Bianka Nilges erklärt in „Highway to Empowerment“, wie Frauen Selbstzweifel ablegen, ihre Intuition als Stärke einsetzen und Führung neu definieren. Mut bedeutet nicht Risiko. Mut weist den Weg.
Die Wirtschaft liebt Schlagworte: Diversity, Empowerment, Female Leadership. Doch im Alltag bleiben viele Frauen stecken – zwischen Selbstzweifeln, überzogenen Erwartungen und dem alten Reflex, es allen recht machen zu wollen. Karrieren stocken, Mut gilt als Rücksichtslosigkeit, Selbstvertrauen als Egoismus.
Was fehlt, ist nicht mehr Förderung, sondern Haltung. Bianka Nilges nennt sie „das eigene Navi im Leben“. In ihrem Buch „Highway to Empowerment“ zeigt sie, wie Frauen das Steuer selbst übernehmen. Kein Ratgeber, sondern ein Aufbruchserklärung.
Empowerment beginnt im Kinderzimmer
Nilges‘ Geschichte startet nicht im Vorstandsbüro, sondern auf einer Duisburger Kirmes. Ein kleines Mädchen will keinen Teddy, sondern einen Schraubenzieher. Ihr Vater schießt ihn ihr – und stellt damit, ohne es zu ahnen, die Weichen für ein Leben jenseits von Klischees. Später zerlegt die kleine Bianka mit dem Schraubenzieher ihr Bett. Heute baut sie als Unternehmerin und Fahrlehrerin an ihrem eigenen System weiblicher Stärke.
Der rote Faden: Wer Mädchen früh zutraut, etwas zu wagen, stärkt ihr Selbstvertrauen. Nilges‘ Eltern ließen sie ausprobieren, Fehler machen, Grenzen testen. Genau das, so zeigt sie, fehlt vielen jungen Frauen heute. In ihrer Fahrschule trifft sie auf ängstliche Siebzehnjährige, die den Blinker kaum berühren, aus Angst, etwas falsch zu machen. Das Ergebnis einer Erziehung, die absichert, statt zu ermutigen.
Empowerment beginnt also nicht im Seminarraum, sondern im Kinderzimmer. Wer Vertrauen erfährt, traut sich später, Entscheidungen zu treffen – und Verantwortung zu übernehmen.
Der innere Autopilot
Nilges‘ stärkstes Motiv ist das Vertrauen ins eigene Bauchgefühl. Auf der Landstraße wie im Leben gilt: Wer zögert, riskiert mehr als der, der mutig beschleunigt. Ihre Metaphern aus der Fahrpraxis treffen ins Schwarze: Überholen, wenn es sich richtig anfühlt – nicht, wenn der Hintermann drängelt.
Im Kern ist das eine Einladung, die innere Stimme wieder wahrzunehmen – in einer Welt, die alles zerredet, vermisst und reguliert. Frauen, schreibt sie, hätten ihren sechsten Sinn verlernt, weil sie ständig Ratgeber, Studien und Meinungen konsumieren, statt sich selbst zu vertrauen.
Dabei ist Intuition kein Gegensatz zu Professionalität, sondern ihr Ursprung. Nilges erzählt von Unternehmerinnen, die aus ihrem Gefühl heraus entschieden – und die Verantwortung dafür tragen. Das ist wahre Führungsstärke: Entscheidungen nicht delegieren, sondern vertreten.
Empowerment als Wirtschaftsfaktor
In Unternehmen wird oft über Frauenförderung gesprochen, selten über Eigenverantwortung. Nilges dreht den Spieß um: Empowerment lässt sich nicht verordnen. Es entsteht, wenn Menschen erleben, dass ihr Handeln Wirkung zeigt. Wer auf sein Gefühl vertrauen darf, wird kreativ, schnell und lösungsorientiert – alles Eigenschaften, die Organisationen heute brauchen.
