Wohnungsnot in Großstädten belastet Arbeitsmarkt

Hausfassade

Zwei Drittel der Berufstätigen klagen über hohe Mieten. Fatal für Unternehmen: Besonders jüngere Beschäftigte erwägen einen Jobwechsel, weil die städtischen Mieten zu hoch sind.

Wer in einer deutschen Großstadt eine bezahlbare Wohnung sucht, braucht vor allem Glück oder ein hohes Einkommen. Neun von zehn Berufstätigen meinen, dass es in den Metropolen reine Glückssache ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Acht von zehn Großstadtbewohnern glauben, dass sich nur noch Topverdienende eine Wohnung leisten können. Dieser Trend setzt sich fort, wie die Umfrage vom letzten Jahr zeigt.

Für die Untersuchung „Wohnungsnot in deutschen Großstädten und die Folgen für den Arbeitsmarkt“ befragte PwC 4.000 Berufstätige zwischen 18 und 65 Jahren aus zwölf deutschen Großstädten* mit über 500.000 Einwohnern.

Zwei Drittel sind unzufrieden mit dem Wohnungsmarkt

Wie im Vorjahr sind zwei Drittel der Stadtbewohner unzufrieden mit Mietpreisen, Kosten für Wohneigentum und der Anzahl freier Mietwohnungen. 91 Prozent befürchtet weiter steigende Mieten.

„Auch wenn es zwischen den Städten durchaus Unterschiede gibt und die Situation in München zum Beispiel sehr viel angespannter ist als in Bremen, zeigt die Studie ganz deutlich: In deutschen Großstädten herrscht massiver Frust über die Lage auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt.“
Prof. Dr. Bernd Roese, Mitglied des Middle-Market-Leadership-Teams bei PwC und Leiter des größten deutschen PwC-Standorts in Frankfurt

Statista-Daten belegen, dass die Sorge um steigende Mieten real ist: Seit 2020 sind die Mieten deutschlandweit um 8,6 Prozent gestiegen. In München zahlen Mieter 22 Euro pro Quadratmeter, in Frankfurt am Main 19 Euro und in Berlin 18 Euro. Die Preise für Wohneigentum sind seit 2022 gesunken, da gestiegene Zinsen Kredite verteuern und die Nachfrage senken.

„Das ist für die meisten Menschen allerdings nur ein schwacher Trost. Die Eigenkapitalanforderungen von Finanzierern und höhere Darlehensraten erschweren den Erwerb des Eigenheims weiterhin. Zudem ist Deutschland ein Mietmarkt. Rund 58 Prozent der Menschen wohnen zur Miete. In den Niederlanden ist es nur knapp ein Drittel, in Polen gar nur 13 Prozent.“
Thomas Veith, Leiter des Bereichs Real Estate bei PwC Deutschland

Die Mehrheit der Befragten sieht die Mietmarktentwicklung pessimistisch: Neun von zehn Befragten erwarten steigende Mieten in den nächsten fünf Jahren.

Wohnungsknappheit verschärft Fachkräftemangel

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtDie Wohnungsknappheit ärgert nicht nur Stadtbewohner, sie belastet auch den Arbeitsmarkt und verschärft den Fachkräftemangel. 82 Prozent der Befragten sagen, dass die Wohnsituation es Unternehmen erschwert, Fachkräfte zu finden und zu halten. In München und Berlin bestätigen dies 88 Prozent. Zwei Drittel beobachten den Fachkräftemangel beim eigenen Arbeitgeber.

„Damit droht die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt den bestehenden Fachkräftemangel in den Ballungsräumen weiter zu verschärfen. Dabei geht es längst nicht nur um gut bezahlte Fachkräfte aus den MINT- oder betriebswirtschaftlichen Bereichen. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zieht sich quer durch alle Berufsgruppen und Tätigkeiten, was auch unsere Umfrage bestätigt“, sagt Roese. Besonders in der Pflege (72 Prozent) und im Handwerk (58 Prozent) fehlen Arbeitskräfte. Aber Lehrer:innen (54 Prozent) und medizinische Fachkräfte (47 Prozent) werden dringend gesucht. Arbeitskräfte im Hotel- und Gaststättengewerbe, bei der Polizei und auf dem Bau sind ebenfalls rar.

