Das DIW Managerinnen-Barometer verzeichnet mehr Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten, doch bleibt viel Potenzial ungenutzt.
Der Frauenanteil in den Führungsgremien der größten deutschen Unternehmen stieg im letzten Jahr weiter. In den 200 umsatzstärksten Unternehmen außerhalb des Finanzsektors erreichten Frauen im vierten Quartal 2024 etwa 19 Prozent der Vorstandspositionen, ein Anstieg um anderthalb Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr.
- So viele Frauen wie nie zuvor in Vorständen
- DAX-Aufsichtsräte: Frauenanteil übersteigt erstmals die 40 Prozent-Marke
- Frauen in Führungspositionen: Öffentliche Unternehmen fallen bei Transparenz zurück
- Frauen: Das ungenutzte Potenzial im Arbeitsmarkt
Immer mehr Unternehmen berufen mindestens eine zweite Frau in den Vorstand. Auch in den Aufsichtsräten stieg der Frauenanteil leicht; dort ist nun jedes dritte Mitglied weiblich. In den DAX-40-Unternehmen liegen die Anteile mit fast 26 beziehungsweise 40 Prozent höher. Diese Entwicklung ähnelt der der Vorjahre, wie das neueste Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt. „Die Fortschritte sind ohne Zweifel positiv, aber auch nicht überwältigend groß“, fasst Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin, zusammen. Der Weg zur Geschlechterparität bleibe lang.
Mehr Vorstandsvorsitzende, Finanzsektor holt auf
Das DIW Managerinnen-Barometer ist die umfassendste Analyse zur Repräsentation von Frauen in deutschen Vorständen und Aufsichtsräten. Über 500 Unternehmen wurden untersucht, darunter die 200 umsatzstärksten Unternehmen, 160 DAX-Unternehmen, 100 Banken, 60 Versicherungen und über 70 Unternehmen mit Bundesbeteiligung. Neben Katharina Wrohlich und Virginia Sondergeld vom DIW Berlin ist Anja Kirsch von der Freien Universität Berlin Mitautorin.
Im letzten Jahr rückten mehr Frauen an die Spitze von Vorständen. In der Top-200-Gruppe gab es im Spätherbst 13 weibliche Vorstandsvorsitzende, vier mehr als im Vorjahr. In der DAX-40-Gruppe führten erstmals drei Frauen einen Vorstand. Dennoch bleiben die Anteile unter zehn Prozent. Bemerkenswert ist auch der Fortschritt im Finanzsektor: Die 100 größten Banken erhöhten ihren Vorständinnenanteil von 14 auf 21 Prozent zwischen 2022 und 2024. Deutschland liegt im EU-Vergleich mittlerweile über dem Durchschnitt, sowohl bei Frauen in Aufsichtsräten als auch in Vorständen.
„Ein besserer Zugang in Spitzenpositionen ist kein Allheilmittel, wenn traditionelle Vorstellungen von Geschlechterrollen oder geschlechterstereotype Zuschreibungen von Eigenschaften Frauen weiter daran hindern, ihre Fähigkeiten erfolgreich einzusetzen.“ Katharina Wrohlich
Die Unternehmenskultur muss Frauen ermöglichen, ihre Fähigkeiten einzubringen
Die Studienautorinnen betonen, dass es nicht genügt, Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten zu haben. Die Unternehmenskultur muss Frauen ermöglichen, ihre Fähigkeiten einzubringen. „Ein besserer Zugang in Spitzenpositionen ist kein Allheilmittel, wenn traditionelle Vorstellungen von Geschlechterrollen oder geschlechterstereotype Zuschreibungen von Eigenschaften Frauen weiter daran hindern, ihre Fähigkeiten erfolgreich einzusetzen“, betont Wrohlich. Co-Autorin Kirsch ergänzt: „Wichtig ist, dass Unternehmen auch ihre Abläufe und Arbeitsweisen ändern, um Frauen beispielsweise gleichranging in Entscheidungsfindungsprozesse einzubinden. Wollen sie hingegen nur gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen und gesetzliche Pflichten erfüllen, ansonsten aber alles beim Alten belassen, ist nicht viel gewonnen.“
Medien verwenden in Berichten über Managerinnen häufiger familienbezogene Begriffe
Der Fortschritt hängt nicht nur von der Unternehmenskultur ab, sondern auch von den Medien. Eine weitere Analyse des diesjährigen Managerinnen-Barometers zeigt, dass Medienberichte über Vorständinnen und Aufsichtsrätinnen von DAX-Unternehmen oft geschlechterstereotyp sind. Frauen werden häufiger mit familiären Begriffen beschrieben, während bei Männern wirtschaftliche und führungsbezogene Begriffe dominieren.
Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) im DIW Berlin zeigen, dass Managerinnen seltener verheiratet sind und seltener mit Kindern leben als ihre männlichen Kollegen, obwohl die Anteile in der Gesamtbevölkerung ähnlich sind. Dennoch berichten Medien häufiger über die familiäre Situation von Frauen in Führungspositionen. Dies verfestigt Geschlechterungleichheiten oder baut sie langsamer ab. „Eine Folge ist womöglich, dass nicht nur Unternehmen Frauen seltener für bestimmte Positionen in Betracht ziehen, sondern Frauen sich auch selbst weniger zutrauen und bestimmte Karrierewege gar nicht erst oder zumindest seltener gehen“, erklärt Virginia Sondergeld. „Wenn Medien Stereotype wie eine Familienorientierung von Frauen aufgreifen, dann trägt das dazu bei, dass sich solche Stereotype in den Köpfen der Menschen festsetzen und langfristig die Karrierewege von Frauen und Männern verzerren.“