unternehmenskultur, 48 Prozent halten es für zeitgemäß, und 29 Prozent betonen, dass es niemanden ausschließt.

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