Geschlechtsspezifische Rollenkonflikte gehören noch lange nicht er Vergangenheit an. Wie Frauen mit cholerischen Männern und alten Rollenbildern umgehen sollten, weiß Konfliktexpertin Anke Sommer.
Ein Gastbeitrag von Anke Sommer
Dass die Emanzipation der Frau noch nicht vollständig und vor allem friedlich abgeschlossen ist, kann man quasi täglich in verschiedensten Medien mitverfolgen. Hier ist über alle Genres hinweg immer wieder in verschiedenen Feldern die Ungleichheit zwischen Mann und Frau Thema – obwohl sich schon einiges geändert hat und im positiven Umbruch ist. Doch warum ist das Thema im 21. Jahrhundert eigentlich nicht längst Geschichte? Warum ist der Gedanke, gleich viel wert zu sein, in den Köpfen vieler Männer und Frauen überhaupt noch Mangelware?
Gestern saß ich mit einem gemischtgeschlechtlichen Team von Verantwortungsträgern zusammen und arbeitete an der Entstörung eines rollenspezifischen Konflikts. Schnell kristallisierte sich heraus, dass das Alltagsthema „Wer macht den Küchendienst und wie bleibt dieser nicht an den Frauen hängen“ nur Einstieg in ein grundsätzliches Thema zwischen Mann und Frau darstellte.
Nur Männer, die kein Thema mit der Übernahme von „weiblichen Aufgaben“ haben, geraten auf den ersten Blick nicht in diesen Konflikt. Dafür werden sie in der Gesellschaft aber oft als eher sanft und weiblich erkannt, also fälschlicherweise für männeruntypisch erachtet – und sind so direkt wieder drin im geschlechterspezifischen Konflikt.
Lähmende und kräftezehrende geschlechtsspezifische Reibereien
Männlichkeit scheint nach wie vor mit Attributen besetzt zu sein, die Dominanz nicht als einen neutralen Kräftefaktor ansieht, sondern mit machthaberischer Unterordnung verbindet. So lange das so ist, ist Ihre bewusste Auseinandersetzung als weibliche Führungskraft mit Ihrer Reaktionsweise auf Ihr männliches Gegenüber unerlässlich. Auch dann, wenn Sie vordergründig kein Thema damit haben.
Hinter jedem Mann verbirgt sich eine alte Information, ebenso wie hinter jeder Frau. Als Unternehmerin und Chefin wissen wir, wie lähmend und kräftezehrend geschlechtsspezifische Reibereien sind. Sie gehen uns an die Nieren und lösen oft Gefühle aus, die mit Ohnmacht, Unterdrückung und Gewalt zusammenhängen. Sie werden in Gegenreaktionen gedrückt, die Ihre Kraft binden und völlig unbewusst ablaufen. Diese Kraft sollten Sie lieber in Ihr Geschäft investieren, statt an einem alten Konflikt zu verlieren, der ja nicht wirklich Ihrer ist, sondern historisch ist.
Negative Männerbilder sind wie schwere Gewichte
Haben Sie einen männlichen Partner an Ihrer Seite oder stehen Sie einem Mann als Kunden gegenüber, sind alte Informationen sofort mit von der Partie. Diesen Sachverhalt sollten Sie sich bewusst machen. Besitzen Sie eine negative Erfahrung mit der Dominanz eines Mannes, verbinden sich diesbezügliche Gefühle mit Ihren persönlichen, familiären Erfahrungen. Allein dadurch wird Ihre Wahrnehmung und allgemeine Einstufung Ihres männlichen Gegenübers eine andere sein, als wenn Sie diese Vorerfahrungen nicht besäßen. Um also sachlich mit Männern umgehen zu können, lernen Sie kennen, womit sich Ihr Männerbild unbewusst verbindet.
Negative Männerbilder, ob nun das eine oder das andere, sind wie schwere Gewichte, die Sie mit sich umhertragen. Sie schleppen diesen Ballast mit sich herum und wenn Sie nicht bewusst mit Ihrem Männerbild umgehen, erschwert es ihr Leben und Ihre positive Beziehung zu Männern.
