Führung erfordert Haltung, nicht Alter. Eine aktuelle Studie zeigt, warum Unternehmen junge Führungskräfte unterschätzen – und wie sie deren Potenzial endlich nutzen können.
Sie führen, gestalten, übernehmen Verantwortung – und stoßen dennoch auf Skepsis. Nicht wegen mangelnder Leistung, sondern wegen ihres Alters. „Zu jung“, heißt es, „zu wenig Erfahrung“. Frauen in Führungspositionen kennen diese Abwertung. Bei ihnen ist es das Geschlecht, bei jungen Männern das Alter. Beide gelten als „nicht reif genug“, um zu führen, sagt Christoph Daldrop von der Universität Kiel.
Das Misstrauen zeigt sich subtil: in einem herablassenden „Du“, in der ständigen Erwähnung des Alters in Interviews, in der Erwartung, man müsse erst „etwas Vernünftiges lernen“. Beispiele wie Kevin Kühnert oder Emilia Fester verdeutlichen, wie tief das Klischee vom „unreifen Nachwuchs“ sitzt. Selbst in der Kultur – etwa bei Dirigent:innen wie Klaus Mäkelä oder Joana Mallwitz – gilt jugendliche Führung als Ausnahme, nicht als Normalität.
Junge Führungskräfte werden systematisch abgewertet
In Unternehmen sieht es nicht anders aus. Junge Führungskräfte berichten, dass man ihr Führungsverhalten weniger an Ergebnissen misst, sondern an ihrem Alter. Ein partizipativer Führungsstil, der Verantwortung teilt, wird bei ihnen schnell als Schwäche ausgelegt. Zeigen Ältere denselben Stil, gilt er als modern und reif.
Altersdiskriminierung ist wissenschaftlich kein neues Thema, doch bisher betrachtete man vor allem ältere Beschäftigte. Eine neue Studie bricht dieses Muster. Sie zeigt: Auch junge Führungskräfte werden systematisch abgewertet – unabhängig vom Geschlecht.
Die stille, aber wirksame Abwertung
Zwei groß angelegte Studien mit fast 2.000 Teilnehmenden untersuchten, wie Alter und Geschlecht die Wahrnehmung von Führungskräften beeinflussen. Das Ergebnis: Junge Führungskräfte genießen weniger Ansehen, Respekt und Autorität als ältere. Diese Abwertung geschieht leise, aber effektiv. Sie prägt, wie junge Führungskräfte wahrgenommen, bewertet und behandelt werden. Ältere Mitarbeitende begegnen ihnen häufiger mit negativen Emotionen, bieten weniger Unterstützung und verwehren Ressourcen. Das zermürbt, fördert Fluktuation und schadet dem Selbstbild.
Alter wiegt stärker als Geschlecht
Besonders brisant: Jung und weiblich führt nicht automatisch zu doppelter Benachteiligung. Stattdessen zeigt sich, dass das Alter stärker ins Gewicht fällt als das Geschlecht. Das legt nahe: Während Organisationen zunehmend auf Geschlechtergerechtigkeit achten, bleibt Altersdiskriminierung – vor allem gegen Jüngere – ein blinder Fleck.
Wie lässt sich diese Voreingenommenheit aufbrechen? Die Forschung liefert klare Ansätze:
- Kompetenz statt Alter
Alter sagt nichts über Führungsqualitäten aus. Entscheidend sind Erfahrungen, Erfolge und die Fähigkeit, Vertrauen zu schaffen. Unternehmen sollten Systeme entwickeln, die Leistung messen – nicht Lebensjahre. - Den Führungsstil strategisch wählen
Studien zeigen: Jüngere Führungskräfte gewinnen anfangs mehr Akzeptanz, wenn sie klare Strukturen, Belohnungssysteme und Transparenz betonen. Partizipative Führung funktioniert – aber erst, wenn die Glaubwürdigkeit etabliert ist. - Altersdiversität fördern
Diversität darf nicht bei Geschlecht oder Herkunft enden. Altersgemischte Teams fördern Verständnis, senken Barrieren und machen Alter zur Nebensache. HR kann steuern: durch Nachwuchsprogramme, altersgemischte Teams und Trainings, die Stereotype abbauen. Wer Diversität strategisch nutzt, gewinnt an Fairness und Innovationskraft. - Bewusstsein schaffen
Führungskräfteentwicklung sollte Altersstereotype offen ansprechen. Dialoge zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitenden fördern Empathie und entlarven Vorurteile.
Die neue Stärke der Jugend
Junge Führungskräfte stehen vor einer paradoxen Aufgabe: Sie müssen Kompetenz beweisen, obwohl sie sie längst zeigen. Doch sie bringen, was Organisationen dringend brauchen – Energie, Anpassungsfähigkeit und eine frische Perspektive auf Führung. Ihr Vorteil liegt nicht in Erfahrung, sondern in Haltung: Sie führen „mit“, nicht „von oben“. Sie denken in Netzwerken, nicht in Hierarchien. Wandel sehen sie nicht als Bedrohung, sondern als Normalzustand.
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Damit diese Generation ihr Potenzial entfalten kann, braucht es einen kulturellen Wandel – weg von der Gleichsetzung von Alter und Autorität, hin zu einer Kultur der Leistung, Offenheit und Anerkennung.
Wenn Unternehmen erkennen, dass Führung keine Frage der Jahre, sondern der Wirkung ist, beginnt echte Transformation. Dann wird jung nicht länger als Risiko, sondern als Ressource gesehen. Die Forschung ist eindeutig: Junge Führungskräfte werden unterschätzt. Doch Organisationen tragen die Verantwortung, das zu ändern. Sie müssen Potenzial fördern, statt Erfahrung zu konservieren. Führung legitimiert sich nicht durch Alter, sondern durch Vertrauen, Klarheit und Mut. Heute gilt mehr denn je: Nicht das Alter führt – die Haltung tut es.

