Zeitmanagement im Takt der Persönlichkeit

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Das persönliche Zeitmanagement lässt sich nicht in Standards pressen. Ganz im Gegenteil, ein passgenaues Zeitmanagement berücksichtigt die Persönlichkeitsstrukturen, so die Zeitmanagementexpertin Dr. Eva Brandt.

Als der Gehirnforscher Paul MacLean in den 1980er-Jahren die Evolution des Gehirns in ein Schema aus Stammhirn, Zwischenhirn und Großhirn fasste, horchte die Fachwelt auf. Er nannte es das „drei-einige Gehirn“. Er wurde nicht müde zu betonen: Bereits vor der Geburt eines Menschen bilden sich Temperamente im „drei-einigen Gehirn“ – und mit diesem Moment entsteht die Hardware fürs Leben. Das war damals bahnbrechend und ist es bis heute.

Der Anthropologe Rolf W. Schirm griff diese Erkenntnis auf und entwickelte daraus ein Persönlichkeitsmodell – das „Structogram“ –, welches erlaubt, die persönliche Dominanz nach den Erkenntnissen von Paul MacLean zu ermitteln. Mit Hilfe dieses Modells lassen sich nicht nur das eigene Verhalten und die persönlichen Bedürfnisse aus den Funktionen der verschiedenen Gehirnteile ableiten, es liefert auch Hinweise auf die Zeitpersönlichkeit eines Menschen. Auf diesen Grundlagen hat Dr. Eva Brandt, Expertin für Selbst- und Zeitmanagement, die Nuancen individueller Zeitgefühle weiterentwickelt.

Was charakterisiert die Persönlichkeiten Macher, Analytiker und Geselligen?

Steckbrief Macher
Zeitorientierung: Lebt im Hier und Jetzt.
Entscheidungsfindung: Trifft schnelle Entscheidungen.
Aufgabenlösung: Macht bevorzugt mehrere Aufgaben parallel.
Umsetzung: Möchte alles sofort umsetzen.

Der Macher ist durch seinen Zeitbezug im Hier und Jetzt ein unglaubliches Improvisationstalent. Er erkennt schnell was machbar ist, kann in scheinbar hoffnungslosen Situationen immer noch eine Lösung finden und hat auch den Mut und die Kraft zur Umsetzung. Das liegt in seinem Talent verankert.

Wir sprechen hier nicht von einer beständigen und allgegenwärtigen Kraft. Auch der Macher kann in Stresssituationen geraten, die er selbst nicht mehr lösen kann. Jedoch im Verhältnis aller drei Typen ist meist er derjenige, der die Nerven behält. In solchen Momenten läuft er zu Höchstleistungen auf und demonstriert eindrucksvoll was er tatsächlich drauf hat.

Diese Stärke zeigt sich gleichermaßen auch als Schwäche. Denn sie birgt die Gefahr, sich zu verzetteln und Aufgaben nicht zu Ende zu bringen. Da er es gewohnt ist zu improvisieren, ad hoc zu reagieren und wegorientiert zu handeln, hat er eine große Abneigung davor, Dinge vorausschauend zu planen – was ihn wiederum häufig in zeitliche Schwierigkeiten bringt.

Er schreibt die Ziele nicht auf und er strukturiert sie nicht. Dadurch können größere Karriereschritte oder Pläne nicht so stringent und steil nach oben verlaufen, wie er es sich gewünscht hätte, weil ihm die nötige Kontinuität und Planung gefehlt hat. Andererseits ist es auch möglich, dass er gerade aufgrund seiner fehlenden Planung Herausforderungen annimmt und so von einem Sprungbrett zum nächsten springt.

Steckbrief Analytiker
Zeitorientierung: Lebt gedanklich voraus und besinnt sich wenig auf das Jetzt.
Entscheidungsfindung: Trifft seine Entscheidungen überlegt und durchdacht und nimmt sich dafür Zeit.
Aufgabenlösung: Beendet eine Sache ordentlich, bevor er die nächste beginnt.
Umsetzung: Möchte alles in Ruhe überdenken und prüfen, bevor er sich eine Meinung dazu bildet und etwas umsetzt.

