Viele Führungskräfte fühlen sich erschöpft, die Lösung liegt dabei in der Führungsteilung. Wer nicht handelt, zieht sein Team mit in die Erschöpfung.
Eine Umfrage der Beratungsagentur Auctority in Zusammenarbeit mit civey unter 1.000 Führungskräften zeigt: 61,6 Prozent der Befragten sind erschöpft und nur 30,3 Prozent fühlen sich weniger erschöpft. Frauen in Führungspositionen sind dabei mit rund 65 Prozent etwas stärker betroffen als Männer. Besonders stark schlägt sich die Erschöpfung in der Altersgruppe der 30- bis 39-jährigen nieder, wo 72 Prozent angeben, erschöpft zu sein. Im Vergleich zu einer vorhergehenden Studie zeigt sich, dass Führungskräfte sogar deutlich stärker erschöpft als der Durchschnitt aller Beschäftigten.
Eine Lösung des Problems könnte in mehr Arbeitsteilung für Führungskräfte liegen. Gut: Eine Mehrheit von 61 Prozent der Führungskräfte steht Modellen geteilter Führung offen gegenüber. “Führungskräfte haben denselben Stress wie alle anderen auch, dazu kommt aber eine Zusatzbelastung durch ständig zunehmende Aufgaben, Erwartungen und Verantwortung”, so Randolf Jessl, Geschäftsführer von Auctority und Mitautor der Studie. “Eine naheliegende, aber viel zu selten überhaupt ins Auge gefasste Lösung ist es, diese Führungsverantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen”, so Jessl.
„Wer Führung teilt, entlastet nicht nur sich selbst, sondern fördert auch die Einsatzbereitschaft“
Die Bereitschaft, Führungsverantwortung zu teilen, wurde in der Studie ebenfalls abgefragt. Dabei zeigt sich eine Mehrheit von 61,3 Prozent grundsätzlich offen für geteilte Führung, nur ein gutes Viertel (27,1 Prozent) lehnen dies ab. Bemerkenswerterweise lehnt gerade die am stärksten belastete Altersgruppe der 30- bis 39-jährigen Führungskräfte geteilte Führung mit 40,5 Prozent am stärksten ab, und auch Frauen sind mit 29 Prozent skeptischer als Männer (26 Prozent).
Prof. Dr. Thomas Wilhelm von der SDI Hochschule München und Mitautor der Studie sieht in geteilter Führung einen idealen Ansatz, gleich mehrere Ziele unter einen Hut zu bringen. “Wer Führung teilt, entlastet nicht nur sich selbst, sondern fördert auch die Einsatzbereitschaft und die Entwicklungsmöglichkeiten im Team. Umgekehrt gilt: Die erschöpfte Führungskraft verschleißt und erschöpft auch ihr Team.”
Die Tandem-Rolle ist für junge Führungskräfte überhaupt nicht vorstellbar
Spannend ist die Frage, welche Form geteilter Führung die Führungskräfte selbst sich vorstellen können. So wären 50,6 Prozent der Führungskräfte bereit, einen Teil der Führungsaufgaben in ihr Team zu übertragen (Collective Leadership). 48,5 Prozent wären mit einem gleichberechtigten Tandem zweier Führungskräfte einverstanden, dem sogenannten Co-Leadership. Die komplette Selbstorganisation im Team kommt hingegen auf eine deutlich geringere Anzahl an Befürwortern, nur 22,4 Prozent sehen hierin eine Lösung. Hier sind es wiederum besonders die weiblichen Führungskräfte, die Zweifel haben. Nur 12,3 Prozent sehen darin eine Möglichkeit, sich sinnvoll zu entlasten, bei den Männern sind es immerhin 27,5 Prozent. “Wer Hürden überwunden und endlich eine Führungsposition erreicht hat, sieht es wahrscheinlich als Verlust, diesen Status durchs Teilen zu gefährden”, deutet Jessl das Ergebnis.
Eine Sonderrolle nehmen junge Führungskräfte unter 30 ein. Die Tandem-Rolle ist für sie überhaupt nicht vorstellbar, hingegen ist die Übertragung von Führungsaufgaben bei 59,7 Prozent populär, und 62,7 Prozent können sich sogar die Selbstorganisation vorstellen.
„Das führt allen vor Augen, dass man Führung teilen kann und Führung dadurch besser wird“
Stefanie Junghans, als Führungskraft bei Haniel selbst im Co-Leadership-Modus tätig, wirbt für das Tandem-Modell. “Ein guter erster Schritt ins verteilte Führen ist es, eine Führungsposition mit zwei gleichberechtigen Führungspersonen zu besetzen. Das geschieht häufig in Teilzeitverhältnissen und sorgt dafür, dass sich zwei Personen abstimmen und ergänzen, jeweils ihre Stärken, Perspektiven und Netzwerke einbringen, im Innenverhältnis um die beste Lösung ringen und nach außen mit einer Stimme sprechen. Das führt allen vor Augen, dass man Führung teilen kann und Führung dadurch besser wird”, so Junghans.
“Die Erschöpfung von Führungskräften ist auch das Resultat veralteter Vorstellungen von Führung und Organisation”, ist Jessl überzeugt. “Die Führungskraft der Vergangenheit sah sich mit der überbordenden Erwartung konfrontiert, alles zu wissen und zu können. Das war schon immer falsch.” Wilhelm hat eine Vision: “In Zukunft wird Führung nicht mehr so stark als One-Man-Show verstanden werden, sondern als Gemeinschaftsleistung, bei der jeder gefordert ist und zu der jede beiträgt. Das wird zur Entlastung formaler Führungskräfte führen und Entwicklungs- und Reifungschancen für Mitarbeitende und Teams eröffnen.”