Wer versteht, gewinnt!

Schachfiguren

Verstehen ist der Erfolgsfaktor der Zukunft. Wer tief versteht, sieht klarer, erkennt, worum es im Kern geht, und trifft die besten Entscheidungen. Boris Grundl weiß, wie wir uns von oberflächlichem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden und unseren Charakter formen.

Ein Gastbeitrag von Boris Grundl

Manchmal fällt es schwer, zu verstehen. Die Kritik vom Chef, das scheinbar sture Gegenhalten des Kollegen, ein unkooperatives Team, Prozesse, Märkte, geringere Abverkäufe oder hartes Kundenfeedback. Doch Verstehen ist der Erfolgsfaktor der Zukunft. Ein tieferes geistiges Erfassen ist die Basis jedes Wachstums. Besonders, wenn es gelingt, andere und die Welt zu verstehen, ohne einverstanden sein zu müssen.

Zum Einstieg ein Beispiel: In meiner Anfangszeit als Speaker durfte ich einen Vortrag vor den höchsten Führungskräften eines Pharmaunternehmens halten. Eine besondere Ehre. Der Vortrag kam sehr gut an. Im Anschluss nahm der CEO mich zur Seite und sagte: „Es ist exzellent, wie Sie das Thema Führung vermitteln. Inspirierend, sauber hergeleitet und kompetent präsentiert. Absolute Klasse! Ich habe nur ein Problem, Führungsstärke von Ihnen anzunehmen.“ Stille. Er sagte es nicht, doch es war klar, was er meinte: von Ihnen im Rollstuhl. Der Stachel saß!

Nüchtern betrachtet ist klar: Das Thema Führung wird primär mit Stärke verbunden. Einen Rollstuhl assoziieren viele mit Schwäche. Das ist nun mal so. Ob man will oder nicht. Nun hatte ich drei Möglichkeiten: Mich aufregen und verteidigen. Das Ergebnis? Frustration. Zweitens hätte ich mich in der Opferrolle verkriechen und mich moralisch über diese Ungerechtigkeit beschweren können. Das Ergebnis? Stagnation. Ich habe die dritte Variante gewählt: Ich habe die bittere Pille geschluckt. Bin bei mir geblieben. Habe weiter daran gearbeitet, dass meine innere Stärke die scheinbare Schwäche des Rollstuhls überstrahlt. Das Ergebnis? Transformation!

Mein Rollstuhl ist heute ein Ausdruck von Stärke

Nachträglich muss ich dem CEO danken! Durch sein ehrliches Feedback habe ich meine Lektion gelernt – schmerzlich und aufreibend. Ich musste jegliches noch versteckte Selbstmitleid in mir aufstöbern und auflösen. Dieses Level an Selbstverantwortung hat mich zunächst an den Rand meiner Belastbarkeit gebracht. Doch es war heilsam und hat mein Leben verändert. Ich bin innerlich noch freier geworden. Und wesentlich besser als Autor, Redner und Unternehmer.

Das ist nur ein Beispiel, warum Zuhören, Verstehen und Durchdringen so wichtig ist. Warum frühzeitiges Zupacken, impulsives Reagieren und vorschnelles Verurteilen in die Sackgasse führen. Flexibler, klarer, tiefer anstatt höher, schneller, weiter sollte das Mantra der modernen Welt sein. Wer tief versteht, sieht klarer. Erkennt, worum es im Kern eigentlich geht. Wird nicht von oberflächlichen Emotionen überrollt. Er trifft die besten Entscheidungen. Doch die meisten Menschen verwechseln „verstehen“ mit „einverstanden sein“: Werden sie mit Dingen konfrontiert, die nicht ins eigene Weltbild passen, machen sie zu. Sie hören auf, darüber nachzudenken, sich damit zu beschäftigen. Das Thema wird ausgeklammert, im besten Falle ignoriert. Im schlimmsten Falle bekämpft.

Ich will zuerst, dass du mich verstehst

Bei der Transformation von Führungsteams ist „Verstehen-Wollen“ eine entscheidende Erkenntnis. Auf die Frage: „Wer möchte von anderen vorurteilsfrei verstanden werden? Wer von Ihnen wünscht sich, dass andere von Ihrem Standpunkt aus auf eine Sache schauen?“ heben gefühlt 98 von 100 die Hand. Danach folgt die nächste Frage: „Was glauben Sie, wie wichtig es Ihren Mitarbeitern ist, von Ihnen verstanden zu werden?“

Plötzlich wird vielen klar: Erst, wenn sich ein Mensch von einem anderen verstanden fühlt, gibt er diesem die Erlaubnis, ihn zu entwickeln. Eine Erkenntnis wird kraftvoll, wenn wir lernen, zu verstehen, ohne einverstanden sein zu müssen. Nur dann können wir uns ganz auf andere Sichtweisen einstellen und die stärkste Perspektive auswählen. Egal, ob Mitarbeiter, Lebenspartner, pubertierende Kinder oder nerviger Chef: Jeder will verstanden werden!

Ein klarer Blick: differenziert bewerten, Perspektiven wechseln, Sicht erweitern

Sich nicht im Nebel des „Verstanden-werden-wollens“ zu verlieren, sondern selbst zu verstehen, um durch Nachdenken zu wachsen, ist entscheidend für persönliches Wachstum und bessere Ergebnisse im Leben. Dafür müssen wir lernen, klug hinzuhören, differenzierter zu bewerten, schneller Perspektiven zu wechseln und unsere Sicht zu erweitern. Bis wir letztendlich verstehen. Wir schärfen die Sinne, dringen schneller zum Kern durch und treffen klügere Entscheidungen. Und mit das Wichtigste: Erfolg und Erfüllung nehmen im Leben zu. So war es bei mir. Und bei vielen anderen, die sich mit „verstehen, ohne einverstanden sein zu müssen“ intensiver beschäftigt haben. Das wissen wir durch die Rückmeldungen aus unserer Leadership-Akademie.

Wem es gelingt, tief zu verstehen, ohne mit den Dingen einverstanden sein zu müssen, der erkennt das Verstehen als Basis. Als Lernturbo zum Erfolg. Das macht auch wirkungsvolles Leadership aus. Kluge Führungskräfte wollen verstehen. Die Welt verstehen. Märkte und Prozesse verstehen. Kunden verstehen. Menschen verstehen. Sich verstehen. Denn wer verstanden hat, handelt aus Überzeugung. Er bekommt Haltung, wird innerlich frei – und gewinnt. Und wird damit der Beste, der er sein kann.

 

Boris Grundl

Boris Grundl durchlief eine Blitzkarriere als Führungskraft, ist Management-Trainer, Unternehmer, Autor sowie Inhaber der Grundl Leadership Akademie. Er ist ein gefragter Referent, Gastdozent an Universitäten und erforscht das Thema Verantwortung. In seinem aktuellen Buch Verstehen heißt nicht einverstanden sein zeigt Grundl, wie wir lernen, wie wir klug hinhören, differenziert bewerten, Perspektiven wechseln und unsere Sicht erweitern.

Die Ratgeber-Redaktion

Unter der Autor:innen-Bezeichnung REDAKTION veröffentlichten DIE RATGEBER von 2010 bis 2020 Gastbeiträge sowie Agenturmeldungen. Im August 2020 gingen die Inhalte von DIE RATGEBER auf die Webseite WIR SIND DER WANDEL über.