Das Gegenteil ist der „Schilderwald“: endlose Regeln, Checklisten, Verfahren. Wo niemand mehr Verantwortung übernimmt, weil alles genehmigt, geprüft und abgesichert werden muss, erstickt Initiative. Ihre Botschaft: Machen schlägt Meinen.
So wird das Buch zu einem Manifest gegen die Kultur der Angst – in Unternehmen wie im Leben. Angst, Fehler zu machen, Angst anzuecken. Angst, zu viel zu wollen. Frauen, die diese Angst ablegen, verändern nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch Strukturen.
Mut zur eigenen Spur
Nilges spricht nicht von Gleichberechtigung als Ziel, sondern von Selbstbestimmung als Voraussetzung. „Frauen haben heute (fast) alle Möglichkeiten“, schreibt sie, „wenn sie ins Handeln kommen und dranbleiben.“ Sie fordert kein Gegeneinander der Geschlechter, sondern ein Miteinander auf Augenhöhe. Ihr Konzept nennt sie „Reißverschlussprinzip“: Einheit statt endloser Diversity-Debatten. Männer und Frauen, die sich ergänzen, statt sich zu vergleichen.
Der pinke LKW ihrer Fahrschule steht dafür sinnbildlich. Er ist Statement und Einladung zugleich: Weiblichkeit ist kein Handicap, sondern Haltung. Männer lachen, Frauen staunen – und alle merken, dass Stärke viele Farben haben darf.
- Mythos Talent: Warum Arbeitsbedingungen Geschlechter trennen
- Geschlechterstereotype bremsen Frauen in Führungspositionen
- Frauen: Das ungenutzte Potenzial im Arbeitsmarkt
- Karrierechancen von Frauen zur Chefsache erklären
- Im Fokus: Frauen im Aufbruch
Vom Käfer zum Tesla – der kulturelle Wandel
Im Kapitel über Generationen beschreibt Nilges den gesellschaftlichen Wandel präzise: Während frühere Generationen um Gleichberechtigung kämpften, suchen junge Frauen heute nach Sinn und Selbstvertrauen. Der Kampf nach außen wird zum Prozess nach innen. Doch das macht ihn nicht leichter – nur subtiler. Die Aufgabe unserer Zeit, so Nilges, ist es, das Erbe der Emanzipation weiterzuführen: weniger als Protest, mehr als gelebte Souveränität. Nicht der Widerstand gegen Männer, sondern der Respekt vor der eigenen Kraft ist der nächste Schritt.
Empowerment ist kein Programm, sondern Praxis. Es zeigt sich darin, wie Menschen Entscheidungen treffen, mit Rückschlägen umgehen und einander Raum geben. Nilges‘ Buch liefert keine Checkliste, sondern einen Kompass:
– Intuition als Führungsinstrument. Entscheidungen entstehen aus Erfahrung, Instinkt und Mut – nicht aus PowerPoint-Schleifen.
– Selbstwirksamkeit statt Anpassung. Wer gestalten will, darf nicht auf Erlaubnis warten.
– Leidenschaft und Herz. Wirtschaft braucht Menschen, die brennen – nicht funktionieren.
Empowerment beginnt, wenn Frauen nicht mehr Fragen, ob sie dürfen, sondern einfach handeln.
Wandel kann nicht verordnet werden
Bianka Nilges schreibt mit der Klarheit einer Frau, die weiß, wovon sie spricht: als Unternehmerin, Mutter und Fahrlehrerin in einem Männerberuf. „Highway to Empowerment“ ist kein feministisches Traktat, sondern ein realistisches Manifest – für Tatkraft, Haltung und Selbstvertrauen. Ihr Weg vom Schraubenzieherkind zur Fahrlehrerin mit pinkem LKW zeigt: Wandel wird nicht verordnet, er wird gefahren. Und genau das ist ihre Botschaft an Frauen, Führungskräfte und Organisationen: Wer das Steuer selbst in die Hand nimmt, lässt sich nicht ausbremsen.