Die Spontanität des Machers fehlt dem Analytiker, der wiederum über eine angeborene Strukturierungsbegabung verfügt. Es ist phänomenal, wie gut er seine Tätigkeiten plant. Beim Aufräumen oder am organisierten Arbeitsplatz kann sich so mancher eine Scheibe von ihm abschneiden, sein Einfallsreichtum ist in dieser Hinsicht wirklich sehr groß. Darüber hinaus zeigt er seine große Stärke in der Reflektion von Arbeitsprozessen und Abläufen. Stets denkt er darüber nach, wie sich Strukturen effizienter gestalten lassen, würde man sie entsprechend optimieren. Er ist ein Experte für die Verschlankung von Prozessen, für Optimierungen und Produktionssteigerungen.

Aber auch hier gerät der Vorteil gerne zum Nachteil. Da der Analytiker so gerne strukturiert, neigt er dazu, sich im Detail zu verstricken und sich zu lange mit der Planung aufzuhalten. Entsprechend ist die Kehrseite der Medaille, da er vor lauter Grübeln die Umsetzung der Optimierung vor sich herschiebt. Die eigentliche Umsetzung beginnt zu spät, eben aus der Angst heraus, ein Problem oder ein Hindernis übersehen zu haben, das ihm auf dem Weg zum Ziel begegnen könnte. Damit steht sich der Analytiker manchmal selbst im Weg.

Steckbrief Geselliger
Zeitorientierung: Lebt gedanklich in der Vergangenheit und kann schlecht mit alten Geschichten abschließen.
Entscheidungsfindung: Trifft seine Entscheidung nur schleppend, außer es gab schon einmal eine ähnliche Situation, auf die er sich beziehen kann.
Aufgabenlösung: Es fällt ihm nicht leicht, Aufgaben abzuschließen, die viel Detailarbeit benötigen.
Umsetzung: Er versucht sich gegen jede Form von Veränderungen zu wehren, auch, wenn sie eindeutig eine Verbesserung sind.

Die Stärke des Geselligen wiederum liegt darin, geduldig an bereits erfolgreichen Prozessabläufen festzuhalten und schätzt es, traditionelle Herstellungsverfahren beizubehalten. Immer wieder greift er gerne auf gute Erfahrungen zurück und wiederholt mit Geduld und Beständigkeit bewährte Vorgehensweisen. Werte hält er aufrecht und bindet Mitarbeiter beispielsweise lange und erfolgreich an ein Familienunternehmen. Dies birgt gleichzeitig die Gefahr, dass er nicht bereit ist, sich auf Innovationen einzulassen, um marktbedingte, notwendige Veränderungsprozesse umzusetzen. Wenn er vor Neuerungen steht (beispielsweise die Einleitung ein Change Management-Prozesses in der Firma), versetzt ihn das in Stress, er fühlt sich blockiert. Da er in einer solchen Situation nicht auf Erfahrungen zurückgreifen kann, versucht er, auf ein weiteres Potenzial auszuweichen: Er verfügt über ein beachtliches persönliches Netzwerk mit Menschen, die im Hinblick auf diesen oder einen ähnlichen Prozess Erfahrungen gesammelt haben. Ist es also nicht die Situation selbst, auf die er zurückgreifen kann, dann sind es die guten Freunde, netten Kollegen und deren Erfahrungen. Wenn all das nicht möglich ist, fällt es dem Geselligen sehr schwer, die nächsten Schritte anzugehen.

„Im Berufsleben habe ich es vielfach erlebt, dass die Geselligen dann mit mir als Coach in Kontakt treten, um gemeinsam die nächsten Schritte auszuarbeiten, wenn es im Bekanntenkreis niemanden mehr gibt, der sie unterstützen kann“, so Brandt.

 

Zeitmanagement im Takt der Persönlichkeit


Zeitmanagement im Takt der Persönlichkeit

Welche Zeitpersönlichkeit sind Sie? Und wie ticken die anderen?
von Eva Brandt
Beltz Verlag (1. Auflage, März 2017)
26,95 Euro (D)
ISBN 978-3-407-36616-0

Die Ratgeber-Redaktion

Unter der Autor:innen-Bezeichnung REDAKTION veröffentlichten DIE RATGEBER von 2010 bis 2020 Gastbeiträge sowie Agenturmeldungen. Im August 2020 gingen die Inhalte von DIE RATGEBER auf die Webseite WIR SIND DER WANDEL über.