Jüngere denken wegen hoher Mieten über Jobwechsel nach

„Selbst Unternehmen, die derzeit alle Stellen besetzt haben, können sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Denn die hohen Mieten führen dazu, dass Menschen über einen Job- und damit verbundenen Wohnortwechsel nachdenken“, warnt Thomas Veith. Fast jede:r Zweite kennt jemanden, der wegen hoher Mieten den Job gewechselt hat. Einer von zehn hat selbst aus diesem Grund gekündigt; ein Drittel hat es zumindest erwogen. Jüngere sind wechselwilliger: Bei den 18- bis 34-Jährigen hat fast jede:r Fünfte den Job wegen hoher Mieten gewechselt; 43 Prozent haben darüber nachgedacht. Bei einer Mieterhöhung würde jede:r Zweite einen Arbeitsplatzwechsel in Erwägung ziehen.

Viele machen die Wohnungspolitik der letzten Jahre für den Mangel an bezahlbarem Wohnraum verantwortlich: 48 Prozent meinen, die öffentliche Hand habe zu spät reagiert; 46 Prozent finden, sie kümmere sich zu wenig um sozialen Wohnungsbau, besonders in Berlin (56 Prozent). Gentrifizierung und Luxusbau sind für 41 Prozent ein Problem, besonders in Düsseldorf (47 Prozent).

„Die Ergebnisse zeigen, dass es bei den Befragten nicht nur eine deutliche Erwartungshaltung an die Politik und öffentliche Hand gibt, sondern auch konkrete Vorstellungen, welche Maßnahmen rund um das Thema Wohnen notwendig wären. Dazu gehören zum Beispiel auch lebenswerte Städte.“
Thomas Veith, Leiter des Bereichs Real Estate bei PwC Deutschland

90 Prozent halten eine stärkere Ausrichtung der Wohnungsbauprogramme auf Haushalte mit kleinem bis mittlerem Einkommen für sinnvoll. 88 Prozent befürworten die Umwandlung ungenutzter Büroflächen in Wohnraum. Rund 80 Prozent sprechen sich für die Verschärfung der Mietpreisbremse und die steuerliche Absetzbarkeit von Mietkosten ein. Ebenso viele plädieren für den Ausbau von Pendelstrecken und das Deutschlandticket.


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Was Unternehmen tun können: Betriebswohnungen anbieten

Die Beschäftigten sehen auch die Unternehmen in der Pflicht: Mietzuschüsse oder die Übernahme von Fahrtkosten wären für 85 bzw. 81 Prozent der Befragten hilfreich. 79 Prozent wünschen sich Betriebswohnungen. Große Arbeitgeber in Metropolen wie München und Berlin bieten bereits Betriebswohnungen an. „Von einem Trend will ich noch nicht sprechen, aber mir wird von Kunden immer wieder gespiegelt, dass es insbesondere bei der Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland wichtig ist, Wohnungen bereit zu stellen“, sagt Roese.

Für Fachkräfte, die nicht vor Ort sein müssen, sind Homeoffice-Angebote hilfreich: 80 Prozent befürworten, dass Arbeitgeber die Homeoffice-Ausstattung finanzieren. 70 Prozent der Berufstätigen sagen, dass Homeoffice ihnen ermöglicht, in günstigeren Gegend zu wohnen.

Eine Reihe von Arbeitnehmer:innen sind seit der Pandemie aus den Stadtzentren ins Umland gezogen und nicht mehr bereit, fünf Tage die Woche einen weiten Weg ins Büro auf sich zu nehmen. Um diese Mitarbeitenden nicht zu verlieren, sind Unternehmen gut beraten, ein hohes Maß an Flexibilität zu ermöglichen und die Homeoffice-Angebote nicht wieder zurückzufahren, wie es einige Firmen in den vergangenen Monaten getan haben.“
Prof. Dr. Bernd Roese, Mitglied des Middle-Market-Leadership-Teams bei PwC und Leiter des größten deutschen PwC-Standorts in Frankfurt

*Berlin, Bremen, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Nürnberg, Stuttgart und München.

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