So lange Sie sich über Ihr unbewusstes Bild von Männern nicht im Klaren sind, machen Sie immer wieder die ähnliche Erfahrung mit dem anderen Geschlecht und denken irgendwann einmal: „Die Männer sind kompliziert“. Sie wenden sich genervt ab oder werden hart und verbrennen sich unmerklich in und an der Nähe von Männern.
Umgang mit Despoten
Diesen Zustand aufrecht zu erhalten ist folgenschwer, denn Sie werden auf eine Position gewiesen, nur allein dadurch, dass Sie mit einem Mann konfrontiert sind. Die Geschäftswelt ist voll von diesen Gegenüberstellungen alter Bilder. Bedient ihr männliches Gegenüber darüber hinaus noch Machtmuster, die die Frau in die unteren Ränge verweisen, potenziert sich der Druck. Die alte Historie kommt nach vorne und somit auch Zeiten, in denen Männer selbstverständlich und auf eine despotische Art und Weise Frauen unterdrückten. Ein heutiges Lautwerden eines x-beliebigen Mannes verbindet sich also mit der despotischen Vorgeschichte. Schon sind wir auch diesen Gefühlen ausgesetzt, die die damalige Unterdrückung auf der Frauenseite anrichtete.
Tipp 1 – den alten Despoten erkennen
Hinter jedem Menschen verbergen sich alte Rollenbilder, 11 negative und 11 positive. Dabei stehen die positiven Rollenbilder den negativen gegenüber und gleichen das Negative aus. Das heißt, jedes Rollenbild vereint für sich spezifische Ansichten sowie Verhaltensweisen und löst spezifische Gefühle aus.
Dabei wurde jedes Rollenbild durch ein Erlebnis Teil des eigenen Hintergrundes – egal ob Sie es persönlich erlebt haben, Ihre Eltern oder die Generation davor. Die negativen Rollenbilder beeinflussen Ihre Reaktionsweise und sind zunächst rein unterbewusst. Durch die historische Emanzipation der Frau, ist der Mann gefühlsmäßig besetzt. Der Grund hierfür ist, dass es einen Befreiungsschlag gab und geben musste, der die Frau aus der Unterdrückung des Mannes herausholte.
Der Mann wurde also systemisch gesehen als Gegner manifestiert. Und gerade weil sich diese Ansicht ins System gegraben hat, wirkt sie heute noch immer – wenn auch nicht unbedingt bewusst. Das heißt, selbst wenn Ihr heutiges männliches Gegenüber respektvoll und freundlich ist, allein das Geschlecht verbindet ihn – unbewusst – noch heute mit Tyrannei, Unterdrückung, Abfälligkeit, Arroganz und Erniedrigung. Es braucht nur eine laute Stimme und Wut auf der männlichen Seite, und Ihre Rollenbilder werden aktiviert, sofern Ihre Familie ein Thema damit hat.
Mein erster Tipp lautet daher: „Machen Sie sich die Unbewusstheit Ihrer Reaktionsweise bewusst und schreiben Sie nieder, mit welchen Attributen Ihr Männerbild belegt ist.“
Anke Sommer begleitet Unternehmer und Führungskräfte in Krisen- und veränderungsreichen Zeiten. Konflikte, die sich dem natürlichen Firmenwachstum und -erfolg entgegenstellen, deckt sie auf, findet Lösungen, bringt die Handlungsfähigkeit zurück. Ihr aktuelles Buch Schlachtfeld Arbeitsplatz ist ein praktischer Leitfaden, mit dem Konflikte schneller und einfacher selbst teilentstört werden können.
