Wir erleben aktuell einen echten Struktur- und Paradigmenwechsel, der auch ein neues Führungsverständnis voraussetzt. Eine XING-Umfrage zeigt, dass die Pandemie den Führungsstil in Deutschlands Unternehmen und das Verhalten der Vorgesetzten verändert.
Seit Mai 2020 befragt das berufliche Netzwerk XING seine Mitgliederinnen und Mitglieder in regelmäßigen Abständen zur aktuellen Stimmung und Arbeitssituation im Rahmen des „Corona Barometers“. Die November-Befragung zeigt: Rund drei Viertel (ca. 71 Prozent) der deutschen Befragten empfinden das Jahr 2020 als anstrengender und herausfordernder als die vorangegangenen Jahre. Ein Grund für die größere, wahrgenommene Anstrengung könnte sein, dass rund 74 Prozent der deutschen Befragten angaben, 2020 weniger Urlaub gemacht zu haben als in den Jahren zuvor – im Vergleich der höchste Wert innerhalb der drei deutschsprachigen Länder (Österreich: ca. 68 Prozent, Schweiz: ca. 70 Prozent). Dabei hat der geringe Anteil an genommenem Urlaub auch direkten Einfluss auf den Erholungsgrad: So fühlen sich rund 64 Prozent derjenigen Deutschen, die 2020 weniger Urlaub gemacht haben, auch weniger erholt.
Auch die allgemeine Stimmung ist schlechter: Ging es im Mai noch rund 52 Prozent der befragten deutschen XING-Mitgliederinnen und -Mitglieder sehr gut oder gut, sind es im November nur rund 44 Prozent. Allerdings lassen sich die Deutschen ihren Optimismus nicht ganz nehmen. Der Zukunft blicken die Befragten etwas positiver entgegen als im Mai: Wenn sie an die Situation in einem Jahr denken, sind die Aussichten für fast 55 Prozent sehr positiv bzw. positiv, im Mai haben rund 52 Prozent die Zukunft so positiv bewertet. In Summe war das Arbeitsjahr 2020 – trotz Corona-Krise – für rund 57 Prozent der befragten Deutschen zufriedenstellend.
Hybrid-Office dürfte sich durchsetzen
Waren im Mai fast 47 Prozent der Befragten aus Deutschland ausschließlich im Home-Office, so sind es im November nur noch rund 32 Prozent – wobei Deutschland hier im Vergleich zu Österreich (ca. 38 Prozent) und der Schweiz (ca. 33 Prozent) den niedrigsten Wert hat. Rund 40 Prozent der Mitarbeitenden in Deutschland arbeiteten im November teilweise im Home-Office, im Mai waren es ca. 24 Prozent. „An dieser Entwicklung sehen wir, dass sich hybride Office-Lösungen, also Arbeiten sowohl im Büro als auch im Home-Office, durchzusetzen scheinen“, so Sabrina Zeplin, Geschäftsführerin XING GmbH.
Nach wie vor vermissen die deutschen Mitarbeitenden im Home-Office am meisten die sozialen Kontakte (ca. 73 Prozent). Die Vorgesetzten und die Kommunikation mit diesen fehlen jedoch nur etwas mehr als einem Viertel der Befragten Deutschen (ca. 26 Prozent). Dabei ist die räumliche Trennung zwischen Arbeit und Wohnen beziehungsweise Freizeit für ca. 44 Prozent der Befragten in Deutschland allerdings nach wie vor eine Herausforderung – und auch ein ergonomischer Arbeitsplatz fehlt mehr als jeder und jedem dritten Befragten (ca. 37 Prozent).
Pandemie verändert Führungsstil und Verhalten der Vorgesetzten
Die Pandemie verändert vieles – so auch den Führungsstil in Deutschlands Unternehmen, denn mehr als ein Viertel der Befragten ohne Führungsverantwortung gaben im November an, dass sich der Führungsstil ihrer Vorgesetzten verändert hätte. Am häufigsten nannten sie, dass die deutschen Führungskräfte mehr Verantwortung und Entscheidungsbefugnis übertragen (ca. 32 Prozent). Rund 30 Prozent gaben an, die Führungskräfte kommunizieren im Home-Office weniger als im Büro, allerdings gaben 25 Prozent an, dass die Führungskraft im Home-Office besser erreichbar ist. Auch nehmen mehr als ein Viertel der Befragten (ca. 26 Prozent) ihre Führungskraft empathischer wahr als vor der Krise.
Und das sagen die Führungskräfte über sich selbst: Mehr als 40 Prozent der befragten Führungskräfte gaben an, ihren Führungsstil geändert zu haben. Fast neun von zehn Führungskräften versuchen, ihre Mitarbeitenden besser zu motivieren (ca. 86 Prozent) und sieben von zehn sind der Meinung, ihnen mehr Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse zu geben (ca. 73 Prozent). Zu den Hauptaufgaben von Führungskräften gehören die Festlegung klarer Ziele, die Kommunikation einer Vision sowie die Vorgabe der Strategie – immerhin rund 69 Prozent (klare Ziele festlegen) beziehungsweise mehr als 59 Prozent (Vision und Strategie) tun dies nun verstärkt.
Remote Work benötigt Remote Führung
Auch im Bereich der Kontrolle durch Vorgesetzte hat die Corona-Pandemie eine Auswirkung – allerdings geht die Wahrnehmung von Angestellten und Führungskräften auseinander. Nur rund 20 Prozent der befragten Mitarbeitenden fühlen sich im Home-Office durch ihre Führungskraft weniger kontrolliert. Allerdings ist jede dritte Führungskraft der Meinung, die Mitarbeitenden im Home-Office weniger zu kontrollieren. Mehr Kontrolle üben übrigens rund zehnt Prozent der Führungskräfte aus.
Sabrina Zeplin betont in dem Zusammenhang, dass Remote Work auch Remote Führung benötigt: „Wir erleben derzeit einen echten Struktur- und Paradigmenwechsel, der auch ein neues Führungsverständnis voraussetzt. Es braucht Inspiration statt Kontrolle. Aufgabe der Führungskräfte ist es, Nähe trotz Distanz im Home-Office, sowie gute Mitarbeitererfahrungen zu schaffen, um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bekommen, zu halten und zu inspirieren.”