Tipp 2 – achten Sie auf Ihre Körpersignale
Reden Sie gerade mit einem männlichen Kollegen oder Kunden und bekommen dabei körperliche Reaktionen, wie zum Beispiel Händezittern, oder Probleme, Ihren Blick zu fokussieren? Und kommen Ihnen diese Signale aus Ihrer Vergangenheit bekannt vor? Dann beginnen Sie Ihren Fokus darauf zu richten. Denn Ihr Körper spult gerade eine Erinnerung ab, die in Ihrem Körperbewusstsein abgelegt ist.
Werden Sie sich darüber bewusst, dass hier eine Erfahrung abgelegt ist, die zu negativ und damals nicht zu verarbeiten war und deshalb heute noch Ihre derzeitige Auffassungsgabe sowie Sachlichkeit angreift. Ihr gegenwärtiges Urteilsvermögen wird dann von diesen Alt-Informationen verschleiert.
Mein zweiter Tipp lautet daher: „Unterschätzen Sie diese Signale nie. Diese Signale lenken Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre persönliche Kraftschleuder. Stoppen Sie sofort Ihre automatisierte Reaktionsweise. Denn hier kämpfen Sie eigentlich nicht mit Ihrem Gegenüber, sondern mit einer alten, aufgeflammten Information. Und diese heften Sie jetzt „nur“ an Ihr derzeitiges Gegenüber. Mit der Folge, dass die Beziehung belastet wird und Sie Ihren sachlichen Blick auf Ihr geschäftliches Tun verlieren.“
Tipp 3 – erkennen Sie den Hintergrund von Cholerikern
Nicht nur Führungskräfte begegnen Menschen mit cholerischen Wutausbrüchen. Aber wo geführt wird, ist Druck. Und wo Druck ist, finden sich noch unzählige alte Muster wieder, die – aktiviert – in Machtszenarien Platz finden.
In der Führungsebene ist der cholerische Ausbruch immer wieder ein unschönes Begleitwerk; der geschlechtsspezifische Konflikt benutzt ihn zur negativen Machtregulation. Hüten Sie sich als weibliche Führungskraft daher vor der Cholerik, denn systemisch gesehen befinden Sie sich hier auf der falschen Seite – auch wenn Sie es sind, deren Wut entgleist.
Ferner wird die Cholerik gesellschaftlich, wenn überhaupt, nur der männlichen Seite zugestanden. Dort zeigt sie evolutionär betrachtet vor der Emanzipation, eine Stärke an, die der Autorität des Mannes zugeschrieben wurde. Seit der Emanzipation wird Cholerik jedoch eher als Schwäche erkannt, da sie heute als Unterordnungswerkzeug identifiziert wird.
Mein dritter Tipp lautet deshalb: Den Weg in eine Gleichberechtigung haben Sie erst dann geschafft, sofern Sie nicht mehr in alte Konflikte einsteigen. Das heißt, dass Sie selbst dann sachlich bleiben können, wenn unbewusst eine Deformierung Ihrer Kraft und Stärke stattfindet, nur weil Sie eine Frau sind. Um das zu schaffen, lassen Sie sich in keine Machtkämpfe hineinziehen. Erheben Sie nie eine Anklage, denn mit der Anklage geht der rollenspezifische Konflikt wieder los. Hinterfragen Sie immer Ihre Reaktionen und bleiben Sie jede Sekunde Ihrer sachlichen Handlung treu.
Und bitte verstehen Sie diesen Artikel nicht als einen Feldzug gegen die Männer. Beide Geschlechter sind, sofern sie unbewusst sind, hier mit Automatismen konfrontiert, die schneller greifen, als Sie gucken können. Und auch Frauen tragen diese Wut in sich – doch wie geschildert, wird ein Ausbruch hier weitaus weniger gesellschaftlich akzeptiert. In den meisten Fällen ist es so, dass Männern ihr Macht- und Dominanzgebaren ebenso wenig gefällt, sofern sie durch die Bewusstwerdungsarbeit beginnen, es zu bemerken; Frauen erkennen in der Bewusstwerdungsarbeit, wie ihr eigenes System mit dem Thema Cholerik verwoben ist.